Gleich mit ihrer ersten Kinorolle in dem Nachkriegsdrama "Kolp" (1983) von Roland Suso Richter erregte Katja Flint die Aufmerksamkeit von Kritik und Publikum. Der Film, der sich mit erstaunlichem Gespür für die Psychologie der Personen und ihre Umwelt den Schwarzmarktgeschäften von Oberschülern in einem Odenwald-Dorf widmet, floppte bei uns zu Unrecht, war aber 1984 ein großer Kritikererfolg in Cannes.
Spätestens seit Dominik Grafs "Die Sieger" (1994), in dem Katja Flint als kühle Politikergattin agiert, ist die Schauspielerin nicht mehr aus der deutschen Kinolandschaft wegzudenken. Der Thriller, an den Kinokassen ein Desaster, brachte ihr ein höchst zweifelhaftes Kompliment ihres schauspielerischen Könnens ein: Man sieht in ihr die erotischste Frau des deutschen Films, eine Art deutsche Sharon Stone.
Der Versuch von RTL, der insgesamt drei Thriller mit Katja Flint als Hauptdarstellerin produzierte und die Aktrice im Stile einer Katja Riemann aufbauen wollte, schlug fehl. Denn die Filme sind reine Durchschnittsware. In Peter Keglevics "Vickys Alptraum" (1997) mimte die Flint eine hilflose Frau. In "Der Venusmörder" ermittelte sie als Kripo-Frau gegen einen Schönheitschirurgen (Hannes Jaenicke) und außerdem spielte sie in "Apartment für einen Selbstmörder". Auch 2000 gelang ihr der Durchbruch nicht: Zwar glänzte sie in der Rolle der mondänen Schauspiel-Diva Marlene Dietrich, aber der Kinofilm Marlene" war ein Flop.
Katja Flint wächst in Utah/USA auf. Zurück in Deutschland macht sie ihr Abitur und absolviert eine dreijährige Schauspiel-Ausbildung. Nach dem Debüt "Kolp" (1983) folgt ein Engagement in Slavo Luthers "Vergesst Mozart". Bald schon taucht die Darstellerin auch in TV-Produktionen auf. Sie spielt u. a. in der Serie "Der Fahnder", dem Zehnteiler "Regina auf den Stufen" und in "Leo und Charlotte". In dem Kinofilm "Straight Shooter" lief sie bereits den Ausdrucksstil der blondkühlen Marlene Dietrich Probe - das machte neugierig. Offensichtlich hatte das der Co-Produzent von "Marlene", Regisseur Joseph Vilsmaier eingefädelt. Im Fernsehen sieht man Katja Flintals Geisel in Bernd Schadewalds halbauthentischen Bankraubraub-Protokoll "Ein großes Ding" (1998) und in Hark Bohms Verfilmung des berühmten Vera Brühne"-Stoffs (2001). Ebenfalls 2001 entstand die übertriebene Kino-Satire "Suck My Dick".
Nicht immer bewies Katja Flint bei der Auswahl ihrer Stoffe Geschmack. Sie war in der lahmen Beziehungskomödie "Widows - Erst die Ehe, dann das Vergnügen" (1997) von Sherry Hormann dabei und sogar in der unsäglichen Blödelklamotte "Ballermann 6" (1997), der aus vielen Kinos vorzeitig rausflog, weil das Publikum die Kinosäle verwüstete.
Weitere Filme mit Katja Flint: "Vergesst Mozart" (1985), "Der lange Sommer" (1988), "Der demokratische Terrorist" (1992), "Alles außer Mord" - Der Name der nelke", "Der König von Dulsberg", "Voll normaaal" (alle 1994), "Das Mädchen Rosemarie", "Bruder, ich brauche dein Blut", "In uns die Hölle", "Tatort - Die schwrazen Bilder" (alle 1995), "Kreis der Angst", "Lautlose Schritte" (beide 1996), "Ende einer Leidenschaft" (1997), in dem Flint eine eiskalte Karrieristin mimt, "Annas Fluch - Tödliche Gedanken" (1998), "Der Solist" (2000), "Rosa Roth" (2001), "Casanova - Ich liebe alle Frauen" (2002), "Olgas Sommer" (2003), die unsagbar schlechte Komödie "Pura Vida Ibiza - Die Mutter aller Parties!", "Für immer und jetzt" (beide 2004), "Die weiße Massai", "Kabale und Liebe", "Herzentöter" (alle 2005), "Tatort - Kunstfehler", "Franziskas Gespür für Männer" (beide 2006), "Mütter, Väter, Kinder" (2007), "Ein starkes Team - Die Schöne vom Beckenrand", "Der verlorene Sohn" (beide 2008), "Liebe und andere Gefahren", "Jenseits der Mauer", "Liebling, weck die Hühner auf", "Stürme in Afrika", "Zeiten ändern dich" (alle 2009), "Kommissar LaBréa - Mord in der Rue St. Lazare", "Nachtschicht - Ein Mord zu viel", "Schandmal - Der Tote im Berg" (alle 2010), "Einfach die Wahrheit" (2011).
Katja Flint war mit Heiner Lauterbach verheiratet, von dem sie aber bereits seit 1991 getrennt lebte.
Prisma Frau Flint, in Bernd Schadewalds "Ein großes Ding" spielen Sie eine Geisel. Wie spielt man so etwas?
Katja Flint Für die Rolle der Anna Klages habe ich mich mit der Problematik auseinandergesetzt. Wichtig ist das Umfeld der Person, sind ihre Lebensumstände und dann die Frage, was geht in einem vor unter solchem Schock? Wie reagiert man?
Prisma Sie haben auch Dokumente des wirklichen Vorfalls angesehen?
Flint Das hat sehr geholfen, Reaktionen nachzuempfinden. Natürlich auch die Tatsache, dass man in einer solchen Zwangsgemeinschaft das Außen, also in dem Sinne die Polizei, als Gefahr und Bedrohung sieht, glaubt man doch, wenn die Gangster frei kommen, ist man selbst auch frei.
Prisma Bernd Schadewald arbeitet wirklich mit seinen Schauspielern. Das ist ja nicht selbstverständlich. Was ist für sie die wichtigste Voraussetzung, eine Rolle anzunehmen?
Flint Ich frage mich, ob die Geschichte mitreißt, ob die Figur in mir Spiellust anregt. Der Bauch entscheidet beim Lesen. Dann kommt die Überlegung, wer macht Regie, wer spielt noch mit, wer produziert, ist es Fernsehen, passt es ins Fernsehen - oder ins Kino. Oder auch: Interessiert das überhaupt den Zuschauer. Das alles gehört zusammen. Aber entscheidend ist die Lust auf die Figur.
Prisma Nimmt die Kritik mit der Erfahrung zu?
Flint Ja eindeutig. Früher habe ich nur auf Rollen geschaut. Das war etwas Neues. Da war etwa eine unglaublich vielseitige Figur, drumherum die Geschichte schwach. Wenn dann die Regie nicht stimmt, kann man auch mit einer guten Rolle nicht viel retten. Dann wird der Film nicht gut, oder nur durchschnittlich.
Prisma Gibt es Regisseure bei denen Sie sofort ja sagen würden?
Flint Sicher gibt es die, aber trotzdem würde ich immer wissen wollen, was soll ich da spielen? Bernd Schadewaldt ist sicherlich einer, nach seinem Film "Der Hammermörder" habe ich gedacht, mit dem möchte ich arbeiten. Ich mag bei ihm, dass er nicht mit diesen modischen Mitteln arbeitet, nicht hier ein bisschen Sex und da ein bisschen Action. Er bemüht sich, wirklich Geschichten aus Deutschland zu erzählen. Es gibt eine ganze Reihe Regisseure, mit denen ich gerne arbeiten würde. Mit Dominik Graf habe ich gerade ein Projekt entwickelt, das wir realisieren wollen.
Prisma Sie spielen zur Zeit nicht Theater?
Flint Nein, zur Zeit nicht, ich habe ja am Theater angefangen und dann immer mal wieder gespielt, aber die interessanteren Angebote kamen in den letzten Jahren von Film und Fernsehen. Ich versuche, mir die Zeit einzuteilen, dass ich genügend Zeit zuhause habe, auch für mein Kind. Da ist es schon auch angenehm mit kurzen Arbeitsphasen und dass man die Zeit, da man nicht arbeitet, gut finanzieren kann. Das wäre beim Theater nicht möglich.
Prisma Es würde Sie aber doch wieder reizen?
Flint Ich werde sicher auch wieder Theater spielen. Jetzt im Moment steht kein konkretes Projekt an, außerdem habe ich für die nächsten Jahre vier oder fünf sehr sehr schöne Filmprojekte, auf die ich mich freue und die mich sehr in Anspruch nehmen werden. Da wäre für Theater keine Zeit.
Prisma Wieviel Zeit brauchen Sie zwischen zwei Filmen?
Flint Als absolutes Minimum zwei Monate, wenn es geht drei, vier Monate.
Prisma Wie sehen Sie die Situation des deutschen Films, also Kino und Fernsehen?
