Melodramatischer Herzschmerz schlägt Migrationsgeschichte
Der emotionale ZDF-Dreiteiler erzählt über drei Generationen eine Familiengeschichte zwischen Deutschland und Italien – das Projekt lockte zahlreiche Stars an.
14 Millionen Menschen kamen zwischen 1955 und 1973 als Gastarbeiter in die BRD. Nicht wenige von ihnen "vermischten" sich ab der zweiten Generation mit den Einheimischen. Vor allem die Italiener, die in den 50-ern zuerst den Weg über die Alpen nach Deutschland fanden. Jenen Biografien widmet das ZDF nun den Dreiteiler "Bella Germania". Über drei Generationen erzählt Drehbuchautor Daniel Speck ("Maria, ihm schmeckt's nicht") eine Familiengeschichte um Migration, ge- und misslungener Integration sowie ganz viel melodramatischem Herzschmerz. Die junge Designerin Julia Becker (Natalia Belitski) erfährt über einen alten Mann (Joachim Bißmeier), der sich als ihr Großvater vorstellt, dass ihr bislang unbekannter Vater Italiener ist. Julias Mutter (Andrea Sawatzki) wollte nie über ihren Erzeuger reden, aber uralte Filme und Fotos zeigen einen durchaus liebevoll wirkenden Südländer.
Als Julia versucht, tiefer in ihre Familiengeschichte einzudringen, tun sich generationsübergreifende Dramen beidseits des Brenners auf. Teil eins (die Fortsetzungen von "Bella Germania" laufen am Montag, 11. März, und Mittwoch, 13. März, jeweils 20.15 Uhr) beginnt mit der Geschichte des jungen deutschen Fahrzeug-Ingenieurs Alexander (Christoph Letkowski), der auf einer Dienstreise nach Mailand in den 50-ern die bezaubernde Giulietta (eine Entdeckung: Silvia Busuioc) kennenlernt.
Natürlich passt jene Liebe, die zwischen der aus Süditalien stammenden Schönheit und dem deutschen Autofritzen entsteht, nicht in die Zeit. Giulietta ist seit langem einem anderen versprochen, dem ihre Familie zu Dank verpflichtet ist. So geht das Drama, von dem auch die Nachkommen einer kurzlebigen Verbindung zwischen Giulietta und Alexander "zehren", über 270 Minuten und mehrere Generationen weiter. Im Anschluss an Teil eins zeigt "Bella Germania – Die Dokumentation" (Montag, 10. März, 21.45 Uhr) die wahre Geschichte jener Gastarbeiter, die mit dem Wirtschaftswunder der BRD gen Germania zogen.
"Als Kind empfand ich einen Unterschied zwischen den Italienern in ihrer Heimat und den Gastarbeitern in Deutschland", erinnert sich Ronald Mühlfellner, Produzent von "Bella Germania", an seine frühen Erfahrungen mit dem "Italienischen" in Deutschland. "An der Riviera erlebte ich Italiener voller Lebensenergie und Charme, während sie in meiner Stadt eher als Schatten frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit an mir vorbeizogen." Tatsächlich wurde das Südeuropäische in den 50-ern und 60-ern in Deutschland noch als ziemlich fremd empfunden. Alte Schimpfworte wie "Itaker" und "Spagettifresser" zeugen davon. Deutsche Ernährungsexperten warnten damals gar vor dem seltsam schmeckenden Olivenöl oder einer äußerst gefährlichen Würzidee namens Knoblauch.
Offensichtlich traf Drehbuch- und Romanautor Daniel Speck mit dem Stoff sein Zielpublikum. Sein zeitgleich entstandener, aber bereits im Juli 2017 veröffentlichte Roman "Bella Germania" kletterte erstaunlich hoch in der Bestsellerliste. Die Filmversion ist Speck und seinem Regisseur Gregor Schnitzler ("Lotte am Bauhaus") nun wenig subtil geraten. Die Bilder des Dreiteilers baden in Italienklischees, ebenso wie das Figurenensemble dieser komplexen, aber auch reichlich konstruierten Geschichte.
Die Chance, mehr über die schwierige Identitätsfindung von Migranten, ihren Kindern und Enkeln zu erzählen, wurde zugunsten des Schmonzettenhaften ein wenig vertan. Schade, denn mit Natalia Belitski, Andrea Sawatzki, Christoph Letkowski, Denis Moschitto, Kostja Ullmann oder Stefan Kurt versammelte sich ein prominentes Ensemble, um der deutsch-italienischen Geschichte ein mannigfaltig leidendes, aber auch feierndes Gesicht zu geben. "Bella Germania" ist sicher keine reine Gefühlsschmonzette, dazu sind die verhandelten Themen rund um Migrations-Identitäten zu wichtig. Tiefgründige Erkenntnisse, auch wenn diese vom Fernsehen durchaus "leicht" geliefert werden dürfen, sollte man vom XXL-Filmschmöker des ZDF allerdings nicht erwarten.
Quelle: teleschau – der Mediendienst