Urbane Mythen und visueller Hokuspokus machen Berlin zu einer magischen Stadt: Mittendrin im Großstadtmärchen ist Cleo, eine junge Frau auf einer Schnitzeljagd nach der verlorenen Zeit.
Strenge Regeln befolgen, sich abschotten, die Welt ausschließen – das ist zwar keine Lösung. Aber Cleo kann nicht anders. Die junge Frau ist eine ganz besondere Person, ein Kind der Weltgeschichte. Und die hat ihr ziemlich übel mitgespielt, Berlin kann ein ziemlich hartes Pflaster sein. Cleos Mutter starb bei ihrer Geburt inmitten des Mauerfall-Trubels am 9. November 1989, den Papa raffte eine Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkriegs dahin. Da muss man ja nicht gleich ein Drama draus machen, dachte sich Filmemacher Erik Schmitt und mischte mit viel Verve Märchen, Romanze, Abenteuer, ein bisschen Bildung und viel Berlin zusammen. Das fügt sich zwar nicht immer zu einem Ganzen, aber hübsch anzusehen ist "Cleo" allemal.
Dass Erik Schmitt den Kinoträumereien von Michel Gondry und Jean-Pierre Jeunet nachhängt, das hat er schon mit dem Kurzfilm "Nashorn im Galopp" gezeigt. Auch in seinem Langfilmdebüt lässt er sich von den Franzosen inspirieren. Cleo ist eine Art Amélie in Berlin, die Stadt selbst eine wilde Collage aus verblüffenden Animationen und wilden Perspektiven. Zeit und Raum sind der Wirklichkeit enthoben. Das verspricht einerseits erzählerische Freiheit, ist andererseits die größte Schwäche des Films.
Denn die Geschichte hält mit den optischen Reizen nicht Schritt. Zwar erzählt "Cleo" im Grunde die Geschichte eines Kindes (Gwendolyn Göbel), das mit dem Verlust seiner Eltern zurechtkommen muss. Doch nach zehn Minuten ist die Kindheit schon vorbei und Cleo erwachsen (nun gespielt von Marleen Lohse). Dass sie sich noch immer ziemlich kindisch benimmt, mag man ihr nicht abkaufen. Ebenso wenig wie ihrer Bekanntschaft Paul (Jeremy Mockridge): Mit dem attraktiven Tagedieb zieht sie durch Berlin – auf der Suche nach einem Schatz und der Seele der Stadt.
Die beiden holen sich Unterstützung von den skurrilen Gestalten Günni (Heiko Pinkowski) und Zille (Max Mauff), um das letzte Geheimnis der Gebrüder Sass zu lüften. Das Gaunerduo hatte es in der Weimarer Republik zu einiger Berühmtheit gebracht, unter anderem durch einen Einbruch in eine Bank, dessen Beute bis heute nicht entdeckt wurde. Cleo interessiert sich besonders für eine Uhr, mit der man die Zeit zurückdrehen kann.
Lässt man urbane Mythen und visuelle Zauberhaftigkeiten außen vor, stellt man fest: Es passiert nicht wirklich viel auf der Schnitzeljagd. Inhaltlich halten Erik Schmitt und seine Co-Autorin Stefanie Ren weniger, als die Bilder versprechen. Immerhin führt die Schatzsuche das Quartett in die Geschichte eines Berlins, einer Stadt, die mit viel Fantasie und verrückten Ideen als magische Idealvorstellung gestaltet ist. Mit der Wirklichkeit muss man es aber auch nicht immer genau nehmen.
Cleo zum Beispiel trifft immer wieder die Geister Berliner Originale und historischer Persönlichkeiten, die ihr alles Mögliche erklären, sie trösten und anspornen. Denn natürlich ist die Jagd nach dem verlorenen Schatz nichts anderes als Cleos Versuch, sich der Welt zu öffnen. Dass sie auf der Suche in der Vergangenheit endlich ihre eigene Identität findet, das ist kein unkluger Gedanke. Wir sind doch alle ein Teil der Summe, aus allem, was war. Auch wenn's bisweilen schmerzt: Deswegen muss man freilich nicht gleich die Zeit zurückdrehen. Die Revision der Geschichte ist keine Lösung, erst recht nicht in der heutigen Zeit. Diese Erkenntnis sei – nicht nur – Cleo von Herzen gegönnt. Genau wie die Liebe.
Quelle: teleschau – der Mediendienst