Knapp hundert Jahre nach der Romanvorlage von Remarque hat Netflix eine neue Version von "Im Westen nichts Neues" gedreht, die auch im Kino zu sehen ist. Das Kriegsdrama mit Felix Kammerer (Bild) in einer Hauptrolle geht für Deutschland auch ins Oscar-Rennen.

Im Westen nichts Neues

KINOSTART: 29.09.2022 • Drama • Germany, United Kingdom, United States of America (2022) • 147 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Im Westen nichts Neues
Produktionsdatum
2022
Produktionsland
Germany, United Kingdom, United States of America
Filmstudio
Amusement Park Films, Gunpowder Films
Budget
20.000.000 USD
Laufzeit
147 Minuten
Kamera
Der Krieg mit all seinen Schrecken
von Christoph Schmidt

Dies ist keine Heldengeschichte: Edward Berger bringt mit der Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" den Irrsinn und die Brutalität der Schützengräben auf die Leinwand. Deutschlands Oscar-Anwärter ist ein einprägsames Kriegsdrama von trauriger Aktualität. Nach dem Kinostart steht "Im Westen nichts Neues" ab Freitag, 28. Oktober, auch beim Streamingdienst Netflix zum Abruf bereit.

"Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam." Seinem 1928 verfassten (Anti-)Kriegsroman "Im Westen nichts Neues", der die Schrecken des Ersten Weltkriegs durch die Augen eines jungen Soldaten schildert, stellt Erich Maria Remarque dieses bedeutungsschwere Zitat voran. Denn den traumatisierten Männern, die dem Gemetzel der Schlachtfelder entkamen, brannten sich Tod, Blut und Elend ins Gedächtnis.

Auch die insgesamt dritte Buchverfilmung, die Regisseur Edward Berger für Netflix inszenierte, beginnt mit den berühmten Worten. Tatsächlich ist es ein besonderes Verdienst seines Dramas, die Sinnlosigkeit des Krieges ohne Schuldzuweisung zu verdeutlichen. Was folgt, sind knapp zweieinhalb Stunden, die den Wahnsinn des Krieges ungefiltert in die Kinosessel transportieren: bildgewaltig, schonungslos und angesichts von erstarkendem Nationalismus in Europa und Krieg in der Ukraine erschreckend aktuell.

"Im Westen nichts Neues" ist der wohl bedeutendste deutsche Film des Jahres: Der zeitlose Stoff, der nach wie vor als Schullektüre hoch im Kurs steht, in Kombination mit einem hochkarätigen Cast und den Vorschusslorbeeren, die dem Film als deutschem Vertreter im Rennen um den Auslands-Oscar zuteilwurden, legen die Messlatte enorm hoch. Unter anderem standen mit Albrecht Schuch, Edin Hasanovic und Daniel Brühl prominente Schauspieler vor der Kamera.

Die Hauptrolle übernahm hingegen ein junger österreichischer Darsteller, der zwar am renommierten Wiener Burgtheater spielt, jedoch niemals zuvor vor einer Kamera performte: Felix Kammerer mimt den jungen Rekruten Paul Bäumer mit Bravour. Der Dreh geriet für ihn zum physischen wie psychischen Kraftakt auf 120.000 Quadratmetern Matsch. "Es war körperlich. Ich weiß nicht, wie ich es gemacht habe", gesteht der 27-Jährige. "Man fällt langsam auseinander."

Aus Euphorie wird nackte Angst

Zwar übernimmt die Neuverfilmung (Buch: Berger, Lesley Peterson, Ian Stokell) die episodische Erzählung des Romans, wählt jedoch einen anderen Einstieg. Bereits in den ersten Minuten wird so deutlich, wie Menschenleben im ersten industrialisierten Krieg der Menschheit verheizt wurden. Unmittelbar beginnen die Kampfhandlungen an der Westfront des Frühjahrs 1917, hier stehen sich Deutsche und Franzosen in einem unerbittlichen Stellungskampf gegenüber. Schreie mischen sich in das Getöse der Artillerie – auch dieser Kriegsfilm vermittelt viel über den Ton.

Soldat Gerber (Jakob Schmidt) stürmt ins französische Maschinengewehrfeuer, neben ihm fallen Kameraden im Akkord. Auch Gerber stirbt schließlich auf dem Schlachtfeld, seine blutige Uniform wird in Deutschland gereinigt. Dort erhält sie der 17-jährige Gymnasiast Paul Bäumer (Kammerer). "Auf in den Kampf für Kaiser, Gott und Vaterland", ruft ein Offizier der "eisernen Jugend" zu und erntet tosenden Applaus. Schon bald werden sie auf Paris marschieren und dann als Helden in der Heimat empfangen, sind sich die Freiwilligen Paul, Ludwig (Adrian Grünwald), Franz (Moritz Klaus) und Kropp (Aaron Hilmer) sicher.

Die von Propaganda entfachte Euphorie wandelt sich schnell in nackte Angst, als die Jungs als naives Kanonenfutter in Nordfrankreich ankommen. Der erste Einsatz im Schützengraben zeigt bereits, was sie erwartet: ein einziger Morast, die Hölle auf Erden. An der Front treffen die frischen Rekruten auf Tjaden (Hasanovic) und Katczinsky (Schuch), der in diesem Krieg schon zu viel gesehen hat. "Der Mensch ist ein Biest", weiß "Kat". Was folgt, ist eine aus Verzweiflung geschmiedete Kameradschaft und ein Kampf ums Überleben.

Wenn der Gegner menschlich wird

Im Ersten Weltkrieg wurde häufig unter riesigen Verlusten um wenige hundert Meter gekämpft. Im Nahkampf um Leben und Tod bekommt der vermeintliche Gegner plötzlich ein Gesicht und einen Namen. Es ist ein Mensch, der zu Hause von Frau und Kind vermisst wird, es ist ein "Kamerad", der den gleichen Irrsinn durchlebt wie man selbst. Wie sehr die Soldaten abstumpfen, wird mehr noch als in den Kampfszenen in den ruhigen Dialogen fern der Front deutlich. Helden? Sucht man vergeblich.

Ein Handlungsstrang des neuen Films, den man im Buch vergeblich sucht, widmet sich der politischen Ebene: Während Daniel Brühl in der Rolle der historischen Figur Matthias Erzberger auf ein Waffenstillstandsabkommen mit den Franzosen hinarbeitet, will der fanatische General Friedrich (Devid Striesow) sich trotz aussichtsloser Lage nicht ergeben – und aus Hybris noch mehr junge Männer in den Tod schicken.

Der Tod ist allgegenwärtig

In einem Film, in dem der Tod allgegenwärtig ist, ist auch Gewalt omnipräsent: Explosionen, Bajonett-Attacken, Panzer walzen über hilflose Männer. Laut Produzent Malte Grunert dürfe die Gewalt niemals, "in welcher Form auch immer, geil sein. Diese Gewalt muss wehtun, wenn man sie sieht." Beiden Ansprüchen ist Regisseur Berger definitiv gerecht geworden. Dem Publikum wird die Brutalität ein ums andere Mal die Sprache verschlagen.

Dass das Ende unnötig dick aufträgt, bleibt lediglich ein Schönheitsfleck auf einem beeindruckenden und authentischen Kriegsdrama. Der fantastische Cast macht gemeinsam mit einer beeindruckenden Kamera-Arbeit den Horror beinahe physisch erlebbar. Mit einer unbehaglichen Mischung aus Fassungslosigkeit und Trübsinn verlässt man den Kinosaal, aber auch in der Gewissheit, einen deutschen Ausnahmefilm gesehen zu haben.

Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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