Florian Henckel von Donnersmarcks oscarprämiertes Überwachungsdrama erinnert einmal mehr an die Unmenschlichkeit des Stasi-Systems.
Es hat einige Zeit und viele ostalgisch verklärte Rückblicke gedauert, bis sich deutsche Filmemacher ernsthaft und differenziert mit der real existierenden DDR-Vergangenheit auseinandersetzten. Nach Dominik Graf ("Der Rote Kakadu", 2005) machte 2006 auch Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem großartigen Spielfilmdebüt "Das Leben der Anderen" Schluss mit der Schwarz-Weiß-Malerei und wurde dafür mit sieben Deutschen Filmpreisen und dem Oscar ausgezeichnet. ARTE zeigt nun die entlarvende Gesellschaftsstudie, die 1,6 Millionen Kinozuschauer in Deutschland sahen, in einer Wiederholung.
Von Donnersmarck inszenierte ein Drama, das in jedem totalitären Staat hätte spielen können, aber hier in Ostberlin, im Orwell-Jahr 1984, beginnt. Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe, der 2007 verstarb) ist eigentlich kaum noch im operativen Geschäft tätig. Der Ausbilder und Verhörspezialist ist trotzdem immer im Dienst, ein Stasi-Mann, der seinen Beruf liebt, den eine innere Überzeugung treibt. Eine perfekte Maschine – kalt, berechnend, emotionslos.
Wieslers Intelligenz und Überzeugung machen ihn zu einem zuverlässigen Rädchen im Überwachungsgetriebe, während sein Studienfreund und Vorgesetzter Grubitz (Ulrich Tukur) ein karrieresüchtiger Dummkopf ist. Diese Art ist wirklich gefährlich, vor allem wenn sie nach oben buckelt: Weil ein Minister auf die Schauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) scharf ist, ordnet Grubitz die totale Überwachung ihres Freundes an. Dabei war der Dramatiker Georg Dreyman (Sebastian Koch) bei der SED-Führung bislang beliebt: unkritisch, unpolitisch, mittelmäßig begabt.
30 Jahre Mauerfall bei ARTE
Verwanzen, Nachbarn einschüchtern, abhören – das geht alles schnell und professionell. Wiesler sitzt fortan sehr oft unterm Dach des Künstler-Hauses, einsam auf seinem Abhörposten – interessiert und akribisch. Hier die Dunkelheit, die Technik, die Leere – unten das Leben, die Liebe, die Kunst. Doch Dreyman und Sieland haben nichts zu verbergen, und Wiesler erkennt die Fehler des Systems, in dem Menschen nicht als Individuen zählen, sondern als generelle Bedrohung der Macht gelten oder persönlichen Interessen im Wege stehen.
So weicht die Akribie des Spitzels nach und nach dem Interesse am Leben "der Anderen". Wiesler nimmt daran Teil und entdeckt die eigenen Emotionen. Er will das Paar beschützen, fälscht Protokolle und wagt den geheimen Widerstand. Doch nicht nur Wiesler verändert sich. Auch Dreyman gibt seine unpolitische Haltung auf, will Stellung beziehen.
Diese Veränderungen lässt Florian Henckel von Donnersmarck mit dem Mut zu großen Emotionen in eine aufwühlende Tragödie münden. Der Stasimann als Beschützer des Systemkritikers – das ist nicht nur rührend, sondern auch glaubhaft. "Das Leben der Anderen" ist gut recherchiert. Wenn er auch nicht völlig klischeefrei ist, der Film beschönigt nichts, zeigt das Stasi-System, wie es war: Menschen verachtend und zerstörerisch.
Ab 16.25 Uhr erinnert ARTE an den Mauerfall vor 30 Jahren. Den Anfang macht die Dokumentationsreihe "Das Rote Erbe – Künstler und die sozialistische Vergangenheit". Um 17.40 Uhr geht es weiter mit der Sendung "Sternstunden der Musik", die sich mit einem Konzert der Berliner Philharmoniker, das drei Tage nach dem Mauerfall von 1989 stattfand, auseinandersetzt. "Der schwierige Weg zur deutschen Einheit" (22.25 Uhr) beleuchtet den sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag, und "Berlin – oder: Die Kunst der Flucht" (23.20 Uhr) zeigt, auf Archivmaterial stützend, spektakuläre Fluchten über die Mauer.