Flint Sehr positiv. Es wird viel gedreht, natürlich wird auch viel Mist produziert. Da sind viele auf die Nase gefallen. Da das Kinojahr davor so erfolgreich war, hat man offenbar gedacht, jetzt kann man jeden Mist als Kinofilm verkaufen. Das hat natürlich nicht funktioniert, denn so doof sind die Zuschauer nicht. Man muss schon auch Qualität bieten, sonst kommen die Leute nicht. Zur Zeit habe ich das Gefühl, es entwickelt sich trotzdem sehr positiv, obwohl es dieses Jahr einen leichten Rückschlag gab. Es wird wieder mehr auf Qualität geachtet. Was mich sehr freut: die Genres sind sehr vielfältig. Jetzt gibt es nicht nur Komödien, sondern Filme wie "Aimée & Jaguar" und alles mögliche.
Prisma Diese Entwicklung ist natürlich auch ein Verdienst der erfolgreichen Komödien...
Flint Klar, das ist erst einmal der Anfang, dass man gesagt hat, die Leute interessieren sich, die gehen für deutsche Filme ins Kino. Auch "Comedian Harmonists" ist für mich keine Beziehungskomödie, es gibt da schon eine ganze Menge Beispiele dafür, dass der deutsche Film wieder im Kommen ist.
Prisma Es gab ja schon Ende der 80er Jahre Ansätze wie Dominik Grafs "Die Sieger"?
Flint Der hatte schon die ganzen technischen Effekte. Das wurde damals als störend und irritierend und schrecklich empfunden. Heute ist das total modern. Die vielen Tonspuren, die hektische Kamera. Es gibt eine Menge Leute, die den Film wirklich mögen und sagen: der Film war seiner Zeit voraus.
PrismaWie ist das bei Ihnen mit dem Verhältnis Kino - Fernsehen?
Flint Früher in den Anfängen wollte ich unbedingt Kino machen, heute muss ich sagen, es gibt den einen oder anderen Stoff, der passt ins Fernsehen besser als ins Kino. Es gab ja diesen Trend, jeden besseren Fernsehfilm auch noch ins Kino zu bringen. Man sollte sich sehr gut überlegen, ob es wirklich ein Kinopublikum gibt für bestimmte Stoffe, ob das wirklich bildfüllend ist für die Leinwand oder ob es eher eine Geschichte fürs Fernsehen ist. Ich freue mich, dass ich abwechselnd mitmachen kann. Wenn ich eine große Sache mache wie "Marlene", sollte nicht gleich der nächste Kinofilm hinterherkommen. Sonst gibt es eine Übersättigung. Genauso muss man beim Fernsehen aufpassen, dass man nicht in jeder Woche in irgendeiner Serie drin ist. Man gibt ja einer Rolle auch immer etwas Privates, Persönliches und bestimmte emotionale Elemente. Man kann noch so variabel sein als Schauspielerin, wenn man jeden zweiten Tag in irgendeiner Rolle zu sehen ist, ist das ungünstig. Es ist schrecklich, dauernd in allen TV-Programmen zu sein. Da gibt es ja einen Overkill. Da versuche ich auch aufzupassen. Ich habe Fernsehen und Kino gemacht, nie Serien.
Prisma Gibt es Filme, die für sie besonders wichtig sind?
Flint Also, obwohl es nicht gut gelaufen ist, für mich war "Widows" ein schöner Film, eine sehr sehr schöne Arbeit. Das war eine wunderbare Rolle, eine Geschichte, die wirklich etwas aus dem Leben erzählt. Es gab herrliche Szenen mit Martin Benrath, auch mit Heino Ferch und mit den Frauen. Schade, das war falsch promoted. Solche Geschichten gefallen mir, mit denen ich mich auch identifizieren kann.
Prisma 'Marlene', der Film über die Legende steht an. Es hat lange gedauert, im Herbst geht's los?
Flint Ja, das fing an im Juni vor eineinhalb Jahren, jetzt im Herbst beginnen die Dreharbeiten. Ein solches Kinoprojekt ist ja ein langer Prozess, die Rechtssituation mit der Familie musste geklärt werden, dann ein Regisseur gefunden werden und schließlich musste man wissen: Wie erzählt man die Geschichte. Jetzt ist das Buch fertig und es geht in die Förderungen, und bis es durch durch ist...
Prisma Während der Arbeit an "Marlene" werden Sie wahrscheinlich keine anderen Sachen machen?
Flint Garantiert nicht! Aber ich mache ohnehin nie zwei Sachen gleichzeitig.
Mit Katja Flint sprach Heiko R. Blum, März 1999.