13.10.2021 Musiker bei Running Wild

Rolf Kasparek: Seit vier Dekaden auf der Welle des Erfolgs

Rolf Kasparek.
Rolf Kasparek. Fotoquelle: RockNRolf

Die Hamburger Band Running Wild bringt mit "Blood On Blood" ihr mittlerweile 17. Album auf den Markt. Kapitän Rolf Kasparek stieg kurz von seinem Schiff, um uns Rede und Antwort zu stehen.

42 Jahre Running Wild, 18 Studio-Alben, eine Stilrichtung. Wie oft hast du schon bei einem neuen Song gedacht: Das kommt mir irgendwie bekannt vor?

Rolf Kasparek: Das kommt natürlich vor. Aber dann ist man auch schnell an dem Punkt, das Ganze wieder zu verwerfen oder neuere Dinge einzubauen, die wieder etwas anderes aus der Idee machen. Am besten guckt man vorher mal durch die alten Alben, denn vieles hat man ja selbst nicht mehr im Kopf.

Du bist jemand, der nicht ohne historische Themen auskommt. Schon auf eurem Debüt gab es da ja mit Dschenghis Khan einen Referenz-Track. Was bedeutet es dir, solche Themen aufzugreifen?

Sehr viel. Geschichte ist wichtig, um die Gegenwart zu begreifen. Auf der anderen Seite ist es interessant, Geschichte mit einer musikalischen Geschichte zu beschreiben – über Melodien und Emotionen. Man macht praktisch einen Film ohne Bild. Ein anderes wiederkehrendes Motiv ist Gesellschaftskritik. Eine gängige Meinung ist, dass ungerechte Gesellschaften auf mangelhafte Bildungssysteme zurückzuführen sind.

Du hast mal vor vielen Jahren gesagt, Schule hätte dir nur die Zeit zum Spielen gestohlen. Erzähl mal.

Ganz einfach. Ich habe mich einfach selber gebildet. Die Schulzeit war für mich im Grunde ein Pauken von Dingen, von denen ich die meisten danach nie mehr gebraucht habe. Natürlich nicht alles. Englisch war zum Beispiel ein sehr wichtiges Fach für mich, auch wenn ich sagen muss, dass ich durch meinen Beruf später viel besser Englisch gelernt habe als in der Schule. Lernen und Bildung sind definitiv wichtig. In der Schule war ich nicht so gut. Bei meiner Abi-Feier sagte der Rektor: "Der Mann mit der Gitarre hat zwar das schlechteste Abitur abgelegt, aber er ist gerade in Berlin und nimmt seine erste Platte auf. Er hat es geschafft. Beifall!" (lacht).

Musikalisch gibt es auf dem neuen Album mit "One Night, One Day" einen ziemlichen Ausreißer. Der Song startet als klassische End-80er Powerballade, führt dann mit den typischen Running-Wild-Gitarrenharmonien durch einen stampfenden Teil. Man könnte sich das Ganze aber auch als schottisches Volkslied denken. Was ist der Hintergrund?

Im Grunde besteht die Nummer nur aus zwei Teilen – wie die Geschichte, die darin erzählt wird. Es war etwas Arbeit, sich etwas zu diesen beiden Teilen etwas auszudenken, das durch das Chaos im Mittelteil verbunden wird, wo der Protagonist im Text ja auch durch ein tiefes Tal muss. Aber ich glaube, es hat funktioniert. Wer die Lyrics liest, wird wissen, was ich meine.

Vieles in Running Wilds Karriere beruht auf plumpen Zufällen. Da gibt es die Geschichte mit dem Einbruch in der Firma des Vaters eures Drummers, der euch dann den aufgebrochenen Tresor vermacht hat, an dem ihr für das mittlerweile ikonische Plattencover von "Gates To Purgatory" rumschweißen durftet. Oder die Szene, als du mit der Gitarre vor dem Fernseher gesessen hast, gerade der Film "Piraten" lief und während eines Riffs, das du vor dich hingedudelt hast, auf einmal jemand in dem Film "Under Jolly Roger" rief: Daraus ist nicht nur euer erfolgreichstes Album, sondern ein ganzes Genre entstanden. Gab auch mal richtige Pläne bei Running Wild?

Am Anfang hatten wir sicherlich einen Image-Plan. Leder, Nieten, Okkultes: Das haben wir gemacht, um aufzufallen. Man muss sich einfach vorstellen, dass es seinerzeit überhaupt keine Logistik oder Infrastruktur für Rock Bands in Deutschland gab. Man musste sich schon etwas ausdenken, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Scorpions und Accept waren absolute Ausnahmen.

1987 habt ihr wie erwähnt mit"Under Jolly Roger" das Piraten-Image, obwohl man gerade dieses Album und das Image seinerzeit unglaublich verrissen und euch lächerlich gemacht hat. Dennoch haben die Fans damals entschieden, dass die Platte überragend ist. Danach seid ihr bei genau diesem Image geblieben. War das auch ein Zufall?

Nicht wirklich. Wir haben uns in der Band nach "Under Jolly Roger" wirklich intensiv mit dem Thema beschäftigt und als Nachfolgealbum "Port Royal" gemacht, mit dem uns die Leute, die sich zuvor über uns lustig gemacht hatten, schon ernsthaft als "Pirate-Metal" bezeichneten. Manchmal gibt es solche Dinge. Danach war es ein Image, mit dem man immer mal wieder gespielt hat, aber meistens nicht mehr als zwei Titel auf der Platte hatte, die dieser Thematik folgen.

Running Wild ist durch die immense Hitdichte und Erwartungshaltung der Fans eine Band, die im Grunde darauf angewiesen ist, einige Songs immer im Live-Set zu haben. Wie oft hast du dir schon gewünscht, mal eine komplette Underground-Setlist auszugraben, mit Songs, die selten oder noch nie performt wurden. Ginge so was überhaupt?

Jein, es ist schon eine Herausforderung. Man muss darauf achten, dass man ein Programm zusammenstellt, das den Drummer nicht bis zur völligen Erschöpfung schleift und gleichzeitig dynamisch ist. Dann gibt es Songs, die man nie auf dem Schirm hatte, die aber live hervorragend funktionieren. Und es gibt das Gegenteil. Zudem sollten natürlich auch immer einige Überraschungen dabei sein. Da achten wir schon drauf. Aber natürlich gibt es Standards, die bei keiner Show fehlen dürfen – das ist bei unserem Backkatalog und der Erwartungshaltung der Fans auch gar nicht anders zu handhaben.