"Tatort: Die große Angst": Ein Killerpaar im Schwarzwald?










Im neuen Tatort aus dem Schwarzwald entfaltet sich ein dramatisches Spiel um Leben und Tod. Ein tödlicher Vorfall in einer Seilbahn löst eine fieberhafte Suche aus. Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) ermitteln.
Der neue Fall der Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) ist ein Schwarzwald-"Tatort", wie er schwarzwaldiger nicht sein könnte. Große Teile der knapp 90 Minuten spielen tatsächlich im "Black Forest". Dorthin ist ein nervöses Pärchen geflohen, nachdem es in einer Gondel zu einer tödlichen Eskalation kam: Sven (Benjamin Lillie) und seine hochschwangere Frau Nina (Pina Bergemann) fahren in einer vollbesetzten Seilbahn talwärts. Weil sich ein renitenter Fahrgast weigert, trotz drückender Hitze ein Fenster zu öffnen, wird es laut. Es folgt eine Art Panik mit Gewaltausbruch. Der Frischluft-Gegner, dessen Gesicht man in der gesamten Szene kein einziges Mal sieht – ein durchaus gruseliger Effekt -, liegt schließlich tot am Boden. Überall ist Blut. Als die Gondel an der Talstation angekommen ist, machen sich Sven und Nina im "Tatort: Die große Angst" davon. Die anderen Seilbahn-Passagiere bleiben geschockt zurück.
Nach kurzem Stopp in einer Klinik, in der die schwangere Nina vom befreundeten Arzt Mesut Erdem (Sahin Eryilmaz) untersucht wird, flieht das Paar in den Wald. Dort besitzt Dr. Erdem, der es gut mit dem Panik-Paar meint, eine verschwiegene Hütte. Die Flüchtenden verlaufen sich jedoch. Das Gelände ist steil, und die Hitze verlangt der angeschlagenen Nina alles ab. Als dann noch ein Kind im Wald verschwindet, entsteht in der Bevölkerung das Gerücht, ein gefährliches Killerpaar sei im Schwarzwald unterwegs.
Der polizeiliche Einsatzleiter (Hadi Khanjanpour) hat alle Hände voll zu tun, die Suche zu organisieren – und dabei Medienvertreter und einen wütend werdenden Mob aus Anwohnern zufriedenzustellen. Auch Tobler und Berg beteiligen sich an der Suche. Und sogar sie geraten in der Hitze des Gefechts aneinander. Ist der gesamte Schwarzwald verrückt geworden?
Menschen scheinen von fiebriger Nervosität erfasst
Es ist ein ungewöhnlicher "Tatort", den Format-Debütantin Christina Ebelt fürs Schwarzwald-Team geschrieben und inszeniert hat. Bereits der Todesfall in der Gondel wird – wohl bewusst – unübersichtlich erzählt: Wie ist es dazu gekommen, dass der gesichtslose, schweigende Fensteröffnungs-Verweigerer gestorben ist? Weshalb flieht das schwangere Paar – anstatt sich zu stellen und die Situation aufzuklären? Macht das kopflos wirkende Durchstreifen des Waldes nicht alles schlimmer – zumal in Ninas Zustand? Auch Ermittler, Anwohner und Medien scheinen von fiebriger Nervosität erfasst. Eine Nervosität und latente Aggro-Stimmung, die bald auch Toblers und Bergs Binnenklima vergiftet. Man misstraut einander, pflaumt sich an, kritisiert den anderen – und sagt Dinge, die verletzen.
Filmemacherin Ebelt, die selbst aus dem Schwäbischen stammt, hat künstlerische Vorerfahrung, was die Inszenierung von Konflikten betrifft. Gemeinsam mit Jan Bonny schrieb sie das Drehbuch zum mehrfach preisegekrönten Film "Gegenüber" (2007), in dem Matthias Brandt und Victoria Trauttmansdorff ein Paar spielten, das sich seelisch wie körperlich quält und dem anderen den Garaus machen will. Auch in Ebelts Drehbuch zu "Es ist alles in Ordnung" (2014) mit Mark Waschke und Silke Bodenbender geht es um den Einbruch häuslicher Gewalt in eine Mittelklasse-Familie. Offenbar interessiert sich die Filmemacherin für Art und Weise, wie in unserem Leben, unseren Beziehungen, der Gesellschaft Gefühle kippen und zu Gewalt führen. Dass diese Frage ziemlich aktuell ist, beweisen zahlreiche Debatten um den rauen Ton unserer Gesellschaft inklusive körperlicher Angriffe.
Atemloser Waldthriller – oder mehr?
Es gibt einen Twist im Film, der gewagt ist, aber die Verhaltensauffälligkeiten des flüchtenden Paares zumindest erklärt. "Tatort: Die große Angst" ist dennoch ein ungewöhnlicher Beitrag zur Reihe und das, obwohl der Krimi formal nicht besonders experimentell oder fordernd auftritt. Was hätte wohl ein Dominik Graf aus dem gleichen Stoff gemacht? Immerhin mag auch er Filme, in denen man der Polizei als Apparat auf die Finger schaut. Christina Ebelts ersten "Tatort" könnte man auch als atemlosen Waldthriller mögen – ganz ohne den gesellschaftlichen Überbau. Auch eine andere Reaktion ist möglich: Man ist genervt vom genervten Personal des Südwest-Krimis, der noch dazu ein paar logischen Schwächen hat. Beide Arten der Rezeption sind möglich. Nur ganz gewöhnlich ist der "Tatort: Die große Angst" auf gar keinen Fall. Im täglichen Krimi-Einerlei des deutschen Fernsehens ein Pluspunkt.
Tatort: Die große Angst – So. 23.03. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH