Anwalt Caspar Leinen (Elyas M'Barek, Bild) wird Fabrizio Collini als Pflichtverteidiger zugeteilt.
"Der Fall Collini" erzählt von einem Mörder, der nicht verteidigt werden will, und von einem Pflichtverteidiger, der trotzdem sein Bestes gibt.

Der Fall Collini

KINOSTART: 18.04.2019 • Justizdrama • D (2019) • 123 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Der Fall Collini
Produktionsdatum
2019
Produktionsland
D
Laufzeit
123 Minuten

Filmkritik

Von einem Mörder, der nicht verteidigt werden will
Von Julian Weinberger

Berufliche Herausforderungen, ein moralisches Dilemma und die Demaskierung seiner Vaterfigur: Elyas M'Barek muss sich in "Der Fall Collini" als Rechtsanwalt mit vielen Problemen herumschlagen. Überzeugt der "Fack Ju Göthe"-Star in einer ernsten Rolle?

Als sich Fabrizio Collini (Italowestern-Star Franco Nero) seinen Weg durch die Hotelempfangshalle bahnt, hinterlässt er auf dem hellen Marmorboden Blutabdrücke. Gerade hat er den Großindustriellen Jean Baptiste Meyer (Manfred Zapatka) brutal hingerichtet und dann so lange auf ihn eingetreten, bis sein Schuhabsatz abbrach. Doch Collini denkt nicht im Geringsten an Flucht. Ohne eine Regung wartet er stattdessen auf das Eintreffen der Polizei. Mit der Eigenwilligkeit Collinis hat auch sein Pflichtverteidiger Caspar Leinen (Elyas M'Barek) zu kämpfen, denn sein Mandant schweigt sich im Justizdrama "Der Fall Collini" beharrlich über das Mordmotiv aus. Wie also einen Mann verteidigen, der scheinbar gar nicht verteidigt werden will?

Es bleibt nicht Leinens einziges Problem. Weil der Tote über Jahre eine Vaterfigur für den Anwalt war, gerät Leinen in einen schweren inneren Konflikt. Doch als der unerfahrene Pflichtverteidiger ein kleines, scheinbar bedeutungsloses Detail entdeckt, fügt sich Stück für Stück ein Puzzle zusammen, das den Ermordeten in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Mit seinen Enthüllungen geht Leinen nicht nur auf Konfrontationskurs mit dem Star-Anwalt Richard Mattinger (Heiner Lauterbach), der die Anklage vertritt. Auch das Verhältnis Leinens zu seiner Jugendliebe Johanna (Alexandra Maria Lara), der Enkelin des Toten, droht ob des dunklen Geheimnisses aus der Vergangenheit zu zerbrechen.

M'Barek überzeugt als Charakterdarsteller

Anders als es der Titel des Gerichtsdramas vermuten lässt, spielt Collini selbst zunächst nur eine marginale Rolle. Stattdessen stellt Regisseur Marco Kreuzpaintner, der zuletzt mit der visuell aufregenden Amazon-Serie "Beat" für Aufsehen sorgte, Anwalt Caspar Leinen in den Mittelpunkt. Der hat in der recht langen Ouvertüre mit allerlei zu kämpfen. Er scheitert ein ums andere Mal dabei, einen Zugang zu seinem Mandanten zu bekommen. Hinzu kommt das moralische Dilemma, den Mörder seines Ziehvaters zu verteidigen, und vor Gericht muss sich Leinen als Neuling Respekt erarbeiten.

Hin- und hergerissen zwischen Privatleben und beruflicher Verpflichtung, zwischen Fleiß und Verzagen, kann Darsteller Elyas M'Barek überraschen. Bisher als Vorzeigemacho mit Waschbrettbauch bekannt und immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen, emanzipiert er sich von früheren Rollen in "Fack Ju Göthe" oder "Türkisch für Anfänger" und überzeugt als Charakterdarsteller.

Der Clou des Films, der auf der gleichnamigen Romanvorlage von Ferdinand von Schirach basiert, offenbart sich aber erst, als die Vergangenheit des Mordopfers ans Licht kommt. In der Folge verändert sich die komplette Wahrnehmung der Hauptfiguren. Meyers weiße Weste als liebevoller Fürsorger ist dahin. Stattdessen beginnt man, Verständnis für Collinis Tat zu entwickeln. Und bei Star-Anwalt Richard Mattinger, hervorragend verkörpert von Heiner Lauterbach, weicht siegessicherer Überlegenheit die Angst, das eigene Gesicht zu verlieren.

"Der Fall Collini" ist nicht nur spannend inszeniert und toll gespielt, der Film liefert auch einen Denkanstoß, der einen nach dem Kinobesuch nicht so schnell loslässt: Er führt einen Rechtsstaat vor, der in der Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte auf ganzer Linie versagt hat. "Der Fall Collini" entpuppt sich als Film gegen das Vergessen, und so lässt es sich auch verschmerzen, dass die Drehbuchautoren Christian Zübert, Robert Gold und Jens-Frederik Otto die Romanvorlage an der ein oder anderen Stelle massiv verändert haben.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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