Interview

Jenny Jürgens: „Man muss sich nicht immer vergleichen“

07.04.2025, 12.24 Uhr
von Sarah Hegemann
Jenny Jürgens hat die Schauspielerei hinter sich gelassen.
Jenny Jürgens hat die Schauspielerei hinter sich gelassen.  Fotoquelle: IMAGO/Stephan Wallocha

Jenny Jürgens hat sich von der Schauspielerei verabschiedet und widmet sich lieber der Fotografie. Außerdem engagiert sie sich für ihr Herzensprojekt „Herzwerk“, das sie mit dem Deutschen Roten Kreuz ins Leben gerufen hat.

Sie haben sich als Schauspielerin einen Namen gemacht und sind nun als Fotografin unterwegs. Wie sind Sie zum Fotografieren gekommen?

Da sind einige Gründe, die mich letztlich auf diesen Weg geführt haben: Ich komme aus einer kreativen Familie, in der Kunst, Musik und Fotografie stets eine Rolle gespielt haben. Mein Onkel ist ein erfolgreicher Fotograf, meine Mutter hat auch viel fotografiert, auch wenn sie jetzt mit ihren 85 Jahren die Kamera nicht mehr in die Hand nimmt. Und auch das Leben meines Vaters hat mich in gewisser Weise dahingehend geprägt. Ich war schon als Kind eine gute Beobachterin. Meine Mutter hat mir oft gesagt, dass ich nicht so starren soll, weil ich gerne mal Leute mit offenem Mund studiert habe. Den Blick für gute Motive habe ich eigentlich immer schon gehabt, aber zur Fotografie bin ich dann doch erst recht spät gekommen, mit über 50. Ich hatte sehr viele tolle Bilder in meinen Instagram-Highlights. Die hat Alexandra Kamp dann gesehen und meinte, dass ich da unbedingt mehr draus machen muss. Über ihren damaligen Partner Michael von Hassel bin ich zu Pendart in München gekommen. Mittlerweile habe ich vier Vernissagen gehabt – eine in München, eine in Hamburg, eine in Düsseldorf und eine in Wien.

Sind Sie froh, dass Sie sich getraut haben, diesen Weg einzuschlagen?

Ich habe mich von der Schauspielerei verabschiedet und mich bewusst dagegen entschieden, diesen Beruf weiter auszuüben. Es hat mich einfach zu viele Nerven gekostet. Diese ständige Beurteilung durch andere, dass man konstant fremden Leuten ausgesetzt ist. Ich muss dazu sagen, dass ich viele Jahre mit einer Angststörung gekämpft und gemerkt habe, dass dieser Job seine Mitschuld daran hatte. Das ganze Suchen, Anbiedern und auf Events gehen müssen hat mich zuletzt nur noch gestresst. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass mein Vater mir eine finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht hat – auch wenn die Umstände natürlich nicht schön sind. Ich kann das machen, was ich möchte.

Und das ist eben gerade das Fotografieren?

Genau. Ich möchte aber nicht damit in dieselbe Situation geraten wie mit der Schauspielerei. Ich bestimme, was ich wann wie mache. Da bin ich sehr eigensinnig. Fotografieren ist für mich ein meditativer Prozess, bei dem ich allein sein möchte. Nach einem Ausflug mit einer Kamera habe ich abends eine große Auswahl, von der zwei Drittel bestimmt im Papierkorb landen. Aber ein oder zwei richtig gute Bilder sind auf jeden Fall immer dabei!

Was macht für Sie ein gutes Foto aus?

Es muss mich irgendetwas fühlen lassen und mich erreichen. Wenn es beim Betrachten Gefühle wie Freude auslöst, mich zum Lachen bringt oder mich vor eine Frage stellt, ist es ein gutes Bild. Ein gelungenes Foto kann mir auch durch seine Farben Frieden schenken. Es muss halt etwas mit mir machen.

