Unbedarfte Schönheit trifft auf erfahrenden Draufgänger: Ist die Teenie-Erotik "After Passion" das neue "Fifty Shades of Grey"?
So also entsteht im Internetzeitalter erfolgreiche Literatur: Anna Todd, Jahrgang 1989, veröffentlichte vor einigen Jahren auf der Online-Plattform Wattpad kurze Geschichten über einen jungen, tätowierten Mann, der an den Popsänger Harry Styles angelehnt war. Hardin Scott nannte sie ihren Helden, und jedes Mal, wenn der echte Harry Styles sich ein neues Tattoo stechen oder die Haare wachsen ließ, tat das auch Hardin Scott. Insgesamt mehr als 1,5 Milliarden (!) Mal wurden die Geschichten über den Schönling gelesen. Dann schnappten sich Verlage weltweit die Rechte und die Erzählungen von Anna Todd wurden, aufgeteilt auf mehrere Bücher, auch offline zum Bestseller. Mit "After Passion" kommt jetzt die erste einer geplanten Reihe von Verfilmungen in die Kinos.
Hero Fiennes-Tiffin, der Neffe von Ralph Fiennes, spielt diesen jungen Draufgänger Hardin Scott. Hardin ist so etwas wie eine Mischung aus Christian Grey, dem Protagonisten der SM-Romane "Fifty Shades of Grey", und Sebastian Valmont, dem Herzensbrecher aus "Eiskalte Engel". Hardin sieht gut aus, hat reiche Eltern und weiß, was er will im Leben. Kurzum: Er ist das genaue Gegenteil von Tessa Young (gespielt von Josephine Langford), die zu Beginn des Films von der Schule ans College wechselt. In einer weißen, mit Blüten bestickten Weste verabschiedet sie sich von ihrem Freund, der zurück in der Heimat bleibt, und ist erstmal gehörig geschockt, als ihre neue Mitbewohnerin Steph (Khadijha Red Thunder) im gemeinsamen Zimmer einen Joint anzündet. Steph ist es dann auch, auf deren Bett eines Tages Hardin liegt und der naiven Tess schöne Augen macht.
Man fragt sich dann recht schnell, was eigentlich auf den 2.500 Seiten, die Autorin Anna Todd online veröffentlicht hat, so alles stehen mag. Denn wirklich viel passiert in "After Passion" nicht. Hardin steckt bald seine Zunge zwischen Tess' Beine, zum Beischlaf kommt es dann auch irgendwann. Dazwischen: gähnende Leere und eine Dramaturgie wie einst in der Fotolovestory aus der "Bravo". Nur am Ende, kurz vor Schluss, erlaubt sich das Drehbuch eine rasche Wendung. Wer allerdings "Eiskalte Engel" oder "Eine wie keine" gesehen hat, dürfte wenig überrascht die Schultern zucken. Wobei es nicht unwahrscheinlich ist, dass das von "After Passion" anvisierte Zielpublikum von den beiden 20 Jahren alten Filmen noch nie etwas gehört hat.
Inszeniert ist das Ganze freilich so prüde, wie es nur Hollywood kann. Nicht mal, wenn Hardin und Tess in einem einsamen See schwimmen gehen, werden Höschen oder Oberteil abgelegt. Da hilft es auch nicht, dass "After Passion" in lichtdurchflutete, warme Bilder getaucht ist, die an Werbung für vegane Biokekse erinnern – der Film bleibt so erotisch wie ein Kaffeekränzchen bei Oma. Immerhin: Die australische Newcomerin Josephine Langford macht im Film von Regisseurin Jenny Gage eine gute Figur. Die Landpomeranze, die sich Hals über Kopf in den geheimnisvollen Schönling verliebt, nimmt man ihr jederzeit ab.
Hero Fiennes-Tiffin hat da schon einen etwas schwereren Stand. Der Jungschauspieler, der als Zwölfjähriger eine kleine Rolle in "Harry Potter und der Halbblutprinz" hatte, zitiert ununterbrochen Jane Austen und Emily Brontë, schlurft im Ramones-T-Shirt durch den Film und klingt dabei meist so wie ein 50-Jähriger, der sein Leben lang nur Kalendersprüche und den "Playboy" gelesen hat. Abstinenzler ist er auch noch – zu gerne wüsste man, was Harry Styles wohl von diesem Typen hält.
Von "Fifty Shades of Grey" – selbst nicht unbedingt ein gewagter Film – ist all das ziemlich weit entfernt. Wobei das durchaus dem Zeitgeist geschuldet sein kann: Wie eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie der Universität von Chicago herausgefunden hat, lebt einer von vier jungen Erwachsenen in den USA völlig abstinent. Vielleicht wollten die Macher von "After Passion" ihr Publikum ja nicht mit zu viel nackter Haut verstören. In Amerika ist der Film übrigens erst ab 13 Jahren freigegeben – in Deutschland bereits ab 0.
Quelle: teleschau – der Mediendienst