"Jeder hat ein Recht darauf, verarscht zu werden"
Seit Jahren legt Katrin Bauerfeind eindrucksvoll Zeugnis ihres Moderationstalents ab. So charismatisch, klug und humorvoll wie die 36-Jährige ist fast niemand im deutschen Fernsehen. Dennoch versteckt sie sich meist in der Late Night der Öffentlich-Rechtlichen. Das war schon zu Beginn ihrer Karriere so, als sie durch Harald Schmidt einem breiteren Publikum bekannt wurde. Doch der charmante Tausendsassa, der auch als Autorin, Schauspielerin ("You Are Wanted") und Podcasterin von sich reden macht, hätte Größeres verdient.
Immerhin erhält Bauerfeind nun dank der ARD die Gelegenheit mit ihrem zwölfteiligen Talkformat "Bauerfeind – Die Show zur Frau" (wöchentlich ab Mittwoch, 6. Februar, auf ONE und ab Samstag, 9. Februar, im MDR) näher in Richtung Prime Time vorzudringen. Darin darf sie gemeinsam mit ihren Gästen über aktuelle gesellschaftliche Themen diskutieren. So zum Beispiel über Fake News und Verschwörungstheorien – gemeinsam mit Oliver Pocher und Micky Beisenherz in der Auftaktfolge am Mittwoch, 6. Februar, 21.45 Uhr. Oder mit Michael Bully Herbig und Ingmar Stadelmann über Humor und politische Korrektheit am Mittwoch, 20. Februar, 21.55 Uhr. Stets versucht sie dabei Haltung mit Unterhaltung zu vereinen. Wie ihr das gelingt, verrät sie im Interview.
prisma: Mel Brooks, der legendäre US-Comedian und Regisseur, hat vor Kurzem in einem Radiointerview mit der BBC gesagt "political correct society is the death of comedy". Stimmen Sie ihm zu?
Katrin Bauerfeind: Wie könnte ich so einer Legende widersprechen? (lacht) Sagen wir mal so: Wenn gar keiner mehr über einen Gag lachen kann, ist es doch ein Zeichen, dass die ein oder andere Idee aus dem Ruder läuft.
prisma: Wie politisch korrekt oder inkorrekt muss man sein? Muss man sich eine persönliche Grenze setzen? Oder muss man die immer wieder neu definieren?
Bauerfeind: In der Sendung, in der Michael Bully Herbig und Ingmar Stadelmann zu Gast sind, konnten wir uns darauf einigen, dass jeder, auch jede Minderheit, ein Recht darauf hat, verarscht zu werden. Das finde ich sehr sympathisch. Man muss aber trotzdem die Grenzen ausloten, das ist ein ständiger Prozess. Ich glaube, dass alle, die wir mit Humor zu tun haben, ständig darauf achten, wo die Humor-Grenzen verlaufen. Als gemeinsamen Nenner könnte man festhalten, dass jeder Spaß haben sollte – auch auf Kosten anderer. Das ist eine wichtige Basis. (lacht)
prisma: Also muss man immer auch über sich selbst lachen können?
Bauerfeind: Absolut! Humor heißt vor allem auch über sich selbst lachen zu können. Wer immer nur über andere lacht und nie über sich selbst, der ist humortechnisch gesehen auf der völlig falschen Fährte. Es gehört einfach dazu, sich selber nicht zu ernst zu nehmen.
prisma: Vor Kurzem warf der Komiker Oliver Polak dem Moderator Jan Böhmermann vor, dass er in einem Sketch antisemitisch diffamiert wurde. Lief dort der Humor aus dem Ruder? Wie haben Sie die Situation empfunden?
Bauerfeind: Ich glaube in dem Fall war vielleicht auch der Promo-Gedanke im Spiel. Ich bin nicht dabei gewesen, aber grundsätzlich finde ich, wenn man an einer ausgewiesenen Comedyveranstaltung teilnimmt, dann muss man auch mit Witzen rechnen.
Die hohe Kunst der Moderation
prisma: Ist der heutige Humor vorsichtiger geworden?
