Doris Dörrie präsentiert gut ein Jahrzehnt nach ihrem erfolgreichen Film "Kirschblüten – Hanami" eine Fortsetzung. "Kirschblüten & Dämonen" beschreitet sehr eigene, fast schon experimentelle Wege.
Gut ein Jahrzehnt nach "Kirschblüten – Hanami" kehrt Doris Dörrie zu den Figuren dieses Films zurück. Wo sie sich 2008 noch damit befasste, wie Eltern reagieren, wenn der Abstand zu ihren Kindern immer größer und unüberbrückbar wird, geht es nun um die Perspektive der Kinder – und zwar viele Jahre nach dem Tod der Eltern. "Kirschblüten & Dämonen" ist ein gänzlich anderer Film als sein Vorgänger. Einer, der versucht, die fernöstliche Spiritualität mit einer westlichen Geschichte zu kombinieren. Das ist ein interessanter, aber auch herausfordernder Ansatz, denn unterhaltsam im eigentlichen Sinne ist dieser Film, dessen Geschichte sich einer stringenten Erzählweise widersetzt, nicht wirklich.
Der von Golo Euler gespielte Karl ist ein Verlierer. Ein Säufer, der seine Tochter nicht mehr sehen darf und daran zerbricht. Ein Mann, der sich den Geschwistern gegenüber weigert, das Elternhaus zu verkaufen und es stattdessen lieber verrotten lässt. Jemand, dessen innere Dämonen immer da sind, die nun aber Form annehmen. In dem Moment taucht die Japanerin Yu (Aya Irizuki) auf, die seinen Vater Rudi vor Jahren in Tokio kennengelernt hatte. Wieso sie hier ist, versteht Karl nicht. Aber sie drängt ihn, sich seinen Geistern zu stellen, sie zu konfrontieren und daraus gestärkt hervorzugehen. Aber welchen Weg er beschreiten soll, erkennt Karl erst nach einem weiteren Schicksalsschlag.
Aus dieser Geschichte macht Doris Dörrie mehr als nur einen Selbstfindungstrip. Dies ist vielmehr eine Geschichte, die einen übernatürlichen Touch hat, der aber schwer greifbar bleibt. Weil Geister in der japanischen Mentalität auch einfach nur Erinnerungen sein können, die einen heimsuchen. Wenn diese Erinnerungen immer da sind, sind sie dann nicht wie Geister, die uns auf Schritt und Tritt verfolgen? Das Übernatürliche verschmilzt hier mit dem Psychologischen. Das macht das Verständnis des Films aber nicht leichter, auch wenn Dörrie im Grunde dazu auffordert, sich ganz und gar der eigenen Interpretation hinzugeben. Dem folgend, kann "Kirschblüten & Dämonen" tatsächlich von Geistern erzählen, man kann ihn aber auch als "normales" Drama verstehen, das Einblick in die Psyche und das Herz der Hauptfigur erlaubt.
Die normale Art, einen Film mit großem Stab zu produzieren, sage ihr längst nicht mehr so zu, erklärt Regisseurin Dörrie. Sie könne das immer noch, aber sie möchte lieber improvisieren und eine Authentizität finden, die sich nicht planen lässt. Das spürt man auch bei "Kirschblüten & Dämonen", der mit Digitalkamera gedreht wurde und die Eigenheiten dieses Formats zu nutzen weiß. So spielt Dörrie etwa mit Bildverfremdungen, als die Hauptfigur den Geistern ihrer Eltern begegnet.
Als Dörrie rief, kamen alle, die auch schon am Original beteiligt waren, weil die Figuren von damals sie nie wirklich verlassen haben. Nur eine Ausnahme gibt es. Maximilian Brückner war wegen einer Fernsehserie indisponiert und konnte nicht erneut Karl spielen. Dafür fand man in Golo Euler einen würdigen Ersatz. Durch seine Augen sieht man auch die Eltern Rudi und Trudi – erneut von Elmar Wepper und Hannelore Elsner gespielt – aus einem anderen Blickwinkel.
Weil eine ultimative Wahrheit enthüllt wird: dass Kinder nur selten ihre Eltern wirklich kennen. Sie kennen sie als ihre Eltern, nicht jedoch als Individuen und schon gar nicht als die Menschen, die sie waren, bevor sie Eltern wurden. Das ist das Kernthema dieses Films, bei dem Karls Erkenntnis, dass er vieles aus dem Leben seiner Eltern gar nicht wusste, zu seiner eigenen Verwandlung führt, an deren Ende er sich entscheiden muss, ob er endlich richtig leben will.
Quelle: teleschau – der Mediendienst