Gefeierter Fußballer, Volksheld und tragische Figur zugleich: Der britische Oscarpreisträger Asif Kapadia rekapituliert in seiner neuesten Kinobiografie das bewegte Leben von Diego Maradona und kommt dem Argentinier dabei beeindruckend nah.
Ob wegen seines WM-Jahrhunderttores gegen England 1986 nach traumhaftem Solo, seiner unvergleichlichen Technik am Ball oder als ewiges Aushängeschild des SSC Neapel – Diego Maradona gilt vielen Fans und Experten bis heute als bester Fußballer aller Zeiten. Doch neben allem Erfolg auf dem Spielfeld war der Argentinier, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, stets auch jemand, der die Boulevardschlagzeilen beherrschte und Skandale heraufbeschwor. Der Fußballer ließ sich mit der Mafia ein, wurde kokainsüchtig und verlor sich in familiären Streitigkeiten. Mit einer großen Auswahl an bisher unveröffentlichten Videoaufnahmen aus den 1980er-Jahren zeichnet der Dokumentarfilm "Diego Maradona" ein Bild des heute 58-Jährigen in all seinen Facetten. Nachvollzogen wird Maradonas Entwicklung vom armen Slumjungen zum Fußballgott bis hin zum verhassten Skandalfußballer.
Der Film beginnt am 5. Juli 1984. Bei der Ankunft Maradonas bei seinem neuen Klub in Neapel heißen den aus Barcelona vertriebenen Mittelfeldspieler 85.000 begeisterte Fans willkommen. Durch das voll besetzte Stadion hallen "Diego, Diego"-Sprechchöre, und auf den Tribünen werden zur Ankunft des neuen Helden Bengalos gezündet. Die Heldenverehrung sollte sich in den folgenden Jahren, verstärkt durch die bis heute einzigen Meistertitel des Vereins, bis ins Unermessliche steigern.
Die vielen auf dem Fußballfeld eingefangenen Szenen dokumentieren, welch brillanter Spieler und begnadeter Techniker Maradona war. Doch abseits des Platzes wurde der Rummel um den Mittelfeldmann immer größer. Wie der zweistündige Film eindrücklich zeigt, war Maradona mit dem Personenkult um ihn grenzenlos überfordert.
Schon mit 15 Jahren zum Ernährer seiner achtköpfigen Familie aus ärmlichsten Verhältnissen aufgestiegen, verlor der Fußballer im Moment des größten Erfolgs den Halt. Maradona verfiel seiner immer schlimmer werdenden Kokainsucht und machte sich zur Marionette der neapolitanischen Camorra. Viele Menschen, die ihm nahe standen und in der Dokumentation zu Wort kommen, bescheinigen ihm, immer mehr wie Maradona und immer weniger wie Diego geworden zu sein.
Wie schon in "Senna" (2010) und "Amy: The Girl Behind The Name" (2015) gelingt es dem oscarprämierten Team um Regisseur Asif Kapadia und Produzent James Gay-Rees, eine tragische Lebensgeschichte unverblümt und gleichzeitig so authentisch wie möglich zu erzählen. Dabei verlassen sich die Filmemacher ausschließlich auf Originalmaterial, das aus dem Off von zahlreichen Weggefährten und auch von Maradona selbst eingeordnet wird. Erstmals äußern sich zudem Maradonas Ex-Frau Claudia Villafañe und Cristiana Sinagra, die Mutter seines unehelichen Kindes.
Insbesondere durch die vielen Aufnahmen aus dem Privatarchiv der Familie erzeugt die herausragende Filmbiografie eine Nähe, die man so in Sportdokumentation selten gesehen hat. Ob beim Spielen mit seiner kleinen Tochter, im Telefongespräch mit seiner Mutter nach dem WM-Triumph 1986 oder beim Tennisspielen mit seiner Jugendliebe Claudia – "Diego Maradona" wirkt fast so, als würde man gemeinsam mit dem Protagonisten durch ein Familienalbum blättern.
Bei allen privaten Einblicken behält der Film dennoch stets die Balance zwischen der Würdigung eines großen Sportlers und der ehrlichen Auseinandersetzung mit einem tragischen Absturz, an dessen Ende Maradona "wehrlos und ein seelisches Wrack" war, wie er selbst betont. Es gibt eine Szene im Film, in der Diegos Mutter versichert, sie würde sich gut um ihren Sohn kümmern, und er sei stets brav gewesen. "Sonst setzt es was", fügt daraufhin ihr Sohn feixend hinzu. Im Nachhinein hätte ihm das wohl gut getan.
Quelle: teleschau – der Mediendienst