Manche Schauspieler müssen wohl erst in den Rollentypus, der ihnen liegt, hineinaltern. Bevor Chazz Palminteri vierzig war, sah man ihn selten im Kino. Seither ist er Dauergast. Und bei den Gestalten, die er spielt, wird schnell klar, dass ein junger Schnösel darin einfach keine gute Figur macht.
Palminteri ist festgelegt auf den Killer, wobei die Palette von eiskalt bis psychopathisch reicht, auf den Mafiaschläger, den Gangster, die zwielichtige Gestalt. Dass er solche Charaktere so glaubwürdig spielt, hat seine Gründe in Palminteris Biographie. Er kennt die Typen, die er darstellt, persönlich. Aufgewachsen ist Chazz Palminteri in der Bronx. Seine Jugenderinnerungen in einem von Gangstern dominierten Umfeld hat er später zu einem erfolgreichen Theaterstück verarbeitet. In dem Einpersonenstück (!) "A Bronx Tale" gerät ein Junge in das Umfeld eines Gangsterbosses.
Kein geringerer als Robert De Niro hat den Stoff 1993 verfilmt (deutscher Titel: "In den Straßen der Bronx"): Der heranwachsende Calogero merkt schnell, dass mit schiefen Geschäften viel Geld zu machen ist. Seinen Vater, der sich seine Brötchen ehrlich als Busfahrer verdient, beginnt er zu verachten. Doch schließlich muss er erkennen, dass Verbrechen sich höchstens zwischenzeitlich lohnt. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass der Junge in diesem Stück Calogero heißt und somit Palminteris wirklichen Vornamen trägt. De Niro führte nicht nur Regie, sondern spielte auch die Rolle des Vaters. Chazz Palminteri schrieb das Drehbuch und übernahm - wie sollte es anders sein - die Gangsterrolle.
Nach seiner Jugend in der Bronx debütierte Palminteri in dem Off-Broadway-Stück "On the Right Track", das kurz darauf auch am Broadway lief. Auf bewegten Bildern sah man ihn erstmals 1978: in einer Folge des Serie "Dallas". Seinen ersten Auftritt im Kino hatte er als Entführer in "Home Free All" (1983) von Stewart Bird. Es folgte ein kleiner Auftritt in "Der Tanz des Drachen" (1985) von Michael Schultz. 1986/87 spielte er in den Serien "Matlock" und "Wiseguy", 1989 in dem TV-Film "Peter Gunn" von Blake Edwards und Boris Sagal.
Seit John Landis' Gangster-Farce "Oscar - Vom Regen in die Traufe" (1991) ist er immer häufiger im Kino zu sehen. Wieder unter Landis spielte er in der Horror-Komödie "Bloody Marie - Eine Frau mit Biss" (1992). Doch erst die Verfilmung von "A Bronx Tale" brachte den Durchbruch. Für seine Rolle in Woody Allens "Bullets over Broadway" (1994) erhielt er eine Oscar-Nominierung. In diesem Film geht es um die hochmoralische Frage, ob die Kunst wichtiger sei als ein Menschenleben. Ein Gangsterboss will in einem Theaterstück unbedingt seine Freundin unterbringen, doch die erweist sich als einzige Schauspielkatastrophe. Um das Stück zu retten, verpasst ein Killer der Dame eine Kugel. Palminteri ist dieser Killer.
Er war dabei in Bryan Singers raffiniertem Thriller "Die üblichen Verdächtigen" (1995), aber auch in William Friedkins missratenem Erotik-Thriller "Jade" (1995), der nur dadurch im Gedächtnis bleiben wird, dass er Talente haufenweise verschliss. Für die schwarze Komödie "Der Hochzeitstag" (1996) schrieb er wieder das Drehbuch nach seinem eigenen Boulevardstück. Darin spielt er - was wohl? - einen Killer, der eine gelangweilte Ehefrau (Cher) umnieten soll. Doch die hat ohnehin gerade vor, sich das Leben zu nehmen, was den Killer doch leicht verstört. Paul Mazursky führte Regie.
Danach war er wieder in einem mordsmäßig danebengegangenen Projekt zu sehen: "Diabolisch" von Jeremiah Chechik war der desaströse Versuch, Georges-Henri Clouzots Klassiker "Die Teuflischen" (1954) zu modernisieren. Isabelle Adjani und Sharon Stone spielten unterhalb jeglicher Granate, so dass auch Palminteri als tyrannischer Ehemann nichts ausrichten konnte. Anschließend stand er für Lee Tamahori in dem stilvollen Kriminalfilm "Nach eigenen Regeln" (1996) vor der Kamera.
Palminteri versuchte sich auch schon als Regisseur: "Dante and the Debutante" (1996), eine Folge der TV-Serie "Oz" (1997) und die TV-Arbeiten "Frauen gegen Männer" (2002) sowie "Noel - Engel in Manhattan" (2004) waren das Ergebnis. Weitere Filme mit Chazz Palminteri: "Home Free All" (1984), "The Last Dragon" (1985), "Die Maulwürfe" (1992), "Story Stripper - Schmutzige Zeilen" (1994), "Die Perez-Familie" (1995), "A Night at the Roxbury", "Hurlyburly", "Reine Nervensache", "Falcone - Im Fadenkreuz der Mafia", "Scar - Ohne Gesetz" (alle 1998), "Excellent Cadavers" (1999), "Boss Of Bosses" (1999), "Einmal Himmel und zurück" (2000), "Der Pate von New York", "Hell's Kitchen" (beide 2001), "Poolhall Junkies" (2002), "Just Like Mona", "One Last Ride" (beide 2003), "In the Mix", "Kojak" (Film und Serie, alle 2005), "Running Scared", "Little Man", "Der Bodyguard - Für das Leben des Feindes"Kids - In den Straßen New Yorks" (alle 2006).