Ein Themenabend zum 60. Geburtstag Hape Kerkelings ehrt den wohl einflussreichsten deutschen Komiker der letzten 30 Jahre. Der 90-minütigen Doku "Hape Kerkeling – Total normal" folgen die Autobiografie-Verfilmung "Der Junge muss an die frische Luft" und "Hape – Das Beste aus 'Total Normal'".
Hans-Peter Wilhelm Kerkeling, besser bekannt als Hape, kam am 9. Dezember 1964 in Recklinghausen zur Welt. Auf den Tag genau 60 Jahre später ehrt ihn das Erste als großen Komiker, Autor und Multikünstler mit einem wahrlich abendfüllenden Programm. "Hape Kerkeling – Total normal", einem 90-minütigen Dokumentarfilm über sein Leben, den Kerkeling selbst mit einem beeindruckenden Aufgebot prominenter Fans und Wegbegleiter erzählt, folgt die Autobiografie-Verfilmung "Der Junge muss an die frische Luft" (21.45 Uhr). Später am Abend wirft "Hape – Das Beste aus 'Total Normal'" (23.55 Uhr) ein Schlaglicht auf die stilprägende TV-Show des Jubilars, die Radio Bremen zwischen 1989 und 1991 produzierte.
Wenn sich in einer Doku, die zur ARD-Primetime um 20.15 Uhr läuft, Prominente wie Günther Jauch, Otto, Campino oder Anke Engelke mit einem Strahlen im Gesicht über das Geburtstagskind äußern, muss dieses einiges richtig gemacht haben. Tatsächlich hat Hape Kerkeling, das Kind "kleiner Leute" aus dem Ruhrgebiet, in seinem Leben eine Menge erreicht – vor allem aber die Herzen vieler Menschen berührt.
Ein Glücksfall für die Doku von André Schäfer und Eric Friedler ist, dass Hape Kerkeling hier selbst durch sein Leben führt. So nimmt er die Filmcrew mit in seine Lieblingsstadt Amsterdam. Kerkelings Familie, sowohl vonseiten der Mutter als auch des Vaters, gehörten hier einst zur wohlhabenden Klasse – bevor beide verarmten. Später fand er hier eine große Liebe, die sehr jung an Aids starb, wie der 1991 zwangsgeoutete Hape Kerkeling berichtet. Die Älteren erinnern sich: Regisseur Rosa von Praunheim erzählte 1991 in der RTL-Talkshow "Der heiße Stuhl" in einer umstrittenen Aktion, welche deutschen Prominenten "heimlich" schwul seien: darunter Hape Kerkeling und Alfred Biolek.
Ein Merkmal Hape Kerkelings ist sein Status als Wunderkind. Schon als Kind zeigte er sein parodistisch-komisches Talent – zu sehen in der wunderbaren Fiktionalisierung Caroline Links von "Der Junge muss an die frische Luft". In Passau erhielt er 1983 noch als Gymnasiast das Scharfrichterbeil verliehen, einen Preis für Nachwuchs-Kabarettisten. Es folgten die TV-Shows "Känguru", die der Junge aus dem Ruhrpott Anfang 1985 mit 20 Jahren erhielt, "Total Normal" oder "Darüber lacht die Welt". Vor allem "Total Normal", von dem Radio Bremen zwischen 1989 und 1991 gerade mal sieben Folgen produzierte, gilt bis heute als visionäres Unterhaltungsformat, das seiner Zeit weit voraus war.
Der berühmte "Prank" mit Kerkeling in eher liederlicher Königin Beatrix-Maske, als diese zum Staatsbesuch bei Bundespräsident Richard von Weizsäcker am Schloss Bellevue vorfuhr, ist ebenso legendär wie die Kulturbetrieb-Persiflage "Hurz", die Kerkeling mit seinem Musikpartner Achim Hagemann aufführte. Sowohl "Total Normal"-Kreativpartner Hagemann wie auch die Redakteurin der Sendung, Birgit Reckmeyer, erinnern sich nun ausführlich im Interview.
1993 folgte der – ebenfalls bis heute in Sachen Humor stilprägende – Film "Kein Pardon" mit dem Superhit "Das ganze Leben ist ein Quiz". Laut Günther Jauch existiert bis heute kein klügerer und genauerer Film über die deutsche Unterhaltungsbranche, ihren Humor und den Hang zum Klamauk.
Im Gegensatz zu anderen Wunderkindern beging Kerkeling nicht den Fehler, sein kreatives Paradepferd – Parodien und entgrenzte TV-Unterhaltung – zu Tode zu reiten. Relativ jung zog er sich von der Comedyfront zurück und agierte im Hintergrund: War er in den 90er-Jahren noch öfter in TV-"Pranks", Sketchen oder als Moderator großer Fernseh-Galas zu sehen, wurde es ab den Nullerjahren ruhiger um Deutschlands Comedy-Toptalent. Nach der Entfernung seiner Gallenblase und einem Hörsturz brauchte er dringend eine Auszeit. Im Sommer 2001 pilgerte Kerkeling 630 Kilometer auf dem nordspanischen Jakobsweg nach Santiago de Compostela, woraus das Buch "Ich bin dann mal weg" (2006) entstand. Es ist eines der meistverkauften Werke in deutscher Sprache, die Auflage liegt bei rund fünf Millionen Exemplaren.
2014 folgte Kerkelings berührende Kinder- und Jugendbiografie "Der Junge muss an die frische Luft", die 2018 kongenial von Caroline Link verfilmt wurde. Jung-Schauspieler Julius Weckauf, heute 16 Jahre alt, spricht in der Doku vom damaligen Casting und den Dreharbeiten. Da passt es gut, dass gleich im Anschluss an die sensibel erzählte Lebensdoku zum 60. Caroline Links Film anschließt. Er gewann – zu Recht – nicht nur zahlreiche Preise, sondern wurde beim Deutschen Filmpreis 2019 auch als besucherstärkster Film des Jahres ausgezeichnet.
Nach den "Tagesthemen" um 23.20 Uhr, kann man um 23.55 Uhr mit "Hape – Das Beste aus 'Total Normal'" noch mal tief in die Archive deutschen Humors eintauchen, der in seiner Frechheit und Finesse bis heute nachwirkt. Der einstündige Zusammenschnitt zeigt die besten Momente der sieben Shows, die der Mittzwanziger Hape Kerkeling zwischen 1989 und 1991 auf die Studiobühne zauberte.
Hape Kerkeling – Total normal – Mo. 09.12. – ARD: 20.15 Uhr