Bauerfeind: Auf jeden Fall. Deswegen haben wir ja auch eine Sendung zum Thema Humor in politisch korrekten Zeiten gemacht. Es geht in der Show immer um Themen, die aktuell die Gesellschaft bewegen oder die Gemüter erhitzen und daher auch um die Frage "Worüber darf man überhaupt noch lachen?". In den USA werden ja heiße Kämpfe an den Universitäten geführt. Über historische Texte und die Frage, ob man sie verändern oder gar verbieten muss, weil sie in einer anderen Zeit geschrieben wurden und diskriminierende Formulierungen und Aussagen beinhalten, die man heute nicht mehr ertragen kann. Darüber sprechen wir auch in der Sendung. Ich glaube, dass dieses Klima, in dem alles und jeder auf dem Prüfstand steht, auf jeden Fall dafür gesorgt hat, dass sich der Humor verändert. Kann man noch Blondinenwitze machen oder ist das frauenfeindlich? Auch das greifen wir auf. Bully und Ingmar waren sich einig, dass Humor wichtig ist und gebraucht wird – gerade auch in schlechten Zeiten. Die Idee, dass Humor vor allem durch Angst oder Empörung verdrängt wird, ist keine gute Entwicklung.
prisma: Relativ am Anfang der Humor-Folge wagen Sie einen krassen Übergang: von Furzkissen und vibrierenden Plastikpenissen hin zu den islamistischen Anschlägen auf Charlie Hebdo. Wie schafft man so etwas als Moderatorin – von etwas Leichtfüßigem zu etwas Ernsten überzugehen?
Bauerfeind: Indem man es persönlich macht. Und indem man keine Angst davor hat. Mein Eindruck in Deutschland ist oft: Entweder ist man lustig oder ernst. Beides in Kombination ist wie ein veganes Mettbrötchen – ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ich finde es spannend zu sagen, du nimmst ein Thema ernst, und das heißt nicht, dass nicht gelacht werden kann. Wir reden über aktuelle Themen wie: Ist Essen unser neuer Gott? Immer mehr Leute sind nicht mehr katholisch, aber vegetarisch. Oder: Schlägt Geld Glück? Wollen wir lieber schön sein als schlau oder warum hat man den Eindruck, es gilt jetzt Botox statt Bildung? Wir diskutieren ernsthaft, aber unterhaltsam. Eine Differenzierung in Maischberger oder Klamauk ist überhaupt nicht mein Ziel. Es ist Maischberger mit Klamauk – das ist doch viel spannender!
prisma: Wurde schon mal das Angebot an Sie herangetragen, eine große Unterhaltungsshow zur Prime Time zu moderieren?
Bauerfeind: Vielleicht wäre ich eine heiße Kandidatin für "Wetten, dass ..?" gewesen, wenn der Kahn nicht schon vorher abgesoffen wäre. Momentan arbeite ich mich langsam nach vorne. Von aktuell 22.00 Uhr runter auf Viertel nach acht. In zwei Jahren bin ich dann hoffentlich da. Wenn es das bis dahin überhaupt noch gibt und nicht schon alle Netflix und Amazon streamen. Das kann natürlich auch passieren. Dann hab ich halt Pech. (lacht)
Wer ist schon David Letterman?
prisma: Wie aufgeregt ist man, wenn man ein neues Format moderieren darf? Oder stellt sich da irgendwann Routine ein?
Bauerfeind: Es ist faszinierend: Ich habe in den Einzelbestandteilen ja eigentlich alles schon mal gemacht. Ich bin mit meinem Solo-Programm unterwegs und unterhalte damit jeden Abend das Publikum mit Geschichten, ich habe einen Live-Podcast, bei dem ich Prominente interviewe. In "Bauerfeind – Die Show zur Frau" gibt es zum ersten Mal mehrere Gäste parallel, mit denen ich Interviews führen muss. Da frag ich mich vorher schon kurz, ob ich alle Bälle jongliert bekomme. Aber so ist es mit den neuen Dingen: Alles ist learning by doing, trial and error.
prisma: Wäre es denkbar, dass Sie in Zukunft auch mal mit einem Streaminganbieter für eine Show zusammenarbeiten würden?
Bauerfeind: Klar! Wenn ich mir den David Letterman anschaue, denke ich immer: Hä, der ältere Herr macht doch dasselbe wie ich! Was ich beispielsweise mit meinem Podcast "Frau Bauerfeind hat Fragen" mache, ist ja gar nicht so viel anders. Ich habe mir das wirklich selbstkritisch angeschaut und finde: Was die Fragen angeht, sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt, der Dave und ich! (lacht) Ich sag's mal so: Ich bin bereit!
Quelle: teleschau – der Mediendienst