Die enge Zusammenarbeit mit einem Komponisten ist für viele Filmemacher von großer Bedeutung. So vertraute Alfred Hitchcock auf die musikalische Untermalung durch Bernard Herrmann, Federico Fellini setzte auf Nino Rotas Kompositionen und Ennio Morricones Unsterblichkeit ist eng verknüpft mit der Filmmusik zu den Sergio Leone-Western. In Deutschland machte das Team Peer Raben und Rainer Werner Fassbinder in ähnlicher Weise von sich reden. Peer Raben gilt als einer der wichtigsten deutschen Filmkomponisten. Lange Jahre arbeitete er eng mit dem wichtigsten Vertreter des Neuen Deutschen Films zusammen - bis zu dessen Tod im Jahr 1982 in mehr als 25 Filmen. Doch er komponierte nicht nur die Musik zu den Werken des deutschen Ausnahmeregisseurs - von "Liebe ist kälter als der Tod" (1969) bis zu "Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel" (1982) -, sondern war auch bei einigen frühen Fassbinder-Filmen als Produzent tätig und übernahm vereinzelt kleinere Nebenrollen. Zu seinen bekannteren Kompositionen gehört die Filmmusik von "Lili Marleen" und "Berlin Alexanderplatz" (beide 1980), die sich dadurch auszeichnen, dass sie "schön aber zugleich kaputt ist".
Geboren wurde Peer Raben als Wilhelm Rabenbauer am 3. Juli 1940 im bayerischen Viechtafell. Bereits auf dem musischen Gymnasium in Straubing lernte er den späteren Bühnen- und Filmschauspieler Kurt Raab, der 1966 in Rabens Antigone-Inszenierung seine erste Rolle spielte, kennen. Nach dem Abitur 1963 ließ er sich zum Theaterwissenschaftler und Schauspieler ausbilden, erhielt anschließend Engagements an der Schaubühne in Berlin und am Schaupielhaus Wuppertal. 1966 war er Mitbegründer des "action-theaters" in München, aus dem zwei Jahre später das "antitheater" hervorging. Wilhelm Rabenbauer arbeitete als Autor, Schauspieler - unter dem Namen Wil Rabenbauer - und Regisseur. Aus Kostengründen bat Rainer Werner Fassbinder das Multitalent, die Filmmusik zu "Liebe ist kälter als der Tod" einzuspielen. Ein voller Erfolg, so dass bald schon weitere Kompositionen für Fassbinders Filme folgten. Fortan komponierte er unter seinem Pseudonym Peer Raben und vertonte Filme wie "Die Ehe der Maria Braun" (1978), "Lili Marleen" und "Berlin Alexanderplatz". Darüber hinaus wurde er zu Beginn der Siebzigerjahre unter Peter Zadek musikalischer Leiter am Schauspielhaus Bochum.
Neben seiner Arbeit als Arrangeur und als musikalischer Leiter gestaltete er auch Hörspiele und produzierte - wie bereits erwähnt - einige der frühen Fassbinder-Spielfilme. In den folgenden Jahren profilierte er sich weiterhin als Filmkomponist - nicht nur für Fassbinder-Werke, sondern auch für zahlreiche andere Produktionen, insgesamt für rund 90 Kino- und Fernsehfilme. 1980 erhielt er für seine Kompositionen für "Die Reinheit des Herzens" und "Die Ortliebschen Frauen" beim Deutschen Filmpreis das Filmband in Gold. Ein Jahr später brachte er mit "Heute spielen wir den Boss - Wo geht's denn hier zum Film?" seinen ersten Film auf die Leinwand. Neben seiner Arbeit für Film und Fernsehen war auch das Chanson ein Schwerpunkt seiner kompositorischen Arbeit. Er vertonte Texte von Fassbinder, aber auch von Hans Magnus Enzensberger und Gerhard Zwerenz, die von der Sängerin Ingrid Caven gekonnt interpretiert wurden. Außerdem schrieb er Chansons für Cora Frost und Georgette Dee.
Dass ihm gerade die letzte Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder eine Nominierung für die "Goldene Himbeere" einbringen würde, hätte sich Peer Raben sicherlich nicht träumen lassen. Für "Querelle" vertonte er - nach einem Text von Oscar Wilde - das Chanson "Each Man Kills The Thing He Loves", das ursprünglich von Jeanne Moreau gesungen werden sollte. Doch im Film wurde schließlich eine andere Version verwendet und auch das Lied "Young And Joyful Bandit", das Peer Raben für den Schauspieler Günther Kaufmann geschrieben hatte, war nicht in der ursprünglich geplanten Version zu hören. Bei den Kritikern fiel die Filmmusik komplett durch und brachte dem Komponisten die bereits erwähnte Nominierung für den berühmten amerikanischen Negativpreis ein.
Nach Fassbinders Tod im Juni 1982 setzte Peer Raben seine Arbeit als Komponist fort, nicht nur für Film und Fernsehen, sondern auch für die Bühne, wo er unter anderem erneut mit Peter Zadek zusammenarbeitete. Filmen wie "Die flambierte Frau" (1983), "Die Venusfalle" (1988) oder "Happy Birthday, Türke!" (1990) verhalf Peer Raben zu einer musikalischen Untermalung, die niemals vollkommen losgelöst von der Handlung stand, sondern das jeweilige Spiel vor der Kamera virtuos reflektierte. Ein Schlaganfall, den er 1993 erlitt, zwang ihn zu einer Schaffenspause. Er zog sich in seine niederbayerische Heimat zurück und erholte sich von den Folgen seiner Krankheit. Anschließend setzte er seine Kompositionstätigkeit fort.
Als der chinesische Regisseur Wong Kar-wai für sein Sciencefiction-Drama "2046" nach der idealen Filmmusik suchte, sprach er Peer Raben an, den er durch viele Fassbinder-Filme kannte. Peer Raben nahm die Musik aus "Querelle" und arrangierte sie für Wong Kar-weis Meisterwerk neu. 2004 wurde der Komponist für diese Filmmusik mit dem Golden Horse Award (dem asiatischen Oscar) ausgezeichnet. Es schien der Anfang einer sehr fruchtbaren Partnerschaft zu sein und Raben übernahm auch den Soundtrack zu Kar-weis Dreiteiler "Eros" (2004). Ende 2005 gründete er in München die "Werkstatt Raben". Dort entwickelte er gemeinsam mit den beiden jungen Komponisten Florian Moser und Michael Emanuel Bauer die Musik für Kino- und Fernsehfilme, Theater und Werbung. Im November 2006 erhielt Peer Raben den "World Soundtrack Award" für sein Lebenswerk. Zuletzt arbeitete er an mehreren Spielfilmproduktionen und an einer Fortsetzung des berühmten Musicals "Phantom der Oper". Peer Raben starb am 21. Januar 2007 im Alter von 66 Jahren nach langer und schwerer Krankheit.
Weitere Soundtracks in Rabens Karriere: "Katzelmacher", "Götter der Pest", "Warum läuft Herr R. Amok?" (alle 1969), "Das Kaffeehaus", "Mathias Kneissl", "Der amerikanische Soldat", "Die Niklashauser Fart", "Rio das mortes", "Pioniere in Ingolstadt", "Whity", "Warnung vor einer heiligen Nutte" (alle 1970), "Die Ahnfrau - Oratorium nach Franz Grillparzer" (auch Regie und Drehbuch, 1971), "Adele Spitzeder" (auch Regie und Drehbuch, 1972), "Tschetan, der Indianerjunge", "Wildwechsel", "Die Zärtlichkeit der Wölfe", "Kleiner Mann - was nun?" (alle 1973), "Faustrecht der Freiheit" (1974), "Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel", "Angst vor der Angst", "Eiszeit", "Schatten der Engel" (alle 1975), "Ich will doch nur, dass ihr mich liebt", "Satansbraten", "Chinesisches Roulette" (alle 1976), "Violanta", "Bolwieser", "Despair - Eine Reise ins Licht", "Halbe-Halbe" (alle 1977), "Das andere Lächeln", "Spiel der Verlierer", "In einem Jahr mit 13 Monden" (alle 1978), "Zuhaus unter Fremden", "Die Ehe der Maria Braun", "Neues vom Räuber Hotzenplotz", "Die dritte Generation", "Bildnis einer Trinkerin. Aller jamais retour" (alle 1979), "Die Jahre vergehen", "Alpensaga" (TV-Serie), "Mosch", "Malou" (alle 1980), "Winterstadt", "Der Mond is nur a nackerte Kugel", "R.W. Fassbinder", "Lola", "Tatort - Beweisaufnahme", "Tag der Idioten" (alle 1981), "Grenzenlos", "Die Sehnsucht der Veronika Voss", "Tatort - Sterben und sterben lassen" (alle 1982), "Nothing Left to Loose", "Der Bauer von Babylon - Rainer Werner Fassbinder dreht Querelle", "Die Schaukel", "Étoiles et toiles" (TV-Serie), "Die Spieler" (alle 1983), "Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse", "Glut", "Baumeister Solness" (alle 1984), "Väter und Söhne - Eine deutsche Tragödie" (Mehrteiler), "Flambierte Herzen" (alle 1986), "Tatort - Die Macht des Schicksals", "Tommaso Blu", "Angst und Einsamkeit" (alle 1987), "Bismarck" (Mehrteiler, 1989), "Sirup" (1990), "Lulu", "Die wahre Geschichte von Männern und Frauen" (beide 1991), "Frauen über R. W. Fassbinder", "Glück 1", "Zwischensaison" (alle 1992), "Vino Santo", "Marianne Hoppe - Die Königin" (beide 1999), "Für mich gab's nur noch Fassbinder" (2000), "Heimatfilm!" (2002), "Kontakt" (2005), "Midway Through the Journey" (2007).
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