05.09.2017 Sina Trinkwalder im Interview

"Langeweile und Faulheit müssen wieder gelernt werden"

Unternehmerin auf dem Weg zum Glück: Sina Trinkwalder hat aus ihren Niederlagen gelernt und weiß heute, was gut für sie ist.
Unternehmerin auf dem Weg zum Glück: Sina Trinkwalder hat aus ihren Niederlagen gelernt und weiß heute, was gut für sie ist. Fotoquelle: Markus Lechner

Unternehmerin Sina Trinkwalder hat ein Buch über ihren Weg zum Glück geschrieben. Ein Buch, das allerdings kein Ratgeber sein will, sondern "ein Reiseführer zu sich selbst".

Eigentlich hatte Sina Trinkwalder alles, was man sich wünschen kann. Nach Jahren in der Werbung hatte sie 2010 ihre Firma manomama gegründet und produzierte Ökomode, wurde mehrfach ausgezeichnet und galt als Vorbild. Doch privat lief einiges schief, in ihrem Körper fühlte sich die Unternehmerin nicht wohl, sie war gestresst und unglücklich. Heute sieht das anders aus. Über ihren Weg zu einem anderen Ich hat sie nun ein Buch geschrieben: "Im nächsten Leben ist es zu spät. Ärmel hochkrempeln, Probleme lösen, glücklich sein." Wir haben sie getroffen und mit ihr über den Selbstoptimierungswahn, die Lügen der Wirtschaft und die Frage gesprochen, warum Eigenlob gar nicht stinkt.

In Ihrem Buch geht es um Unzufriedenheit und den Weg zum Glück. Ein Thema, mit dem sich Bibliotheken füllen lassen. Warum noch ein Buch dazu?

Weil es genau so eines nicht ist. Denn die Idee für meine Bücher habe meistens nicht ich, die entstehen. In diesem Fall habe ich Tausende von E-Mails bekommen, in denen mich Menschen gefragt haben, wie sie all die Dinge schaffen sollen, allen voran das Abnehmen. Und irgendwann habe ich gemerkt: "Scheinbar läuft bei dir was anders." Und ich habe mich gefragt, warum. Vielleicht habe ich das alles auch ein bisschen für mich selbst aufgeschrieben, um zu merken: Das ist was ganz anderes als die Millionen Bücher, die schon in den Bibliotheken stehen ...

... die Sie früher sogar selbst gekauft, aber nie gelesen haben, wie Sie schreiben.

Ja, natürlich, denn das ist Bullshit!

Sie müssten also davor gefeit sein, einen Ratgeber zu schreiben.

Ich bin davor gefeit, Ratgeber zu schreiben, ich bin davor gefeit, billige Vorträge zu halten, und ich bin völlig abgeschreckt von allem, das die Realität ausblendet. Aber das ist leider eine wahnsinnig geile Geldmaschine. Wenn ich an diese Business-Coaches denke, wird mir schlecht! Da lassen Gründer und Geschäftsleute, die in der Zwickmühle sind, Unsummen für Binsenweisheiten und sind danach genauso schlau, haben aber ein Zertifikat in der Tasche.

Fragwürdig sind ja nicht nur die Inhalte, sondern auch die Ziele.

Absolut. Man muss sich doch fragen, ob man das überhaupt so möchte, wie es propagiert wird. Wir bei manomama haben beispielsweise beschlossen, ein Post-Wachstums-Unternehmen zu werden. Wir hatten Anfang des Jahres noch 150 Mitarbeiter, jetzt sind es noch 135, und mein Ziel ist es, bis 2020 auf 70 Mitarbeiter zu kommen. Das können Sie keinem Unternehmer erzählen! Bei denen steht doch immer nur: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Bullshit! Jedes Unternehmen muss für sich die passende Größe finden, die den Unternehmern und den Mitarbeitern Spaß macht. Und auch da sind immer wieder Leute auf mich zugekommen und haben mich um Rat gefragt. Und irgendwann habe ich dann gedacht: Jetzt reicht's mir, jetzt schreib ich das auf.

