Emily Browning und Ricky Whittle im Interview

American Gods – "das beste TV-Ensemble überhaupt!"

von Markus Schu

Menschen, Göttern gleich: Emily Browning und Ricky Whittle sind zwei der Hauptdarsteller des außergewöhnlichen Fantasy-Formats "American Gods". Ab Montag, 11. März, kehren sie endlich mit neuen Folgen auf Prime Video zurück.

Die Zuschauer staunten nicht schlecht, als vor rund zwei Jahren die Serienadaption von Neil Gaimans Fantasy-Meisterwerk "American Gods" ihr furioses Debüt auf Prime Video feierte: Die Showrunner Bryan Fuller und Michael Green gossen die Literaturvorlage in abstrakte und blutig-brachiale Bilder. Die Geschichte vom Clinch zwischen den alten und neuen Göttern kam hervorragend an – neben der extravaganten Optik war dies dem hervorragenden Ensemble-Cast zu verdanken. Allen voran den beiden Hauptdarstellern Emily Browning und Ricky Whittle, die in der Serie als kaputtes Ehepaar Laura und Shadow Moon eher zufällig in den Götterkrieg hineingeraten – und verzweifelt versuchen, den Überblick zu behalten. Die 30-jährige Australierin ("Sucker Punch") und der 37-jährige Brite ("The 100") boten dem Zuschauer mit ihren starken Performances menschlich-fehlbare Identifikationsfiguren. Am Montag, 11. März, startet die zweite Season des unkonventionellen Formats. Im Interview erzählen Browning und Whittle, welchen Einfluss der schwierige Produktionverlauf von Staffel zwei auf ihre Arbeit hatte und in inwiefern Ricky Whittles Bauchmuskulatur mit dem Erfolg des Formats in Zusammenhang steht.

prisma: Waren Sie vertraut mit dem Thema Mythologie bevor Sie für die erste Staffel engagiert wurden?

Emily Browning: Mythologie fällt eigentlich nicht in den Bereich meines Nerdwissens. Ich bin eher eine Expertin für "Die Simpsons".

Ricky Whittle: Und natürlich für "Friends"!

Browning: "Friends" ist doch nicht nerdig, jeder mag "Friends"! Nun gut, jeder mag auch "Die Simpsons". Egal! (lacht) Mythologie war definitiv kein großer Teil meines Lebens, bevor ich die Serie drehte.

Whittle: Ich wurde römisch-katholisch erzogen. Religion wurde mir quasi als Kind aufgezwungen, indem ich auf katholische Schulen gehen musste. In puncto Mythologie wurde ich von unserem Format erzogen: Ich wurde für die Schönheit der verschiedenen Kulturen sensibilisiert. In diesem Jahr lernte ich mehr über die indigene Bevölkerung Amerikas. In der ersten Staffel erfuhr ich hingegen viel über die muslimische Kultur. Die Arbeit an der Show öffnet mir die Augen für all die unterschiedlichen Kulturen, Mythologien und Glaubensrichtungen, die Neil Gaiman in seinem Roman zusammenbringt. Leider war ich in diesem Bereich vorab nicht so bewandert wie viele unserer Zuschauer.

Browning: Du hast mich gerade an die eine Mythologie erinnert, mit der ich mich aufgrund meines Aufwachsens in Australien zumindest ein klein wenig auskenne: die einheimische, indigene Mythologie der Aborigines. Die Schule, die ich besuchte, war sehr weltoffen. Viele Schulen in Australiens Bildungssystem erzählen leider nur die weiße Variante der Aborigine-Geschichte und das ist totaler Mist. Es ist ein sehr fehlerhaftes und rassistisches System – aber das ist ein ganz anderes Thema. Wie gesagt: Die Aborigine-Mythologie ist die einzige, von der ich ein wenig Ahnung habe. Gerade der darin enthaltene Kernaspekt der sogenannten "Traumzeit" ist wirklich sehr faszinierend.

prisma: Es gab Gerüchte und Berichte über eine eher komplizierte Entwicklung der zweiten Staffel von "American Gods" – daher auch die Verzögerungen bei der Veröffentlichung. Hat Sie das bei den Dreharbeiten beeinflusst?

