Er ist der ewige Wilde des amerikanischen Kinos: Abel Ferrara, laut der "Los Angeles Times" der "Gangster-Poet des Kinos". Seine Filme spiegeln die Sehnsucht nach Erlösung und menschlicher Güte inmitten von Gewalt und Zerstörung wieder, die Einsamkeit des Individuums, das Verlorensein in einer grausamen Welt, gegen die seine Figuren einem Don Quichote gleich immer wieder vergebens und verzweifelt anrennen und die Verzweiflung um das Wissen. dass man weder seinen Wurzeln noch seinem Schicksal jemals entkommen kann.
Abel Ferrara wurde in der New Yorker Bronx als Sohn eines italienischen Einwanderers und einer Irin geboren und wuchs dort auch auf. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft für den Film. Im Alter von 14 Jahren lernte Ferrara Nicholas St. John, seinen späteren langjährigen Freund und Drehbuchautor, auf der High School kennen. Mit einer Super-8-Kamera experimentierten die beiden herum und fingen in meist dokumentarisch aufbereiteten Bildern ihren Straßenalltag ein. Aus der Idee zu einem fünfminütigen Kurzfilm entwickelten sie schließlich ihr Spielfilmdebüt "Driller Killer" (1979), das als abendfüllendes Midnight Movie in die Programmkinos kam. Die wüste Geschichte eines wahnsinnig gewordenen Malers (von Ferrara unter dem Pseudonym Jimmy Laine selbst gespielt) ließ Publikum und Kritik aufhorchen. Als er ein Jahr später den stark stilisierten, feministisch angehauchten Rache-Triller "Die Frau mit der 45er Magnum" nachlegte, war sein Status als "Kultregisseur" zementiert - eine Auszeichnung, die Ferrara bis heute ablehnt.
Der Erfolg seines zweites Film brachte ihm sein erstes Mainstream-Projekt, "Fear City - Manhattan 2 Uhr nachts" (1984) mit Tom Berenger und Melanie Griffith. Ferrara selbst war mit dem Ergebnis nicht zufrieden, aher Michael Mann war auf den eigenwilligen New Yorker aufmerksam geworden. Er lud den Filmemacher ein, 1985 zwei Folgen für die Hitserie "Miami Vice" zu inszenieren und übertrug ihm anschließend die Regie des Pilotfilms für die Serie "Crime Story".
Ferrara nutzte die Erfahrung für sein nächstes Filmprojekt, das moderne Romeo-und-Julia-Ghettodrama "Krieg in Chinatown" (1987) mit James Russo. Obwohl es sich um eine Auftragsarbeit von Vestron Pictures handelte, legte Ferrara all seine Energie in die Verfilmung des Elmore-Leonard-Romans "Short Run - Hexenkessel Miami" (1988) mit Peter Weller und Kelly McGillis in den Hauptrollen. Der Enthusiasmus wurde bald gebremst, denn die Produktionsfirma mischte sich laufend in die Dreharbeiten ein und entzog ihm auch den Endschnitt. So fand es Ferrara nicht weiter tragisch, dass der Film in der Konkursmasse von Vestron unterging. In den USA ist "Cat Chaser" bis heute unveröffentlicht; in Deutschland erschien er nur als Video.
Sein gespartes Geld steckte Ferrara in die melancholische Gangsterballade "King of New York" (1990), in der er Christopher Walken eine der stärksten Leistungen seiner Karriere entlockte. Noch weiter ging Harvey Keitel in Ferraras nächster Arbeit "Bad Lieutenant" (1991), der ultrarealistischen Charakterstudie eines korrupten, drogensüchtigen Polizisten. Der bislang gewagteste und intimste Film des Regisseurs ist bis heute sein bekanntester und kommerziell erfolgreichster. "Body Snatchers - Angriff der Körperfresser" (1992, eine Auftragsarbeit von Warner Bros., wurde Ferraras nächster Film. Obwohl er mit seinem Remake des Don Siegel-Klassikers "Die Dämonischen" durchaus zufrieden sein konnte, fiel der Film aufgrund des Desinteresse des Studios durch. Ferrara war es egal, er hatte längst mit den Arbeiten an dem schmerzhaften Film-im-Film-Drama "Dangerous Game" (1993) begonnen, das zunächst als Low-Budget-Movie geplant war, nach der Zusage des Superstars Madonna für die Hauptrolle aber auf ein Budget von zwölf Millionen Dollar anwuchs. Im Nachhinein äußerte sich der Regisseur abschätzig über ihre Leistungen - und widmete sich dem extremen Schwarz-Weiß-Vampirfilm "The Addiction" (1994), den er komplett aus eigenen Mitteln finanzierte.
Noch bevor seine düstere "Der Pate"-Referenz "Das Begräbnis" (1996) in die Kinos kam, hatte Ferrara bereits mit dem Dreh zu "Blackout" (1997) begonnen, das beeindruckende Porträt eines Alkoholikers alias Matthew Modine. In einer kleinen Nebenrolle ist hier auch das deutsche Super-Model Claudia Schiffer zu sehen. 1998 schließlich verfilmte Abel Ferrara mit "New Rose Hotel" William Gibsons gleichnamigen Roman. Zum Starensemble gehörte hier erneut Christopher Walken, Willem Dafoe, Asia Argento und Annabella Sciorra.
Weitere Filme von Abel Ferrera: "Nine Lives of a Wet Pussy" (1977), "Der Gladiator" (1986, TV), "California" (1996), "Subway Stories: Tales from the Underground" (1997), "'R Xmas" (2001), "Mary" (2005), "Go Go Tales" (2007), "Chelsea on the Rock" (2008), "Mulberry St.", "Napoli, Napoli, Napoli" (beide 2009).