Paul Muni hieß eigentlich Meshilem Meier Weisenfreund und wurde 1895 in Galizien, in der heutigen Ukraine, als Sohn eines jüdischen Schauspielerpaares geboren. Die Familie wanderte 1902 in die USA aus. Schon früh stand der kleine Meshilem auf der Bühne des Jüdischen Theaters in New York, wo alle Stücke in Jiddisch aufgeführt wurden. Besonderes Interesse entwickelte der Junge für Theater-Make-up, weil das es ihm ermöglichte, ältere Charaktere zu spielen, obwohl er noch völlig grün hinter den Ohren war. Als er zwölf war, sah ihn das Publikum in einer Rolle als Greis! Schnell hatte man dem kreativen Nachwuchsakteur den Beinamen "Der neue Lon Chaney" verpasst, weil seine Verwandlungskünste denen des wandlungsfähigen Stummfilmstars Chaney offenbar in nichts nachstanden.
In den folgenden Jahren lernte Paul Muni sein Handwerk von der Pike auf. Ganz ohne Theorie, allein dank der Praxis auf der Bühne. Deshalb war es nur konsequent, dass er seine Frau ebenfalls am Theater kennenlernte. 1921 heiratete Paul Muni die jüdische Schauspielerin Bella Finkel. Die Ehe hielt bis zu seinem Tod 1967. Bis dahin sollte in der Karriere des Paul Muni aber noch einiges passieren ... 1926 gab der inzwischen 30-Jährige sein Debüt am Broadway, in "We Americans". Es war seine erste Rolle überhaupt, die er in englischer Sprache spielte, und es war zugleich der Beginn eines rasanten Aufstiegs. Denn bereits für seinen ersten Film "The Valiant" (1929), der - logisch - auf einem Bühnenstück basierte, erhielt der gelernte Theaterschauspieler eine Oscar-Nominierung. Aber was heißt hier eigentlich "gelernt". Paul Muni sagte einst über sein Können: "Ich bin seit Jahren im Geschäft, aber ich kann noch immer nicht sagen, was Schauspielerei eigentlich ist und wie man das macht."
"The Valiant" war kein Publikumserfolg. Ebensowenig Munis zweiter Film "Seven Faces", der im selben Jahr erschien. Bemerkenswert ist dieser dennoch, weil der vielseitige Mime hier gleich sieben Charaktere spielte, unter anderem Napoleon und Franz Schubert. Vielleicht entdeckte Paul Muni just zu dieser Zeit sein Faible für historische Figuren. Denn nach so karrierefördernden Auftritten wie in "Scarface" (dem Vorbild für die heute bekanntere Version mit Al Pacino) und in dem anklagenden Gefängnisdrama "Jagd auf James A." überredete der inzwischen im Movie-Business etablierte Muni die Bosse von Warner Bros., endlich mal eine aufwendige Biografie zu drehen. Die Überzeugungsarbeit lohnte sich: Die Verfilmung des Lebens von Louis Pasteur sorgte für volle Kinokassen und brachte Hauptdarsteller Paul Muni seinen ersten und einzigen Oscar ein (insgesamt war er sechs Mal nominiert). Mit diesem Erfolg im Rücken war es leicht, weitere Biopics anzustoßen: 1937 spielte Muni den französischen Romancier Émile Zola, 1939 den mexikanischen Revolutionär Benito Juárez.
Paul Muni war bekannt dafür, wie sehr er sich in seine Rollen eingrub. Im Vorfeld las er praktisch alles, was es zum Thema gab, studierte Fotografien der zu porträtierenden Persönlichkeiten. Als er aber in Sidney Franklins "Die gute Erde" nach dem gleichnamigen Roman von Pearl S. Buck einen Chinesen spielen sollte, war er dann doch einigermaßen verwundert: "Ich bin in etwa so chinesisch wie Herbert Hoover!" Egal, Muni machte es, aber wohl nicht ganz oscarreif. Aber dafür erhielt sein Co-Star Luise Rainer einen Academy Award. Muni war inzwischen de facto zum Star geworden - und er wollte keiner sein. Weil ihm die in Hollywood übliche Lebensart zunehmend auf die Nerven ging, besann er sich auf seine Herkunft und spielte wieder mehr Theater. Diese neu entdeckte Begeisterung mündete 1955 im für ihn größten Bühnenerfolg seiner Laufbahn. Für seinen Part als Anwalt Henry Drummond im Gerichtsdrama "Wer den Wind sät" erhielt Paul Muni den begehrten Tony Award, ein Ritterschlag für jeden Broadway-Akteur.
Doch mit diesem Ritterschlag ging auch ein Schicksalsschlag einher, der dazu beitrug, dass Paul Muni 1959 vorzeitig in Ruhestand ging: 1955 wurde bei dem 59-Jährigen ein Tumor am linken Auge festgestellt. Es musste entfernt werden. Zwar kehrte der Vollblutschauspieler noch einmal in seinen Beruf zurück und erhielt für seine Rolle als alternder Doktor in "Der Zorn des Gerechten" seine sechste Oscar-Nominierung. Doch seine nachlassende Sehkraft und ein Herzfehler machten es ihm unmöglich, eine Alterskarriere zu verfolgen. Einmal noch stand Muni vor der Kamera: 1962 für die NBC-Serie "Saints and Sinners". Mit 71 Jahren starb er zurückgezogen in Kalifornien, seine Frau Bella überlebte ihn um vier Jahre.
Weitere Filme mit Paul Muni: "The World Changes" (1933), "Hi, Nellie!" (1934), "Stadt an der Grenze" (1935), "In blinder Wut" (1935), "Dr. Socrates" (1935), "The Woman I Love" (1937), "Ihr seid nicht allein" (1939), "Trapper des hohen Nordens" (1941), "Commandos Strike at Dawn" (1942), "A Song To Remember" (1945), "Counter-Attack" (1945), "Angel On My Shoulder" (1946), "Imbarco A Mezzanotte" (1952)