Wie lange sie schon befreundet sich, können sie gar nicht mehr rekonstruieren, von links: Maggie Smith, Joan Plowright, Eileen Atkins und Judi Dench kennen sich seit Jahrzehnten.
Eigentlich dreht Roger Michell fürs Kino Spielfilme. Und eigentlich lassen Maggie Smith, Judi Dench, Eileen Atkins und Joan Plowright bei ihren Teekränzchen keine Kameras mitlaufen. Für die Dokumentation "Tea with the Dames" machten alle eine Ausnahme.

Tea with the Dames - Ein unvergesslicher Nachmittag

KINOSTART: 25.04.2019 • Dokumentation • GB (2018) • 83 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Nothing Like a Dame
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
GB
Laufzeit
83 Minuten

Filmkritik

Treffen sich vier Schauspielikonen
Von Annekatrin Liebisch

Vier alte Damen treffen sich hin und wieder, um gemeinsam Tee zu trinken. Ein geeigneter Stoff für eine Kino-Dokumentation? Ja, wenn diese alten Damen vier der größten noch lebenden britischen Schauspielerinnen sind.

Vier alte Damen, die sich seit Jahrzehnten kennen, sitzen an einem Kaffeetisch. Sie lachen zusammen, kramen Erinnerungen hervor und tauschen sich über Hörgeräte aus. Im Normalfall müsste man den meisten Kinogängern wahrscheinlich Geld dafür bezahlen, sich in der Woche, in der das Superhelden-Spektakel "Avengers: Endgame" startet, fast eineinhalb Stunden lang die Anekdoten alter Freundinnen anzuhören. Doch das Teekränzchen, bei dem der Zuschauer bei "Tea with the Dames – Ein unvergesslicher Nachmittag" Mäuschen spielt, ist eben alles andere als normal. Die vier Freundinnen, die hier zusammenkommen, sind keine Geringeren als Judi Dench, Maggie SmithEileen Atkins und Joan Plowright. Britische Film- und Theaterlegenden, die allesamt von Queen Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben wurden. Möchte noch jemand Tee?

Wie lang sie sich bereits kennen, ist für die vier Freundinnen schwer zu rekonstruieren. 1958 habe sie Maggie Smith bei einem Theaterfestival in Edinburgh getroffen, kann sich zumindest Judi Dench erinnern. Irgendwann, vielleicht am National Theatre, vielleicht am Old Vic, kreuzten sich dann ihre Wege mit denen von Eileen Atkins und Joan Plowright. Roger Michell, der normalerweise Spielfilme ("Notting Hill", "Spurwechsel") statt Dokumentarfilme in die Kinos bringt, trieb unzählige Fotos und Mitschnitte von längst vergessenen Theateraufführungen der vier Frauen auf, die in Großbritannien als Theaterlegenden gelten. Dass die Oscarpreisträgerinnen Dench ("Shakespeare in Love", 1999) und Smith ("Die besten Jahre der Miss Jean Brodie", 1970, und "Das verrückte California-Hotel", 1979) international deutlich bekannter sind als Plowright und Atkins, spielt in der Dokumentation kaum eine Rolle.

Überhaupt scheinen ihre Film- und Fernsehkarrieren den gestandenen Schauspielerinnen im Vergleich zu ihren Theaterlaufbahnen weniger wichtig zu sein: Die Drehs zur "Harry Potter"-Reihe fand Maggie Smith eher lästig, von der Arbeit an der Erfolgsserie "Downton Abbey" blieben ihr vor allem die unerträglich schweren Hüte in Erinnerung. "Jeder Tag an einem Filmset macht Angst", gesteht Judi Dench, die seit 1998 siebenmal oscarnominiert war. Weil man nicht probt und so viele Leute dabei sind, führt sie aus. Die anderen nicken zustimmend.

Sanft moderiert Roger Michell das Gespräch, in dem er den vier Damen Stichworte souffliert. Er lässt sie über Ängste reden, schlechte Kritiken oder die Zusammenarbeit mit ihren verstorbenen Männern, die auch in der Branche arbeiteten. Der mit Abstand berühmteste war natürlich der von Joan Plowright, Sir Laurence Olivier, der Maggie Smith während ihrer gemeinsamen Zeit beim National Theatre einmal auf der Bühne eine so kräftige Ohrfeige verpasste, dass sie Sternchen sah. Viele große Namen aus der britischen Theaterszene fallen. Wer sie nicht kennt, hat das Nachsehen: Erklärt wird in dieser Dokumentation kaum eine Personalie, was für nicht-britische Zuschauer natürlich nachteilig ist.

Dennoch ist es ein Vergnügen, den vier Damen zuzuhören: Ihre Augen mögen nicht mehr ganz so scharf sein, der Verstand der Darstellerinnen ist es jedoch umso mehr. Ihre Antworten und liebevollen Sticheleien gegeneinander sind oft so präzise, humorvoll und gut getimet, dass ein preisgekrönter Drehbuchautor sie nicht besser hätte formulieren können. Vor allem aber fühlt man sich ihnen nahe. Man wünscht sich allerdings an so einigen Stellen, Michell hätte ein wenig nachgehakt, den vier Damen etwas mehr auf den Zahn gefühlt. Doch dann wäre "Tea with the Dames" ein schnödes Interview geworden – und keine Aufzeichnung eines Teekränzchens, bei dem man ausnahmsweise einmal dabei sein durfte.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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