Das Buch ist also nicht aus dem Narzissmus entstanden, dass Sie geglaubt haben, die Menschen müssten unbedingt Ihre Geschichte lesen?

Nein, um Gottes Willen! Ich erzähle ja nicht nur meine Geschichte, ich versuche, die Menschen zu inspirieren, ihren eigenen Weg zu finden und sie zum Denken anzuregen. Ich bin ja ein Mensch, der immer erst mal macht. Ein Unternehmen gründen, abnehmen, 100 Kilometer laufen. Nachdem ich das beispielsweise gemacht hatte, haben mich Menschen gefragt, nach welchem Plan ich trainiert hätte, und ich dachte: "Wie? Da gibt es Trainingspläne?" Ich bin halt losgelaufen.

Obwohl das Buch kein Ratgeber ist, behandelt es klassische Ratgeberthemen: Unglücklichsein, Abnehmen, Erfolg ...

Mein Ziel ist, dass dies das letzte Buch ist, das Ratgeberbuch-Leser lesen und sie nach der Lektüre merken, dass sie selbst ihr bester Ratgeber sind. Ich glaube, es ist ein Reiseführer zu sich selbst.

Ich würde Sie als lebendige, im positivsten Sinne gesprächige Frau beschreiben. Und doch sagen Sie, dass ihr Unglück damit zu tun gehabt habe, dass Sie darüber mit niemandem haben reden können. Wie kann das sein?

Weil ich niemanden hatte. Mich hat es, warum auch immer, im Leben immer nach oben gespült. Aber je weiter du nach oben kommst, desto weniger darfst du du selbst sein. Bloß: Nur, wenn du du selbst bist, kannst du über dich und deine Probleme reden. Und das Spannende ist: In dem Moment bist du in der gleichen Situation wie jemand, der gesellschaftlich ganz unten ist. Der hat auch niemanden zum Reden.

Glauben Sie also, auch Menschen, die ganz unten sind, kann dieses Buch helfen?

Auf jeden Fall, denn es geht dabei nicht um das Umfeld, sondern den Menschen. Und wenn man weiß, wer man ist und was man will, kann man wirklich alles versuchen. Man kann nicht alles erreichen, das ist utopisch, aber man kann alles versuchen.

Und glauben Sie, Ihr Buch wird auch diese Menschen erreichen? Oder haben Sie manchmal Angst, es lesen nur die, die es eigentlich gar nicht brauchen?

Nein, das glaube ich nicht. Das ist wie mit all meinen Büchern und Projekten: Die bekommen sehr viel Aufmerksamkeit durch alle Schichten. Jedem Menschen geht es mal schlecht, jeder hat eine Unzufriedenheit, mit der er umgehen muss. Wir werden leider konditioniert, Kontrolle abzugeben, und das, was wir noch an Selbstständigkeit haben, geben wir freiwillig aus der Hand. Wir stellen uns Alexa in die Wohnung, wir haben unsere Fitness-Armbänder und tracken alles und geben Daten in großen Stil in fremde Hände. Und wir geben sogar noch unser letztes Quäntchen Freiheit ab. Das beste Beispiel: Ernährungsboxen. Ich habe die Freiheit, jeden Tag essen zu gehen oder in den Supermarkt und einzukaufen. Aber nein: Ich mache es mir noch einfacher und lasse mir so eine Happy Box liefern, die mir sieben Tage lang vorschreibt, was ich zu fressen habe. Wir lassen uns komplett kontrollieren! Ich kann also gar nicht mehr ich selbst sein, weil alle anderen mir erzählen, was gut für mich ist – oder eben nicht.

Darüber schreiben Sie ja auch, beispielsweise über die Achtsamkeits-Bewegung, die für Sie nichts anderes ist als "ein weiteres Heile-Heile-Segen-Pflaster unserer schnelllebigen, hochleistungsorientierten Zeit", Selbstoptimierung führe nur zu mehr Stress, obwohl man dem damit gerade entkommen will. Wie durchbricht man diesen Teufelskreis?

