Mit der Kino-Dokumentation "Nachspiel" beschließen die Filmemacher Christoph Hübner und Gabriele Voss ihre Fußballtrilogie. Mit großem Fingerspitzengefühl für Zwischentöne ergründen sie, welche Karriere drei einst hoffnungsvolle Nachwuchskicker hinlegten.
Ein größeres Geburtstagsgeschenk hätte Ex-BVB-Trainer Lucien Favre seinem Spieler wohl nicht machen können: Am 21. November 2020 schickte er kurz vor Abpfiff Youssoufa Moukoko aufs Feld. Gerade einmal einen Tag nach seinem 16. Geburtstag debütierte Moukoko in der Fußball-Bundesliga und stellte damit einen neuen Altersrekord auf. Nachdem der gebürtige Kameruner den Jugendmannschaften längst entwachsen war, lebt er nun den Traum Tausender junger Fußballer.
Wie unterschiedlich sich die Lebenswege verheißungsvoller Talente entwickeln können, zeigt die Kinodokumentation "Nachspiel". Mit dem 90-minütigen Film schließt sich für die Regisseure Christoph Hübner und Gabriele Voss ein Kreis. Vor über 20 Jahren begannen die Filmemacher, sich an die Fersen von jungen Kickern zu heften und sie auf ihrem Weg mit der Kamera zu begleiten. Nach "Die Champions" (1998) und "Halbzeit" (2009) beschließt "Nachspiel" nun die Fußballtrilogie und erzählt von den drei ganz unterschiedlichen Geschichten einstiger Hoffnungsträger von Borussia Dortmund.
Der Wimpel von seinem größten Erfolg – deutscher A-Junioren-Meister mit Borussia Dortmund 1999 – hängt noch heute in der Wohnung von Mohammed Abdulai. Bis auf die ganz große Fußballbühne hat es für den gebürtigen Ghanaer aber nicht gereicht – so erzählen es auch die unverblümten Worte seines Jugendtrainers Edwin Boekamp in einer Rückblende.
Stattdessen reiste Abdulai um die Welt, strandete unter anderem in Bulgarien, Bangladesch und Wattenscheid. Heute arbeitet er als Busfahrer. Glücklich ist er trotzdem, wie er betont – ebenso wie Heiko Hesse, ein weiterer Protagonist des Films. Er legte nach dem Abschied vom Fußball eine akademische Bilderbuchkarriere hin und arbeitet mittlerweile für die Europäische Kommission in Brüssel.
Ganz anders verliefen die Jahre nach dem ersten Kinofilm der Fußballtrilogie für Florian Kringe. Schon mit 17 schaffte der Profi den Sprung in die erste Mannschaft, bei seinem Karriereende 2015 standen knapp 200 Bundesliga-Partien in seiner Vita. Sogar Meister ist er mit dem BVB geworden – obwohl er wegen zahlreicher Verletzungen auf dem Spielfeld nichts dazu beitrug.
Kringe hat aus seinem Körper alles herausgeholt, ein schwerer Tribut, der dem heute 38-Jährigen schon mit 34 Jahren eine Hüftprothese bescherte. Es habe sich wie "eine Befreiung" angefühlt, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen, schildert Kringe in einem bemerkenswert ehrlichen Gespräch mit Lars Ricken. Die Freude am Fußball habe er trotzdem nie verloren, und die Zeit als Profi wolle er nicht missen: "Im Kopf willst du noch wie früher, aber es geht viel langsamer."
"Nachspiel" ist kein Film der Extreme, weder glorifiziert er König Fußball, noch verteufelt er das erbarmungslose Geschäft und die verbissene Suche nach dem nächsten großen Talent. Stattdessen trifft der Film mit großem Geschick die Zwischentöne, was nicht zuletzt an den sehr nahbaren und menschlich wirkenden Protagonisten liegt. So ermöglicht der Dokumentarfilm einen neuen Blickwinkel auf den Kosmos Fußball – auch, wenn angesichts des sehr gemächlichen Erzähltempos wohl nur absolute Fans des runden Leders dranbleiben werden.
Nachspiel, im Kino ab: 12.08.2021
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH