16.06.2015 Ausstellung

Freundschaft, was heißt das?

Freunde fürs Leben: Friedrich Engels (r.) und Karl Marx in Stein vereint.
Freunde fürs Leben: Friedrich Engels (r.) und Karl Marx in Stein vereint. Fotoquelle: Nikita Maykov/shutterstock.com

Facebook und viele neue Freunde: In Dresden kommt ein großes Wort auf den Prüfstand der Zeit.

Freundschaft bietet Unterkunft. Komme ich nach Zürich, Dublin oder Hannover, meine Freunde werden mit Freuden auftischen und einen guten Wein entkorken. Freundschaft bietet Kontinuität. Auch wenn wir uns Jahre nicht gesehen haben, lässt sich an alte Fäden anknüpfen und Wärme neu entfachen. Veränderungen, die es in der Zwischenzeit gegeben haben mag, betten sich wie von selbst in das Fundament vergangener Zeiten ...

Und wenn nicht? Ist alles aus? Eher selten. Wahre Freundschaft vergeht nicht. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden widmet sich mit einer großen Ausstellung diesem Thema.

Seltsam, wie einsam das Wort wirken kann: Freundschaft – ohne alles, ohne Facebook, ohne Armbänder, ohne Tattoo. Man möchte meinen, Freundschaft benötigt heute, um als solche gelten zu dürfen, eine nach außen gekehrte Bestätigung ihrer Existenz. Freundschaft will gezeigt, hinausgeschrien oder, wie im Falle von Facebook, gezählt werden können. Freundschaft als Kunsthonig.

Wenn man sich aufraffen muss ...

Im Katalog zur Ausstellung schreibt der Soziologe Heinz Bude einen dummen Satz: "Freundschaft ist das, was bleibt, wenn die Liebe nicht gelingt."

Freundschaft gelingt mit und ohne Liebe. Da gibt es keine Regel, die sich einer plakativen Bemerkung fügen würde. Oft wird eine neue Liebe in alten Freundschaften mit eingebracht; und umgekehrt. Ob das Gespräch unter Freundinnen so viel unbeschwerter abläuft als unter Liebenden, hängt davon ab, wie stark die Vertrauensbasis ist, auf der die Liebe gründet.

Viele Menschen sehnen sich nach Freunden. Das hat damit zu tun, dass selbst Familien zur Vereinzelung neigen. Die Möglichkeiten für das Wachsen von Vertrautheit schwinden. In den Schulen sind die Klassenverbände fließend geworden. Was zusammenschmieden könnte, gemeinsames Erleben über Jahre hinweg, ist individueller Notenjagd gewichen. Der Trend zu beruflicher Flexibilität gewährt wenig Halt und lässt umso mehr nach Freundschaft suchen.

Ein Kontrapunkt gegen Berufspendlertum

Die Werbung hat das früher erkannt als die Soziologie. Die Biermarke Holsten warb ab 1997 erfolgreich mit dem Spot "Freunde fürs Leben". Ein Kontrapunkt gegen Berufspendlertum, Uni-Stress und Fernbeziehungen.

Was die Dresdner Ausstellung so gut wie nicht thematisiert: Freundschaft stört! In unserer Berufswelt der totalen Inanspruchnahme und festgezurrten Betriebsabläufe passiert es, dass man sich zur Freundschaft aufraffen muss. Es kann wehtun zu sagen: Ich lasse alles stehen und liegen, mein Freund braucht mich jetzt!

Aber das ist Freundschaft.