Es gibt ja verschiedene Formen der Achtsamkeit. Die erste ist das, was wir früher Benehmen nannten. Andere Leute ausreden lassen, Rücksicht nehmen, das hat für mich nichts mit Achtsamkeit zu tun, sondern mit sozialem Miteinander. Das scheint uns schon so abhandengekommen zu sein, dass wir einen neuen Marketing-Begriff dafür brauchen. Absolut beschämend. Die andere Achtsamkeit aber dreht sich um mich. Ich achte mich stärker ... Gähn, gähn, gähn. Ich erziehe mich zu einem echten Waschlappen und versuche so, mit dem Stress, der mir auferlegt wird, besser umzugehen. Ich aber will ja weniger Stress! Also muss ich woanders anfangen. Ich darf nicht sagen: "Ich habe den ganzen Tag Stress, also mache ich abends drei Atemübungen, morgens mein Yoga, dann krieg ich das in den Griff."

Sondern?

Es geht darum, wie ich den Tag entzurren kann, um die Frage, ob der Tag, der jeden Tag auf mich wartet, der richtige für mich ist. Deswegen muss ich bei mir anfangen. Meine Eltern beispielsweise haben mir immer gesagt, wie kreativ ich sei und haben mir das förmlich aufgedrückt. Und ich habe es geglaubt. Dadurch hatte ich einen wahnsinnig stressigen Arbeitsalltag als Kreativer. Ich bin aber gar nicht kreativ! Ich bin Optimierer. Ich sehe Scheiße und verwandele sie in Humus. Und seitdem ich weiß, was meine Stärken sind, habe ich weniger Stress!

Auch Ihnen als Unternehmerin passiert das doch sicher bis heute, das Leute Ihnen Eigenschaften zuschreiben oder Sie mit Erwartungen überhäufen. Wie gehen Sie damit um?

Wenn ich weiß, was meine Stärken sind, was ich kann und was nicht, lerne ich auch Nein zu sagen. Das wird auf einmal viel einfacher.

Stärken zu fördern, versuchen Sie ja auch in Ihrem Unternehmen. Da bekommt jeder Mitarbeiter den Platz, der zu ihm passt. Glauben Sie, das ließe sich auch auf die Wirtschaft übertragen – auf Unternehmen mit mehreren Zehntausend Mitarbeitern?

Ich glaube das nicht nur, ich weiß es. Große Unternehmen bestehen auch nur aus kleineren Abteilungen. Aber ich würde schon in der Schule anfangen. Schülern werden nur die Dinge abverlangt, die der Lehrplan fordert. Da geht es nicht um Fertigkeiten, nicht um Fähigkeiten, nicht um Stärken und Schwächen. Da geht es nur darum, den Lehrplan in das Hirn dieses kleinen Kindes zu fräsen. Ich würde deshalb jedem Menschen nach der Schule ein biografisches Jahr ermöglichen, in dem er ein Jahr lang da arbeiten soll, wo er sich sieht. Denn hätten wir Menschen in Berufen, die darin ihre Stärken haben und die sie mit Freude ausüben, hätten wir eine völlig andere Wirtschaft.

Und dann? Suchen sich alle nur noch die Sonnenschein-Berufe aus?

Nein, das ist völliger Quatsch. Es gibt die Gauß'sche Normalverteilung, nicht jeder Mensch hat die selben Stärken.

Nun schaffen Sie es tatsächlich, Dinge zu verändern, auch das allerdings natürlich nur langsam. Wie oft verlieren Sie da eigentlich mal die Geduld, dass sich auch im Großen etwas tut?

Gar nicht.

Geht Ihnen nie die Motivation verloren?

Nein. Das letzte Mal, als ich wirklich gedacht habe: "Leckt mich alle, wer kommt denn auf so eine Scheißidee?", war bei Kilometer 84 dieses Ultra-Laufs. Und ich bin trotzdem zu Ende gelaufen. Denn wenn du von vornherein weißt, warum du etwas tust, bist du auch motiviert. Mein bester Freund beispielsweise ist mir zuliebe mitgelaufen – und er hat abgebrochen. Wenn ich aber weiß, ich tue das für mich oder für etwas, das mir wichtig ist, motiviert mich das.

Sie plädieren auch dafür, sich selbst zu loben, etwas, das nicht gerade beliebt ist in unserer Gesellschaft. Eigenlob stinkt.