Welche Rollen spielen Ausstellungen?

Fotos müssen gesehen werden. Ich persönlich empfinde es so, dass es nicht reicht, dass ich ein Foto gemacht habe und es mir anschaue. Ich möchte mit meinen Bildern andere Menschen erreichen, damit ein Austausch entstehen und das Foto wirken kann. Ausstellungen sind aber eine wirklich aufwendige Angelegenheit. Finanziell kann man damit nicht wirklich einen Blumentopf gewinnen. Ich habe bei all meinen Ausstellungen draufgezahlt. Aber mir geht es um die Sichtbarkeit. Ich muss auch sagen, dass ich mich manchmal wie eine Hochstaplerin fühle und zusammenzucke, wenn man mich als Fotografin Frau Jürgens anspricht.

Welchen Rat würden Sie jemandem mit auf den Weg geben, der ebenfalls mit der Fotografie am Anfang steht?

Dieses Gefühl, dass man nicht gut genug ist im Vergleich und sich nicht Fotograf nennen sollte, das kann man keinem nehmen. Ich folge gut 300 Fotografinnen und Fotografen bei Instagram. Wenn ich mir deren Sachen so anschaue, sollte ich besser direkt daheimbleiben. Aber müssen wir uns wirklich immer vergleichen? Und viel wichtiger noch: Die anderen kochen auch nur mit Wasser! Sehr wahrscheinlich sitzen auch diese Fotokünstler zu Hause und denken sich manchmal, dass sie nicht gut genug sind. Wir sind alle nur Menschen und fühlen ähnlich.

Was fotografieren Sie am liebsten?

Dinge, Landschaften, Szenerien… Das Problem mit Leuten vor der Kamera ist, dass sie irgendwann anfangen, zu reden (lacht). Sie fragen, wie sie sich am besten positionieren und bewegen sollen. Und ich habe das Gefühl, dass ich dieser Erwartungshaltung, wenn man jemanden porträtieren soll, einfach nicht gerecht werde. Das würde nachher wieder für Druck sorgen beziehungsweise mich ganz schnell nervös machen. Und wen sollte ich überhaupt ablichten? Berühmtheiten? Oder obdachlose Menschen in New York? Beides hat seine Daseinsberechtigung, aber ich finde mich darin nicht wirklich wieder. Genauso wenig reizen mich Business-Porträts. Ich lasse mich lieber bei meiner Motiv-Suche treiben und schaue gern, was die Natur mir anbietet. Eine gewisse Liebe für Symmetrie lässt sich zudem nicht leugnen. Ich bin technisch nicht besonders versiert, dafür habe ich aber einen Blick für gute Motive.

Wo fotografieren Sie in Düsseldorf besonders gerne?

Ich muss gestehen, dass ich noch nicht DIE Foto-Route in Düsseldorf für mich gefunden habe. Ich bin echt gerne im Hofgarten oder am Rhein unterwegs, aber was soll ich da fotografieren? Die Wiesen? Die Düsseldorfer Skyline wurde außerdem schon hunderttausendmal fotografiert, das reizt mich nicht. Es gibt tolle Fotografen, die sich auf diese Stadt spezialisiert haben und mit Drohnen und Co. tolle Bilder einfangen – beispielsweise von der Kö. Auf Mallorca finde ich für meinen Teil aber leichter gute Motive.

In Düsseldorf haben Sie auch die Initiative „Herzwerk“ gestartet, die sich gegen Armut im Alter engagiert. Was war 2009 der Auslöser?

Herzwerk ist zweifelsohne mein wichtigstes Lebenswerk, das ich hinterlassen werde. Noch vor meiner Schauspielerei und der Fotografie. Es ist einfach ein gutes Gefühl, zu wissen, dass das von mir bleiben wird. Ich habe damals, zur Zeit der Gründung, mit einer Angststörung gekämpft. Mein Therapeut hat mir geraten, meine Aufmerksamkeit von mir und meinem Inneren weg in die Außenwelt zu lenken. Statt mich zu fragen, wie schnell mein Herz gerade schlägt und ob ich kalte Hände habe, sollte ich mich lieber mit Leuten beschäftigen, denen es wirklich nicht gut geht. Und nicht mit meinen selbst erzeugten Problemen. Ich hatte schon immer eine Affinität zu alten Menschen. Einfach, weil sie selbst nicht mehr wirklich in der Lage sind, für sich zu sorgen und ihnen viel zu wenig Hilfe zuteilwird. Ich war zwar bereits beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) als Botschafterin für Senioren tätig, aber wenn Journalisten mich danach gefragt haben, kam mir mein wirkliches Engagement immer zu wenig vor. Also bin ich mit meinem Exposé für eine eigene Stiftung zur DRK-Geschäftsführung und glücklicherweise war man von meiner Idee begeistert. Der Rest ist Geschichte.

„Herzwerk“ läuft als Projekt seitdem erfolgreich mit Ihnen als Vorsitzende des Kuratoriums.

Genau, wir setzen uns für Senioren unter der Armutsgrenze ein und wurden unter anderem schon mit dem Landesverdienstorden durch Hannelore Köhler und mit dem Preis „Düsseldorfer des Jahres“ ausgezeichnet. Das freut uns natürlich sehr. Und ich muss sagen, mein Therapeut hatte Recht: Durch die Beschäftigung geht es auch mir besser!

Gibt es Begegnungen, die besonders in Erinnerung geblieben sind?

Da gibt es unzählige, ja. Wir haben in Oberbilk unsere 100 Quadratmeter große Herzwerkstatt, in der regelmäßig Koch- oder Computerkurse für Senioren stattfinden. Außerdem organisieren wir Ausflüge. Ende Dezember waren wir beispielsweise im Apollo Theater. Es ist schon wirklich anrührend, zu sehen, wie die älteren Damen und Herren sich für so einen Abend zurechtmachen und es genießen, etwas zu erleben. Wenn dann noch jemand zu mir kommt, mich drückt und sagt: „Frau Jürgens, danke für Ihre Arbeit“, dann bin ich wirklich gerührt. Man wird selbst auch sehr demütig, denn die Senioren geben sich mit so wenig zufrieden und haben so bescheidene Wünsche. Und egal, wie schlecht es ihnen auch geht, sie strahlen dennoch so viel Freundlichkeit und Zufriedenheit in diesen Momenten aus. Das ist bewundernswert.

Was würden Sie sich persönlich fürs „Alter“ wünschen?

Ich muss mir im Alter keine Sorgen machen. Ich kann mir eine Krankenschwester daheim oder einen Platz in einer renommierten Residenz leisten. Dieses Privileg weiß ich auch zu schätzen. Aber was ich mir grundsätzlich wünsche… Es gibt da diesen simplen, aber doch so wahren Satz: Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Ich wünsche mir, dass ich mit Respekt behandelt werde, dass ich gesehen werde und dass man sich um mich kümmert. Ich finde es ganz schrecklich, wenn in Bezug auf alte Menschen gesagt wird, dass „es sich doch eh nicht mehr lohnt“. Außerdem wäre mehr Verantwortung vom Staat schön. Ohne das Ehrenamt wäre Deutschland längst untergegangen!

Das Ehrenamt und pflegende Angehörige sind in der Tat ein wichtiger Pfeiler.

Genau. Man kann nicht 20 Sachen gleichzeitig machen. Es ist okay, wenn der eine sich mehr für Tiere, der andere für Kinder und wieder ein anderer für Senioren einsetzt. Wenn jeder einfach ein wenig machen würde, dann wäre die Welt ein viel besserer Ort.

Jenny Jürgens teilt ihre Fotos bei Instagram unter @jenny.juergens.fotografie sowie auf www. jennyjuergens-fotografie.de

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