Browning: Es gibt doch immer Komplikationen, wenn man an einem derart großen Projekt für Film oder Fernsehen arbeitet ...

Whittle: Und auch bei kleineren Projekten ist das so.

Browning: Stimmt. Die Realisierung der ersten Staffel von "American Gods" war auch schon kompliziert. Nur wurde damals nicht so viel darüber geredet wie jetzt bei Staffel zwei. Aber ja, wir hatten einen steinigen Anfang. Neil Gaiman wurde diese Frage ebenfalls gestellt, als wir vor Kurzem auf einem gemeinsamen Termin waren. Er antwortete dann: "Wir wollen die Show lieber gut als schnell machen." Ich sehe es so: Wir trafen auf eine Bodenwelle, als unsere kreative Führungsebene zu einem gewissen Maß ausgetauscht wurde. Und dann wollten wir uns die nötige Zeit nehmen, um sicherzustellen, dass wir weiterhin dieselbe Qualität wie zuvor garantieren können. Es passiert immer etwas hinter den Kulissen – nur wird das in den Medien eher selten thematisiert. Die Tatsache, dass uns die Leute diesmal wie unter dem Mikroskop beobachtet haben, hat das Arbeiten zu einer ziemlich intensiven Erfahrung gemacht.

prisma: Was ist das Erfolsgrezept hinter dieser außergewöhnlichen Serie?

Browning: Ricky Whittles Bauchmuskeln! (lacht)

Whittle: Ich und Emily – und meine Bauchmuskeln, ja! Insbesondere in Folge zwei der neuen Staffel! (lacht) Aber mal im Ernst: Als wir diese Episode drehten, war ich seit vier Tagen dehydriert ...

Browning: Aber aus freien Stücken! Ich habe sogar verlangt, dass er endlich Wasser trinkt! Ich war wirklich besorgt um ihn!

Whittle: Das hat sie tatsächlich verlangt. Aber viele männliche Schauspieler oder Models machen eine solche Diät, um eine bestimmte Physis zu erlangen.

Browning: Ich mache so etwas nicht. Ich werde immer gut ausgeleuchtet. (lacht)

Whittle: Spaß beiseite: Der Erfolg liegt vor allem in der visuellen Brillanz begründet, die in Staffel eins von den Showrunnern Bryan Fuller und Michael Green und von Regisseur Christopher J. Byrne erarbeitet wurde. Dieser einzigartige und reichhaltige Stil ist völlig anders als alles, was ich bisher gesehen habe. Bryan Fullers Psychothriller-Format "Hannibal" nahm diesen Stil bereits ein Stück weit vorweg, die Serie hat einen ähnlich düsteren Grundton wie unsere. Chris Byrne ist nun weiterhin mit an Bord und sorgt dadurch für eine visuelle Kontinuität bei "American Gods". Außerdem haben wir einen unglaublichen Cast – das ist das beste TV-Ensemble überhaupt! Ich habe noch nie zuvor mit einer so talentierten Gruppe gearbeitet, mit der ich mich gleichzeitig auch derart gut verstehe.

prisma: Wann stießen Sie zum Projekt?

Whittle: Ich war der erste Darsteller, der für "American Gods" gecasted wurde und war sehr aufgeregt, dass ich mit Neil Gaiman, Bryan Fuller und Michael Green zusammenarbeiten darf. Aber als dann nach und nach die anderen Darsteller hinzustießen, drehte ich fast am Rad – ich bewundere sie alle! Das erste Mal, dass ich Emily sah, war in Zack Snyders Film "Sucker Punch" – damals dachte ich mir: Oh mein Gott, sie ist der Wahnsinn! Dann kamen noch Ian McShane, Peter Stormare und Gillian Anderson hinzu – die Liste wurde immer länger. Ich habe irgendwann tatsächlich gefragt: Wie viel Geld steht dieser Produktion denn zur Verfügung? Ich hätte auf jeden Fall mehr Gehalt verlangen sollen! (lacht)

Browning: Ich stimme dir absolut zu, es ist definitiv ein unglaublicher Cast. Es gab so viele Leute, bei denen ich so aufgeregt war, mit ihnen zu arbeiten. Vielleicht habe ich auch nicht so viel Ahnung von den ganzen Fantasy-Sachen in Film und Fernsehen, aber ich glaube, neben den ganzen beeindruckenden visuellen Dingen und den epischen Handlungssträngen liegt die Faszination vor allem in den – überwiegend göttlichen – Charakteren begründet. Wir sehen sie oft in sehr menschlichen Situationen, sie alle haben viele Makel – es ist nicht die typische Fantasy-Serien-Konstellation von Gut gegen Böse. Wir haben in Wahrheit nur zwei durch und durch gute Figuren: Ricky Whittles Shadow und natürlich Salim (gespielt von Omid Abtahi, d. Red.), meine kleine Zuckerschnute! (lacht) Es geht gar nicht darum, herauszufinden, wer der Gute und wer der Böse ist – jeder ist verkorkst, jeder versucht sein Bestes, jeder hat seine eigenen Ziele. Und ich finde es ist interessant, eine Serie zu drehen, die auf einer solchen Basis fußt – einer menschlichen Fehlbarkeit.

Whittle: Dadurch spricht die Serie auch Leute an, die mit Fantasy eigentlich nichts anfangen können.

Browning: Leute wie mich!

Whittle: Ja, so etwas ist eigentlich nicht wirklich Emilys Ding, aber sie mag den menschlichen Aspekt der Serie, die zutiefst fehlbaren Figuren. Es gibt keine perfekten Charaktere. Auch Shadow ist nicht perfekt – im Grunde genommen ist er ein Krimineller. Tatsächlich ist Salim die einzig reine Person in der gesamten Show. Und das liegt daran, dass er nur an einen Gott glaubt – obwohl er von etlichen Göttern umgeben ist! Ich bin gespannt zu sehen, wie es für ihn weitergeht.

prisma: Die Erzählweise von "American Gods" ist nicht gerade einfach verständlich. Wie behalten Sie selbst den Überblick?

Browning: Es ist wirklich kompliziert. Als wir mit den halben Dreharbeiten durch waren, sowohl in Staffel eins als auch in Staffel zwei, geriet ich an einen Punkt, an dem ich nach Erhalt der Drehbücher zumeist nur noch meine eigenen Szenen gelesen habe. Und wenn ich dann die fertigen Folgen sah, mit all den Passagen, die mich bei meiner Arbeit nicht betroffen haben, dachte ich mir immer: Wann haben wir denn das gedreht? Was passiert denn dort? Das ist echt verwirrend! (lacht) Um den Überblick zu wahren, reden wir oft miteinander, wir erklären einander sehr viel. Es gibt schließlich elf Hauptcharaktere! Wir bringen uns andauernd gegenseitig die Dinge bei, die jemand nicht verstehen kann, weil er in einem ganz anderen Handlungsstrang unterwegs ist. So gelangen wir irgendwann alle zum selben Wissensstand.

Whittle: Wir helfen einander wirklich sehr viel. Einige Kolleginnen und Kollegen haben viel mehr Schauspielerfahrung als ich. Für mich ist es eine großartige Ausbildung, den anderen Darstellern bei der Arbeit zuzuschauen und gemeinsam mit ihnen zu drehen. Niemand hat Angst davor, Ideen zu äußern oder seine Zeilen abzuändern und mit den Autoren gemeinsam daran zu feilen. Und ja, die Skripts sind echt komplex, aber Neil Gaiman ist stets in unserer Nähe. Wenn wir irgendwelche Fragen haben, steht uns seine Tür immer offen. Es ist schließlich seine Geschichte – an wen könnten wir uns also besser wenden, als an ihn, den Vater der Götter?


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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