Es müsste "Eigenlob stimmt" heißen! Das ist wichtig, denn es macht doch sonst niemand. Wie oft bekommt man heute noch ein Lob? Wenn man also der Meinung ist, dass das, was man macht, überdurchschnittlich gut ist, sollte man sich loben! Das tut gut. Und ich würde mich dafür niemals schämen. Das trägt einen, damit trägt man sich selbst.

Sie schreiben in Ihrem Buch von diesen Sonnenkindern, denen alles gelingt, "vom frühen Morgen bis in den späten Abend mit einer außerordentlich guten Laune". Und Sie schreiben: "Sie sind eklig." Nun scheinen Sie inzwischen selbst so ein Sonnenkind zu sein. Wie aber schafft man es, dabei nicht eklig zu werden?

Puh, ich weiß es nicht. Die gute Laune ist die eine Sache, aber ich würde mich zum Beispiel nie über andere stellen. Ich bin uneitel – und ich nehme mich selbst nicht immer ernst. Und: Bei mir zumindest ist es so, dass ich auch genügend Haken und Fehler habe.

Die Sie in Ihrem Buch durchaus erwähnen. Haben Sie es auch geschrieben, um all die positiven Bilder, die es von Ihnen gibt, zu relativieren?

Was mir schon oft begegnet, sind Aussagen wie "Dir gelingt ja alles" oder "Du bist unter dem Kronleuchter geboren". Ein Teil ist deshalb mit Sicherheit zu zeigen, dass auch bei mir nicht alles perfekt ist. Aber: Ich lasse mir deswegen mein Leben nicht versauen. Mir ist mein Mann weggerannt, mein Lebenswerk stand zweimal kurz vor dem Aus, ich war fett, was bitte ist daran so herausragend? Insofern geht es auch darum, dass jeder Menschen sein Päckchen zu tragen hat. Die einzige Frage ist: wie?

Sie schreiben ja auch, das man aus dem Gewinnen nichts lernt, sondern nur aus Niederlagen ...

Das stimmt, aber wir leben nun mal in einer Leistungsgesellschaft, wo die wahren Helden die Siegertypen sind. Durch dieses Siegen, das ja immer mit so vielen Ausrufezeichen versehen ist – "Ich bin so geil!", "Ich hab's geschafft!", "Ich, ich, ich!" – nimmst du allem um dich herum den Raum zum Atmen. Die Luft da oben wird deshalb so dünn, weil daneben niemand mehr existieren kann. Aber aus Niederlagen habe ich immer gelernt, weil eine Niederlage ein Fragezeichen ist. Was hätte ich besser machen können? Warum ist es schiefgegangen? Nach einem Sieg geht man abends einen saufen, feiert sich, um am nächsten Tag zum nächsten Sieg zu hetzen. Bei Niederlagen beginnt man zu reflektieren. Und die Fragen, die man sich da stellt, haben mich am Ende erfolgreich gemacht.

Das passt dazu, dass Sie gewisse Maximen ablehnen, zum Beispiel die, jeder könne im Leben alles erreichen und positives Denken verhelfe zum Glück. Kurz zusammengefasst: Könnte man sagen, Sie plädieren für mehr Realismus?

Ja, ich bin ein optimistischer Realist und kein blinder Positive-Thinking-Typ.

Sich selbst einzugestehen, nicht alles zu können, da gehört eine Menge Selbstreflexion dazu. Jemand mit einer Mehlstauballergie wird kaum Bäcker werden können ...

Richtig, aber das ist doch genau das, was uns abhandengekommen ist. Wir reden doch lieber über andere als dass wir uns selbst mal zum Thema machen. Im Positiven, Stichwort Eigenlob. Aber auch im Negativen, in dem wir uns mit uns selbst an einem stillen Ort auseinandersetzen.

Auch bei Ihnen war das ja nicht immer so. Sie beschreiben beispielsweise eindrücklich, wie Sie irgendwann Ihr Körpergefühl verloren haben, für Hunger, Durst, Ernährung, Bewegung – was vielen Menschen so geht. Was glauben Sie, warum das so ist?

Weil sie auf alle anderen hören. Und weil sie so konditioniert wurden, das auch anzunehmen. Und es ist ja auch unheimlich bequem, wenn mir jemand vom neuesten Ernährungs-Hype erzählt, den anzunehmen. In mich selbst reinzuhorchen, ob ich Hunger habe – und worauf – ist viel anstrengender. Und dasselbe passiert im Beruf. Ich war früher ein richtig lautes, trampeliges, wahnsinnig erfolgreiches Karriere-Weibchen mit dicken Eiern. Verglichen mit heute liegen da Welten dazwischen. Wir kümmern uns um alles, nur nicht um uns selbst. Denn sich um sich selbst zu kümmern, ist verdammt unbequem. Könnte ja passieren, dass da eine Person rauskommt, die einem gar nicht gefällt. Als ich vor vier Jahren auf diesen Weg zu mir selbst gegangen bin, da kam irgendwie was ganz anderes raus als ich eigentlich wollte. Damit musst du erst mal klarkommen.

Und wenn Sie sich heute anschauen? Wie leicht fällt es, sich zu sagen, dass Sie so richtig sind, wie sie sind?

Die Antwort auf diese Frage muss immer ein Ja sein. Du musst zufrieden sein mit dir und dem, was du hast und musst an deinen Fehlern und Macken arbeiten. Ich arbeite momentan vehement daran, mein Gegenüber ausreden zu lassen. Früher hat mir das nichts ausgemacht, da war ich der Chef, aber heute finde ich das respektlos. Insofern bin ich mit dem, wie ich mein Leben führe, sehr zufrieden. Es ist anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber letzten Endes habe ich erkannt, dass das gar nicht meine Vorstellung war, sondern so ein Sammelsurium aus IHK-Blättchen, Frauenzeitschrift, "Theologie heute" und einem Stück Flow-Magazin – und daraus zimmerst du dir dann deinen Traum. Du blätterst ein bisschen im IKEA-Magazin und sagst: So will ich leben. Was ja Quatsch ist! Das kann nie auf einen passen, man muss sein eigenes Leben leben.

Da würde ich gerne noch mal auf den Anfang unseres Gesprächs kommen. Ist diese Form, sein Leben zu ändern, nicht auch etwas, das man sich leisten können muss?

Ja, aber das kann sich jeder leisten. Das kann man auch am Küchentisch tun. Oder auf dem Fahrrad.

Das stelle ich mir schwierig vor, wenn man ziemlich weit unten ist und der Großteil des Lebens daraus besteht, überhaupt über die Runden zu kommen.

Aber genau das muss man lernen. Es gibt ja auch andere, die das nicht können. Ich beispielsweise habe das immer zugeballert mit Arbeit. Es reicht doch schon, sich mit einem Buch hinzusetzen und konzentriert zu lesen. Und zwar aus Papier. Mach etwas, das dir guttun könnte. Dazu muss man sich zwingen. Müßiggang, Langeweile und Faulheit müssen wieder gelernt werden. Wir fühlen uns ja gleich schlecht, wenn wir mal nichts tun.

In einem Interview für die RTL-Sendung "Made in Germany" haben Sie vor einigen Jahren gesagt, Luxus sei für Sie Frühstück mit der Familie in einem Café. Wie würden Sie auf die Frage heute antworten?

Ganz anders. Luxus ist für mich heute, barfuß am Flussufer zu laufen, bis die Sonne untergeht.

Abstrakter ausgedrückt also: freie Zeit?

Mich spüren und die Umwelt spüren. Ins Café gehen ist gar nicht mehr wichtig. Das ist schön, das machen wir auch ab und zu, aber es tut auch die Tasse zu Hause – oder gar kein Kaffee.

Was früher bei Ihnen auch nicht denkbar gewesen wäre ...

Völlig undenkbar, ich wäre die Wände hochgegangen! Aber heute lebe ich nach dem Motto: Es hat alles seinen Grund, auch wenn er sich einem nicht immer gleich erschließt. Und deshalb rege ich mich auch über überhaupt nichts mehr auf. Denn es hat alles seinen Grund.

Interview: Florian Blaschke