Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) müssen im "Tatort: Siebte Etage" den Mord am Hausmeister eines Eroscenters aufklären. Dabei taucht man tief ein ins Leben der Prostituierten. Der schön fotografierte Fall thematisiert Schmerz und Pein eines schwierigen Berufes.
"Wenn Frauen Männer töten würden, weil sie neben's Klo pinkeln, würden wir in Arbeit ertrinken", sagt Freddy Schenk (Dietmar Bär) zum Kollegen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt). Er tut es, nachdem man im "Tatort: Siebte Etage" die Reinigungskraft eines Kölner Eroscenters verhört hat. Der Hausmeister, Malik Zeman (Mehdi Salim), wurde aus dem Fenster gestoßen, er ist tot. Und er steht unter Verdacht, zuvor im großen Stil neben die Toilette uriniert zu haben. Ob er deshalb sterben musste? Auf der siebten Etage des Eroscenters ist Geschäftsführer Gerald Kneissler (André Eisermann) stolz darauf, dass all seine Damen – jeweils Mieterinnen ihrer Zimmer – auf eigene Rechnung und ohne Zuhälter arbeiten. Man lernt sie bald bei Verhören kennen: Jasmin (Antonia Bill), die von ihrer bürgerlichen Familie verstoßen wurde. Oder Cosima (Senita Huskić), die zwei Kinder hat und diese gern zu sich holen würde. Kann ihr Jütte (Roland Riebeling) helfen, den sie von früher kennt, als er noch in Wuppertal bei der Sitte war?
Dann ist da Tani (Maddy Forst), die verheiratet ist und den Job eher pragmatisch sieht. Oder die Ex-Prostituierte und Schoßhund-Liebhaberin Chiara (Sabrina Setlur), die mittlerweile ein Nagelstudio auf dem "Hurentrakt" betreibt – so ein bisschen der Treffpunkt von Etage sieben. Schließlich ist da noch Hair-Stylistin Kaja Zeman (Nuriye Jendroßek), die Schwester des Toten. Wer aus dieser besonderen Gemeinschaft könnte den nicht allzu beliebten Hausmeister auf dem Gewissen haben? Ballauf und Schenk stellen in Einzelgesprächen mit den Prostituierten fest, dass es in ihnen oft anders aussieht, als es die glitzernd coole Arbeits-Fassade vermuten ließe. Je länger man sich auf der siebten Etage umschaut, desto mehr Geheimnisse gibt es zu entdecken.
Eva und Volker A. Zahn ("Zarah – Wilde Jahre") gehören zu den bestetablierten Drehbuch-Teams des deutschen Fernsehens. Lange Zeit lebte das Kölner Ehepaar mit dem skurrilen Status, dass sie zwar bereits etliche "Tatorte" verfasst hatten, aber eben keinen für ihre Heimatstadt unterm Dom. Dies änderte sich mit dem Schiffsthriller "Hubertys Rache" (2022) und dem sehr starken Fall "Abbruchkante" (2023) über ein dem Tagesbergbau geschuldetes Geisterdorf. Die Zahns sind bekannt dafür, sich besonders für soziale und gesellschaftspolitische Themen zu interessieren – und diese durchaus mit moralischen Denkanstößen zu verhandeln. So auch hier in ihrem Stück über die Zuhälter-freie Prostituiertenszene eines Eroscenters, in dem dennoch keine wirklich glücklichen Fachkräfte arbeiten.
Im sehr stimmungsvoll fotografierten (Kamera: Lukas Gnaiger) und inszenierten (Regie: Hüseyin Tabak, "Oskars Kleid") Film durchbrechen die Prostituierten irgendwann im Geiste Bertolt Brechts die vierte Wand und sprechen direkt zum Publikum. Dann hört man arg kluge, philosophische Sätze wie: "Sie begehren dich nicht. Weder dich noch deinen Körper. Sie verletzen deine Seele." Spätestens dann dürfte klar sein: So cool und lässig, wie sich die Mieterinnen des freiberuflichen Hurenhauses geben, ist hier eigentlich niemand. Dazu darf man auch kein Glück und keine Echtheit in diesem Leben zu finden hoffen. Selbst dann, wenn Stammfreier wie Biedermann Kai Jankow (Sascha Goepel) immer wieder zur blondperückten Jasmin kommt, so als hätten die beiden eine echte Beziehung miteinander und man müsse sich erst mal erzählen, wie der Tag bisher so war.
Das Ehepaar Zahn schrieb mit dem "Tatort: Siebte Etage" eine Puffgeschichte mit viel Moral. Ein Film, der als Krimi eher mittelmäßig ist, sieht die Menschen hinter dem Hurenklischee und seziert einen Beruf, der immer noch moralisch verurteilt wird. So sehr, dass die Ausübenden wie Menschen unterster Klasse behandelt werden. Dazu hört man Songs wie "Für mich soll's rote Rosen regnen" von Hildegard Knef oder "Smile" von Nat King Cole: Maximal tröstende Lieder für untröstliche Situationen. Auch der sonstige Musik-Score ist gelungen. Man kann "Siebte Etage" wegen seiner Schwächen als Krimi oder in der Figurenzeichnung als eher missratenen "Tatort" mit jedoch wunderschönen poetischen Momenten bezeichnen. Am Ende darf man sich auf eine tolle Schluss-Sequenz freuen, die käufliche Liebe noch einmal als Illusion enttarnt. Wenn schon Ernüchterung in Liebesdingen greift, dann darf sie gerne so gut aussehen wie in diesem Kölner Herbstfall.
Tatort: Siebte Etage – So. 24.11. – ARD: 20.15 Uhr