"Ein verborgenes Leben" ist Terrence Malicks bester Film seit Jahren. Denn endlich hat der Regisseur wieder eine Geschichte gefunden, die es lohnt, erzählt zu werden.
Terrence Malick ist eine Ausnahmeerscheinung unter den Filmmachern Hollywoods. Zwei Filme drehte der Mann aus Illinois in den 70er-Jahren – "Badlands" und "In der Glut des Südens", Meisterwerke alle beide. Dann 20 Jahre Pause, 1998 schließlich ein drittes Werk, "Der schmale Grat", ein Kriegsfilm, einer der besten aller Zeiten. Mit "The Tree of Life" schuf Malick 2011 sein Opus Magnum, seitdem steht er fast jedes Jahr für ein neues Projekt hinter der Kamera. Ein wirklich guter Film aber wollte ihm zuletzt nicht mehr gelingen; Malick wiederholte sich, verlor sich in Plattitüden. "Ein verborgenes Leben" ist nun auf den ersten Blick ein Malick-Film wie jeder andere: bedeutungsschwanger, ätherisch, fließend. Und doch ist die Erzählung über das Leben eines oberösterreichischen Bauern, der sich den Nationalsozialisten widersetzte und von ihnen hingerichtet wurde, Malicks bester Film seit Jahren. Weil der Regisseur mit dieser wahren Geschichte endlich einen Stoff gefunden hat, der es lohnt, erzählt zu werden.
Franz Jägerstätter heißt der Mann, von dessen letzten Lebensjahren Malicks Film handelt. Jägerstätter kam 1907 im Dorf St. Radegund zur Welt, war Bauer, Bergarbeiter, zeugte ein Kind mit seiner Magd. Durch seine spätere Frau Franziska fand er zum Glauben und studierte die Bibel.
"Ein verborgenes Leben" setzt im Jahr 1939 ein. Franz Jägerstätter, fantastisch gespielt von August Diehl, bewirtschaftet mit seiner Frau Franziska (Valerie Pachner), mit der er drei Töchter haben wird, einen kleinen Hof. Es ist ein einfaches, karges, aber auch Sinn stiftendes Leben. Malicks Kamera folgt Jägerstätter und den anderen Bauern bei der Feldarbeit, sie gleitet über die Felder und ergötzt sich an der Schönheit und Erhabenheit der Landschaft. Malick setzt das Göttliche der Natur in harten Kontrast zum nationalsozialistischen Weltbild. Im Vorspann des fast dreistündigen Films hatte er in Archivaufnahmen Hitler in Nürnberg aufmarschieren lassen, und auch in St. Radegund tauchen bald die ersten Nazis auf.
"Ein verborgenes Leben" zeigt Franz Jägerstätter nicht als Rebellen, sondern als stillen Helden, der einfach nur tut, was er für richtig hielt. Er hält keine flammenden Reden, verteilt keine Flugblätter, zündet keine Bomben. Und er spricht wenig über seine Motive, sich den Nationalsozialisten zu verweigern. Der Glaube an Gott steht für ihn über allem, auch über Hitler. 1940 muss er nach Enns, beginnt eine Grundausbildung, sticht mit dem Bajonett auf Strohpuppen ein, leistet einen Fahneneid auf den "Führer". Doch lange kann er das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.
Jägerstätter vertraut sich dem Dorfpfarrer (Tobias Moretti) an, später dem Bischof. Er habe eine Pflicht dem Vaterland gegenüber, sagt ihm der Kirchenmann, das stehe so in der Bibel. Und: Wir sind keine Helden. Im Dorf spricht sich herum, wie Jägerstätter denkt und dass er nicht für die NSDAP spendet, als die Geld einsammelt. Der Bürgermeister (Karl Markovics), der klingt wie heute ein Björn Höcke, macht ihm das Leben zur Hölle. Die Kinder werden mit Mist beworfen, Frau Franziska von der Dorfgemeinschaft geächtet. Doch sie hält zu ihm. Auch dann noch, als Jägerstätter erst "Pfui Hitler!" ruft und schließlich den Wehrdienst verweigert. Man bringt ihn nach Linz, später nach Berlin. Am 9. August 1943 wird Franz Jägerstätter hingerichtet, verurteilt von einem von Bruno Ganz gespielten NS-Richter.
Regisseur Malick hält sich weitgehend an die Fakten. Einen Historienfilm im eigentlichen Sinne aber hat er nicht gedreht. "Ein verborgenes Leben" ist vielmehr sein eigener Blick hinein ins Innenleben seines Protagonisten und dabei natürlich immer auch viel Interpretation. Die katholische Kirche verehrt Jägerstätter, sprach ihn 2007 selig. Auch bei Terrence Malick hat er stets etwas Heiliges, Entrücktes an sich. August Diehl spielt ihn als einen Mann, der über den Dingen steht, verklärt ihn vielleicht ein wenig, ist aber immer auch ganz aufrichtig in seiner Bewunderung für Jägerstätter. Der ging sehenden Auges in seinen Untergang, sich stets bewusst darüber, dass ihm sein Widerstand das Leben kosten würde. Sich Hitler zu widersetzen, wenn auch mit gefesselten Händen, schrieb Jägerstätter einmal, sei "noch immer besser, als wenn der Wille gefesselt wäre".
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH