Ist es erlaubt, Menschen zu töten, wenn man dadurch viele andere retten kann? Diese perfide Frage stellte Ferdinand von Schirach in seinem klugen Theaterstück "Terror". Das Erste machte 2016 daraus ein kongeniales Stück Fernsehen – das nun wiederholt wird.
Leider ist die Frage, die Ferdinand von Schirach in seinem klugen Theaterstück "Terror" samt Publikumsentscheid 2015 stellte, auch knapp zehn Jahre später noch ebenso relevant: Was sind wir bereit, der Terrorabwehr zu opfern? Unsere Lebensart – und auch Menschen? 2016 machte das Erste einen beeindruckenden Film aus dem Theaterstück, der nun wiederholt wird. Die Frage konkerete Frage lautet: Darf man 164 Menschen töten, um 70.000 zu retten? In "Terror" schießt ein Kampfpilot der Bundeswehr (Florian David Fitz) gegen den Befehl seiner Vorgesetzten eine Lufthansa-Maschine ab. Von Terroristen wurde sie auf die vollbesetzte Fußball-Arena in München gelenkt. Mit weiteren Stars wie Martina Gedeck und Lars Eidinger adaptierte Regisseur Lars Kraume ("Der Staat gegen Fritz Bauer") das ebenso komplexe wie emotionale Gedankenspiel fürs Fernsehen.
Kammerspiele können etwas Sprödes an sich haben, wenn sie nicht ausgezeichnet geschrieben und inszeniert sind. Bei Vorlagen Ferdinand von Schirachs muss man sich da in der Regel wenig Sorgen machen. Wie kaum ein anderer versteht es der Strafverteidiger und Bestseller-Autor ("Schuld"), verblüffende menschliche Dramen in klarer Sprache auf den Punkt zu bringen. Dabei vermittelt er dem Leser, dass das Recht und menschliche Entscheidungen meist komplexer miteinander agieren, als es sich der gesunde Menschenverstand denkt.
Im Theaterwerk "Terror", das am 3. Oktober 2015 mit einer Doppelpremiere in Berlin und Frankfurt auf die Bühne kam, führte der Autor einen untadeligen Offizier der Bundeswehr als Angeklagten in den Gerichtssaal. Im Film wird dieser Lars Koch – intelligent, verantwortungsbewusst, Familienvater – von Sympathieträger Florian David Fitz gespielt. Auch die übrigen Rollen sind mit herausragenden Schauspielern besetzt: Martina Gedeck als Staatsanwältin, Lars Eidinger als Verteidiger, Burghart Klaußner verkörpert den Richter.
Im Verlauf des Films, der sich dicht an den auch in Buchform erschienen Originaltext hält, treten Zeugen auf (Jördis Triebel, Rainer Bock), die Anwälte halten ihre Plädoyers, und schließlich muss der Zuschauer entscheiden: Spricht man Lars Koch frei oder wird der Mann verurteilt? Am 17. Oktober 2016 wurde der Film von 6,9 Millionen Zuschauern gesehen, danach wurde bei "Hart aber fair" darüber diskutiert. Das Televoting fiel damals überraschend eindeutig aus: 86,9 Prozent der Zuschauer, die durchgekommen waren, waren der Meinung, der Angeklagte sei "nicht schuldig". 13,1 Prozent plädierten für "schuldig".
Wie auch spätere Gerichts-Kammerspiele von Schirachs (zuletzt: "Sie sagt. Er sagt") schafft es "Terror", menschlich-gesellschaftliche Fragen mit klarem Blick in präziser, spannender Sprache zu durchleuchten. Dabei liegt die größte Leistung des Stoffes in der Komplexität der Gedanken, die er beim Zuschauer auslöst. Natürlich auch deshalb, weil brennend aktuelle Fragen behutsam von fantastischen Schauspielern auf die (Fernseh-)Bühne gebracht werden. Viel besser als "Terror – Ihr Urteil" kann öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht sein.
Terror – Ihr Urteil – So. 13.10. – ARD: 23.35 Uhr