"Jussi Adler-Olsen: Erbarmen"

Wie fertig kann ein Kommissar sein?

von Frank Rauscher

Eine skandinavische Thriller-Bestseller-Reihe wird fürs Kino verfilmt – das klingt nach einem alten Hut, aber "Erbarmen", nach Jussi Adler-Olsens erstem Carl-Mørck-Roman, ist absolut sehenswert.

ZDF
Jussi Adler-Olsen: Erbarmen
Thriller • 03.02.2019 • 22:00 Uhr

"Ach, die Schweden wieder", werden einige Unbedarfte nach beklemmenden 90 Minuten stöhnen. In der Tat erinnern die wortkargen, verschrobenen Protagonisten, die kalten, sepia-artigen Bilder und vor allem die menschlichen Abgründe, die hinter jeder Ecke lauern, an Wallander und Co. und besonders an die schwedische "Millennium"-Trilogie nach Stieg Larsson. Aber nichts da: "Erbarmen" war 2013 die erste von bisher drei Kino-Verfilmungen eines Bestsellers des dänischen Thriller-Meisters Jussi Adler-Olsen und zuvorderst eine dänische Produktion. Auch wenn der Film unter schwedischer Beteiligung entstand, zum kleinen Teil in Schweden spielt und mit Nikolaj Arcel tatsächlich jener Drehbuchautor seine Hände im Spiel hatte, der auch die Umsetzung des ersten Larsson-Romans "Verblendung" verantwortete, ist dieser Film pures Danysh Dynamite – fürs Nervenkostüm des Zuschauers.

Die packende Story erzählt vom Kopenhagener Kommissar Carl Mørck, der sich mit seinem "Sonderdezernat Q" um alte Fälle kümmert, um staubige Akten, die kein anderer Ermittler auch nur mit der Kneifzange anfassen würde. Das ZDF zeigt "Erbarmen" nun in einer Wiederholung.

Wie fertig kann ein Kommissar sein? Mørck, grandios aus dem Roman gehoben vom dänischen Schauspieler Nikolaj Lie Kaas, legt die Messlatte diesbezüglich in Höhen, die jeden Lonesome-"Tatort"-Ermittler zum Komiker degradieren. Mørck säuft, er hat Psychosen, Augenringe, fahle Haut, und er lacht nie. Weil er nichts zu lachen hat. Die Ehe ist gescheitert, der Sohn ist reichlich missraten, und seit sein bester Freund bei einem gemeinsamen Einsatz ins Koma geschossen wurde, ist der ohnehin sehr eigenwillige Kommissar vollends zur gescheiterten Existenz mutiert: ein übellauniger Zeitgenosse, den nur noch ein unzerstörbarer Gerechtigkeitssinn und eisernes kriminalistisches Gespür am Leben erhalten. Sein Chef schiebt ihn aufs Abstellgleis. Im fensterlosen Kellerbüro soll Mørck nun "kalte" Fälle sortieren.

Aber kalte Fälle interessieren Mørck und seinen neuen Kollegen Assad (Fares Fares) nur dann, wenn sie auch ermitteln dürfen. Und gleich bei einer der ersten Akten, die sie in die Hand nehmen, stolpern die beiden über Ungereimtheiten, die sie zum Leidwesen ihrer Vorgesetzten einhaken lassen. Es ist der Fall der jungen Politikerin Merete Lynggaard (Sonja Richter), die einst als hoffnungsvolle Aufsteigerin gefeiert wurde – bis sie eines Tages bei einer Fahrt auf einer Passagierfähre spurlos verschwand. Obwohl sie ihren geliebten geistig behinderten Bruder an Bord zurückließ, ging die Polizei damals von Selbstmord aus. Mørck sieht die Sache anders. Und natürlich wird bei seinen Ermittlungen Schritt für Schritt offenbar, dass er mit seinem Gespür richtig liegt.

Die Aufgabe für die dänischen Filmemacher war alles andere als leicht: Sie mussten einen komplexen (in der Taschenbuch-Ausgabe 419 Seiten starken) Roman auf eineinhalb Filmstunden verdichten und gleichzeitig das Fundament für eine ganze mögliche Reihe gießen. Bisher wurden auch die Jussi Adler-Olsen-Bestseller "Schändung" (2014) und "Erlösung" (2016) verfilmt. Der Autor hat bereits zehn Fälle für Carl Mørck geschrieben, das jüngste Buch, "Selfies", kam 2017 auf den Markt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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