"Der Geburtstag": eine Odyssee durch durch die Nacht
Nach dem Kindergeburtstag sind die Eltern eines der jungen Gäste verschwunden. Ein gestresster Vater macht sich mitten in der Nacht auf die Suche.
Die Trennung haben Matthias (Mark Waschke) und Anna (Anne Ratte-Polle) bereits hinter sich. Diskussionen flammen dennoch regelmäßig auf. Größter Streitpunkt, das zeigen schon die ersten Szenen, ist Matthias' Umgang mit seiner Vaterrolle. Ständig schiebt er seine Arbeit vor und nimmt sich Zeit für seine neue Freundin Katharina (Anna Brüggemann), während sein siebenjähriger Sohn Lukas (Kasimir Brause) in die Röhre schaut. Gemeinsame Wochenende werden kurzfristig verschoben. Und überhaupt zeigt der gestresste Matthias kaum Bereitschaft, sich ernsthaft auf den Jungen einzulassen. Wenig verwunderlich vergisst er sogar das Geschenk zu Lukas' Geburtstag. Schlicht "Der Geburtstag" (2020) ist denn auch der zweite Spielfilm von Carlos Andrés Morelli überschrieben: eine Reise durch die Nacht, die vor allem durch ihre stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Optik auffällt.
Für die anstehende Kinderparty wollen die Eltern ihre Spannungen eigentlich außen vor lassen. Das verantwortungslose Handeln ihres Ex-Mannes bringt Anna jedoch wieder einmal auf die Palme. Und auch der losbrechende Regenguss heizt die Stimmung an. Nachdem die Feier überstanden ist, sehen sich die beiden Streithähne plötzlich mit einem ganz anderen Problem konfrontiert: Die Eltern von Lukas' neuem Schulfreund Julius (Finnlay Jan Berger) scheinen ihren Sohn vergessen zu haben und sind nun seltsamerweise nicht mehr zu erreichen. Wohl oder übel bricht Matthias mit dem fremden Jungen auf, um ihn so schnell wie möglich zu Hause abzuliefern.
Der Film "Der Geburtstag", den das ZDF nun im Rahmen der Reihe "Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten" zu später Stunde erstmalig im Free-TV zeigt, etabliert ein keineswegs ungewöhnliches familiäres Konfliktszenario, bekommt durch die Schwarz-Weiß-Bilder allerdings sehr schnell eine leicht mysteriöse, existenzialistische Färbung. Überhaupt ist es die nicht alltägliche Optik, die das Ganze zu einem atmosphärischen Erlebnis macht. Wie im klassischen Film noir, den düster-pessimistischen Detektivgeschichten des US-Kinos der 1940er- und 1950er-Jahre, spielt der aus Uruguay stammende Regisseur Carlos Andrés Morelli mit Licht und Schatten. Der Schein von Laternen dringt immer wieder durch die Ritzen heruntergelassener Jalousien. Matthias hetzt auf seiner von Jazz-Klängen begleiteten Suche durch Nebelschwaden und betritt einige gespenstisch anmutende Orte, etwa ein verfallenes Fabrikgebäude.
Das von Morelli selbst verfasste Drehbuch schickt den Protagonisten auf eine nächtliche Odyssee, bei der es zu bedrohlichen, rätselhaften und komischen Begegnungen kommt. Der Krimianstrich, der sich aus dem Geheimnis rund um Julius und seine Eltern speist, hält das Interesse des Zuschauers wach und verleitet zu weiterführenden Spekulationen. Wer einen großen Twist erwartet und sich ein raffiniertes Komplott ausmalt, könnte am Ende jedoch enttäuscht werden. Denn "Der Geburtstag" ist trotz mancher Nervenkitzel-Augenblicke vor allem ein Film über einen Vater, der seinen Sohn vernachlässigt und auf einmal begreift, was er seinem Kind damit antut.
Inhaltlich reißt Morelli sicher keine Bäume aus, auch wenn die Unterteilung des mit eigenwilligen Retro-Elementen gespickten Geschehens in Kapitel einen gewissen Anspruch erkennen lässt. Schön ist aber allemal, dass er seine recht schlanke, nicht einmal 80-minütige Läuterungsgeschichte auf visuell eindrucksvolle Weise erzählt und noch dazu einen souveränen Hauptdarsteller bei der Hand hat. In Mark Waschkes Gesicht kann man schmerzhaft deutlich ablesen, wie Matthias sein Fehlverhalten langsam bewusst wird.
"Der Geburtstag" – Mo. 23.08. – ZDF: 00.10 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH