Oscar-Preisträger Tom Hooper ("The King's Speech") verhebt sich mit seiner Kinoversion des Erfolgsmusicals "Cats" – nicht nur wegen gruseliger Katzenmenschen aus dem Computer.
Katzen sind faszinierende Wesen. Aber nur, wenn sie nicht aussehen wie Menschen. Da sie das in Tom Hoopers "Cats" aber tun, hat die Verfilmung von Andrew Lloyd Webbers Erfolgsmusical ein ziemliches Problem. Auf jeden Fall muss man sehr viel guten Willen, mindestens aber Überwindung aufbringen, um sich darauf einzulassen, einem unglaublichen Cast beim Schnurren zuzuschauen. Oscar-Preisträger Hooper ("The King's Speech") hat für seine zweite Musicalverfilmung nach "Les Misérables" jede Menge Hollywood- und Musikprominenz verpflichten können: Taylor Swift, James Corden, Jennifer Hudson, Sir Ian McKellen, Idris Elba, Judi Dench, Rebel Wilson, Jason Derulo – und Londons beste Primaballerina Francesca Hayward in ihrem Kinodebüt.
Hayward spielt dann auch die Hauptrolle: Als Kätzchen Victoria wird sie Teil der Katzenbande Jellicles und bestaunt mit großen Augen, was die Tiere da in den Londoner Hinterhöfen so treiben. Dabei sieht sich vor allem niedlich aus und tanzt sich die Seele aus dem Leib. Wie alle anderen Darsteller auch, trägt Hayward dabei Pelz. Der freilich stammt aus dem Computer, was – freundlich ausgedrückt – ziemlich gewöhnungsbedürftig aussieht.
Die Hybridwesen aus CGI (Fell, Ohren, Schwanz) und menschlicher Physiognomie sind weder Fisch noch Fleisch, weder Katz' noch Mensch. Man reibt sich die ganze Zeit die Augen und hofft, aus einem Albtraum zu erwachen. Was zum Teufel ist denn da schiefgelaufen? Wieso haben manche Tiere Hände, Füße und menschliche Lippen? Wieso tragen einige Turnschuhe? Seit wann können Katzen mit den Brüsten wackeln? Und warum muss die so würdevolle Judi Dench unbedingt ein Bein heben, als sie auf der Couch liegt?
Ganz abgesehen von der Sache mit der Perspektive: Die Tiere sehen aus wie Menschen, sollen aber nur so groß wirken wie Katzen. Das Bühnenbild wurde entsprechend in den Größenverhältnissen angepasst. Nur bekommt man das nicht mit, weil die Katzen nun mal wie Menschen aussehen und auch so groß sind wie Menschen. Dass sie ab und zu in überdimensionierten Kulissen herumturnen, wirkt eher albern.
Das einzig Positive am CGI-Desaster: Man bekommt gar nicht mit, dass "Cats" fast keine Geschichte erzählt, sondern in erster Linie eine Nummernrevue ist. Das ist keine große Überraschung, basierte doch schon das Musical auf der losen Gedichtsammlung "Old Possum's Book of Practical Cats", die der britisch-amerikanische Lyriker und Literaturnobelpreisträger T.S. Eliot 1939 für Kinder geschrieben hat. Witzig und charmant stellt Eliot darin verschiedene Katzentypen und ihre Eigenheiten vor.
In Verbindung mit den Songs von Andrew Lloyd Webber und einer ausgefeilten Tanzchoreografie machen die Katzen auf der Musical-Bühne, was sie auch im Internet am besten können: das Publikum zerstreuen. Im Revuetheater reicht das als Unterhaltungsprogramm auch völlig aus. Im Kino ist das zu wenig. Da will man eine Geschichte erzählt bekommen, da will man Drama und Spannungsbögen, da brauchen Bilder einen Handlungsrahmen, in dem sie wirken können. Eine echte Handlung hat aber schon das Musical nicht, und Tom Hooper hat es schlichtweg versäumt, "Cats" fürs Kino neu zu erfinden. Also passiert nicht viel: Die Jellicats versammeln sich, um eine Katze aus ihrer Mitte zu bestimmen, die am Ende des Abends wiedergeboren werden darf. Ein Dutzend von ihnen stellt sich mit choreografierten Nummern vor, und Rebel Wilson macht als witzige Dicke vom Dienst ein paar schlüpfrige Bemerkungen. Das muss für zwei Stunden reichen.
Was die Sache noch problematischer macht: Das Musical hat mit der Glamourkatze Grizabella immerhin einen klaren emotionalen Anker. Ihr "Memory" verkommt in der Kinoversion aber zu einer Randnotiz, auch wenn das Stück von Jennifer Hudson mit Inbrunst gesungen wird und natürlich immer noch ein ganz starker Song ist. Was übrigens für alle Songs gilt, inklusive des neuen "Beautiful Ghosts", den Taylor Swift und Andrew Lloyd Webber für den Film geschrieben haben. Musikalisch ist an "Cats" nichts auszusetzen, und tanzen können die Katzenmenschen auch alle. Für einen guten Film ist das aber zu wenig.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH