Finanzskandal

"Wie ein Krimi": Die neue ZDF-Serie „Die Affäre Cum-Ex mit Lisa Wagner

15.04.2025, 09.32 Uhr
von Sarah Hegemann
Lisa Wagner spielt in der ZDF-Serie „Die Affäre Cum-Ex“ eine Staatsanwältin, die einen Finanz-Skandal in Deutschland aufklären will.
Lisa Wagner als Staatsanwältin Lena Birkwal
Lisa Wagner als Staatsanwältin Lena Birkwal  Fotoquelle: ZDF/Jens Koch

Lisa Wagner spielt in der ZDF-Serie „Die Affäre Cum-Ex“ eine Staatsanwältin, die einen Finanz-Skandal in Deutschland aufklären will.

Wie viel wussten Sie vor der Serie über die Cum-Ex-Affäre?

Nicht sonderlich viel. Also klar, ich hatte das mal irgendwann gehört. Auch, dass das etwas mit Olaf Scholz zu tun hatte. Aber ich war da überhaupt nicht im Thema. Ich bin generell ein Mensch, der sich nicht groß mit Geld beschäftigt und sich nicht unbedingt mit Finanzthemen auskennt. Deshalb musste ich mich da reinarbeiten.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe gegoogelt und mir alles zu Cum-Ex reingefahren. Ich musste auch erst einmal gucken, wer wofür zuständig ist im deutschen Rechtssystem – oberster Gerichtshof, Staatsanwaltschaft… Was heißt das eigentlich, Staatsanwalt zu sein? Was hat man da für ein Studium hinter sich? „Handelsblatt“ und auch „Handelsblatt Crime“ haben mir weiterhin sehr geholfen, weil die schon seit Jahren über Cum-Ex berichten. Gerade bei den Artikeln war das nicht ganz ohne für mich, denn vieles liest sich für den Laien wie eine Fremdsprache.

War das spannend oder eher Pflichtlektüre?

Nein, gar nicht. Das ist nämlich genau der Punkt: Wenn man sich da reinarbeitet, dann wird es wie so ein Krimi. Ich habe das gar nicht aus Pflichtgefühl gemacht – also hätte ich auch –, aber ich finde es wirklich hoch spannend und lese nach wie vor alles zu dem Fall. Wenn man sich ein wenig eingelesen hat, kann man sich dem Ganzen nicht mehr entziehen und hängt mit drin und ist angefixt.

Können Sie kurz Cum-Ex umreißen für alle, die nicht so im Thema sind?

Also ganz vereinfacht sage ich immer, dass es in erster Linie um Banken und später auch Privatanleger geht, die einmal Steuern einzahlen, aber sich zweimal durch Lücken im System Steuern auszahlen lassen. Das bedeutet, sie haben Aktien im Kreis gehandelt – ab da wird es kompliziert. Durch das Handeln im Kreis wurde verschleiert, dass man nur einmal bezahlt, aber zweimal kassiert hat. Und bei diesen Kreisverkäufen wird mit sehr hohen Summen gehandelt. Das Spannende daran ist, das man aber immer wieder vergisst: Wenn diese Kohle, die sich Bank- und Privatleute unter den Nagel gerissen haben, uns zur Verfügung stünde, dann hätten wir jetzt massiv weniger Probleme. Das ist Geld, das jedem von uns geklaut wurde. Das war mir nicht so bewusst. Auf jeden einzelnen Bürger in Deutschland gerechnet, sind das gut 250 bis 300 Euro, die jedem von uns fehlen.

Die Serie nähert sich der Cum-Ex-Affäre fiktional an. Macht das das Spielen einfacher?

Ich glaube, es macht ein bisschen mehr Spaß, weil es „larger than life“ wird, wenn man das so sagen kann. Man hat totale Freiheit. Außerdem wäre es sonst ein rechtliches Problem, da nicht genau bekannt ist, wie was gelaufen ist und wer was gesagt hat. Das wäre alles Spekulation. Es macht auch Spaß, Situationen anders auszukosten, als sie eigentlich passiert sind. Für das Publikum muss so etwas noch einmal anders aufbereitet werden.

Inwiefern schafft die Serie es, die Zuschauer da hereinzuziehen?

Ein guter Kniff ist es meiner Meinung nach, dass man die Hauptfigur zunächst sympathisch findet und ihre Grundmotivation versteht. Der Zuschauer ist mit der Sympathie beim Täter, doch das kippt dann irgendwann. Ich spreche da in erster Linie für den deutschen Teil der Serie, weil der dänische Teil sowieso aus einer viel emotionaleren Perspektive erzählt wird.

War das für Sie auch ein Grund, bei dem Projekt mitzumachen?

Der Hauptgrund war natürlich das Thema. Es ist für mein Empfinden demokratieschädlich, was da passiert. Man verliert doch den Glauben an die Demokratie, wenn ich wegen einer Quittung in Höhe von zehn Euro Probleme mit dem Finanzamt bekomme und andere mit Millionen-Beträgen davonkommen. Das ist doch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, das muss man in den Griff kriegen. Das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass die Figuren, die Jan Schomburg (Creator und Drehbuchautor, Anmerkung der Redaktion) da kreiert, total komplex sind. Gerade meine Figur trägt ein Geheimnis mit sich herum. Man fragt sich, wo ihre Motivation eigentlich liegt. Ich mag das gern, dass man nicht genau weiß, wieso sie so ganz anders tickt als die Gegenseite.

Sie haben Ihre Figur Lena Birkwald mal als „Heldin des Alltags bezeichnet“. Wieso?

Weil sie 24/7 gefühlt an der Aufklärung dieser Affäre arbeitet. Sie verdient zwar kein schlechtes Geld als Staatsanwältin, aber ganz bestimmt nur einen Bruchteil von dem, was sich die anderen in die Tasche gesteckt haben. Und Lena lässt sich nicht einfach abspeisen und bleibt total dran an dem Fall. Sie hat einen ganz klaren Moral-Kompass. Wenn man solche Leute sieht, die sich keinen Vorteil von etwas verschaffen und einfach ihren Job machen, dann erneuert das meinen Glauben ans System. Das ist für mich eine Heldin des Alltags.

Lena Birkwald fordert in der Serie eine glaubwürdige Politik, die die Bürger vor den Machenschaften der Mächtigen schützt. Fehlt uns das?

Ich glaube, es wird immer schwieriger. Das Problem ist, dass alles komplexer wird. Es gibt nur noch ganz wenige Fragen, die sich mit Ja und Nein beantworten lassen. Durch die Globalisierung und das Internet werden die Systeme komplexer. Alles explodiert quasi. Wir müssen mit der Zeit austarieren, wo die Probleme liegen. Wie oft gab es beispielsweise schon die Forderung nach einer Regulierung des Finanzmarktes? Es passiert nichts, weil die Banken sehr große Macht haben. Es müsste wahrscheinlich mehr Zusammenschlüsse geben, die dafür sorgen, dass mehr Bumms hinter die Kanone kommt und man wirklich etwas erreicht. Es passiert eher eine Zersplitterung der Gesellschaft, alles wird immer individueller. Selbst die EU hat im Moment massive Probleme, sich zu vereinigen und eine gemeinsame Stoßrichtung zu finden. Klar, man steckt da nicht drin. Man weiß nicht, was hinter verschlossenen Türen passiert. Deshalb werde ich auch nicht sagen, der und der machen einen schlechten Job. Ich bin da total demütig. Die Gemengelage ist sowieso in den seltensten Fällen einfach.

Das Thema der Serie ist auch sehr komplex. Sollte man sich das anschauen, selbst wenn man nicht im Thema ist?

Ich kann mir vorstellen, dass sich da ganz viele Leute – so wäre es mir ja auch gegangen – nicht mit dem Thema auskennen und daher zunächst ein wenig abgeschreckt sind. Es schwingt so eine leichte Angst mit, dass man das nicht checkt. Aber gerade für die jüngeren wäre es total wichtig, sich das anzugucken, weil es letztendlich genau die Milliarden sind, die in Zukunft fehlen werden. Wir müssen mit den Schulden leben, die jetzt noch einmal neu aufgenommen werden. Der Generationenvertrag wird da unfassbar gestretcht. Auf dem Rücken derer, die nachkommen.

Also sollte man sich einfach da rantrauen.

Es macht ja Spaß. Ich hätte das auch nicht vorher geglaubt, dass ich das so Feuer fangen würde. Es ist sogar sehr lustig, in seiner ganzen Absurdität.

„Die Affäre Cum-Ex“: Sonntag, 13. April, und Montag, 14. April, jeweils ab 22.15 Uhr im ZDF

Alle Folgen sind bereits in der Mediathek verfügbar.

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