Jussi Adler-Olsen's "Erbarmen": Pures Danysh Dynamite
Der packende Thriller "Erbarmen", der auf Jussi Adler-Olsens erstem Carl-Mørck-Roman basiert, ist absolut sehenswert und nichts für schwache Nerven.
"Ach, die Schweden wieder", werden einige Unbedarfte nach beklemmenden 90 Minuten stöhnen. In der Tat erinnern die wortkargen, verschrobenen Protagonisten, die kalten, sepia-artigen Bilder und vor allem die menschlichen Abgründe, die hinter jeder Ecke lauern, an Wallander und Co. und besonders an die schwedische "Millennium"-Trilogie nach Stieg Larsson. Aber nichts da: "Erbarmen" ist die erste Kino-Verfilmung eines Bestsellers des dänischen Thriller-Meisters Jussi Adler-Olsen und zuvorderst eine dänische Produktion. Auch wenn der Film unter schwedischer Beteiligung entstand, zum kleinen Teil in Schweden spielt und mit Nikolaj Arcel tatsächlich jener Drehbuchautor seine Hände im Spiel hatte, der auch die Umsetzung des ersten Larsson-Romans "Verblendung" verantwortete, ist dieser Film pures Danysh Dynamite – fürs Nervenkostüm des Zuschauers.
Die packende Story erzählt vom Kopenhagener Kommissar Carl Mørck, der sich mit seinem "Sonderdezernat Q" um alte Fälle kümmert, um staubige Akten, die kein anderer Ermittler auch nur mit der Kneifzange anfassen würde. Das "Montagskino" im ZDF zeigt in den nächsten Woche gleich drei Verfilmungen nach den Kriminalromanen des dänischen Erfolgsautors Jussi Adler-Olsen: Auf die Wiederholungen "Erbarmen" und "Schändung" (16. Oktober 2017, 22.15 Uhr) folgt am Montag, 23. Oktober 2017, 22.15 Uhr, "Erlösung" als Free-TV-Premiere.
Kommissar Mørck, ein übellauniger Zeitgenosse
Wie fertig kann ein Kommissar sein? – Mørck, grandios aus dem Roman gehoben vom dänischen Schauspieler Nikolaj Lie Kaas, legt die Messlatte diesbezüglich in Höhen, die jeden Lonesome-"Tatort"-Ermittler zum Komiker degradieren. Mørck säuft, er hat Psychosen, Augenringe, fahle Haut, und er lacht nie – weil er nichts zu lachen hat. Die Ehe ist gescheitert, der Sohn ist reichlich missraten, und seit sein bester Freund bei einem gemeinsamen Einsatz ins Koma geschossen wurde, ist der ohnehin sehr eigenwillige Kommissar vollends zur gescheiterten Existenz mutiert: ein übellauniger Zeitgenosse, den nur noch ein unzerstörbarer Gerechtigkeitssinn und eisernes kriminalistisches Gespür am Leben erhalten. Sein Chef schiebt ihn aufs Abstellgleis. Im fensterlosen Kellerbüro soll Mørck nun "kalte" Fälle sortieren.
Aber kalte Fälle interessieren Mørck und seinen neuen Kollegen Assad (Fares Fares) nur dann, wenn sie auch ermitteln dürfen. Und gleich bei einer der ersten Akten, die sie in die Hand nehmen, stolpern die beiden über Ungereimtheiten, die sie zum Leidwesen ihrer Vorgesetzten einhaken lassen. Es ist der Fall der jungen Politikerin Merete Lynggaard (Sonja Richter), die einst als hoffnungsvolle Aufsteigerin gefeiert wurde – bis sie eines Tages bei einer Fahrt auf einer Passagierfähre spurlos verschwand. Obwohl sie ihren geliebten geistig behinderten Bruder an Bord zurückließ, ging die Polizei damals von Selbstmord aus. Mørck sieht die Sache anders. Und natürlich wird bei seinen Ermittlungen Schritt für Schritt offenbar, dass er mit seinem Gespür richtig liegt.
Die Aufgabe für die dänischen Filmemacher war alles andere als leicht: Sie mussten einen komplexen (in der Taschenbuch-Ausgabe 419 Seiten starken) Roman auf eineinhalb Filmstunden verdichten und gleichzeitig das Fundament für eine ganze mögliche Reihe gießen. Inzwischen verfilmte das gleiche Team bereits "Schändung", den zweiten Carl-Mørck-Roman, der Film kommt schon am 15. Januar in die Kinos. Weitere Adaptionen sind zeitnah geplant, angeblich hat Lie Kaas für vier Filme unterschrieben.
Deftiger Psychothriller
Vor allem die epische Kriminalgeschichte um Eigenbrötler Mørck, den der nicht minder charismatische Moslem Assad mit seiner zupackenden Art in kleinen Schritten ins Leben zurückschiebt, macht Lust auf mehr. Assad, ein sportlicher Haudrauf, dessen Kaffee Tote aufwecken, aber auch Lebende töten kann, ist mitentscheidend dafür, dass das Ganze im Kino funktioniert. Die Figur haucht wenigstens ein bisschen Culture-Clash-Humor in die allgemeine Depressionsstimmung.
Der Fall selbst erweist sich als deftiger Psychothriller nach typisch skandinavischem Strickmuster – denn natürlich, so viel darf man verraten, ist Merete Lynggaard damals nicht in den Freitod gesprungen. Sie lebt und wird in einem finsteren Verlies gefangen gehalten und gequält ... Von wem und warum? Und ist sie überhaupt noch zu retten? – Carl Mørck wird die Antworten in dieser trotz kleiner Ungereimtheiten hochspannenden Geschichte liefern.
Quelle: teleschau – der Mediendienst