Wer hätte es gedacht: Die Erfolgsgeschichte des Hauses "4711" begann mit einem Produktplagiat. Der Firmengründer Wilhelm Mülhens entwendete dem Haus Farina kurzerhand Namen und Produkt. Erst das Markengesetz von 1875 schuf Klarheit – und Mülhens erfand das berühmte "4711".
Kölnisch Wasser – 4711: Wer kennt sie nicht die Duftmarke aus Köln, die in über 100 Jahren ein Synonym für Parfüm und Eau de Toilette geworden ist. "Die 4711-Story" von Heike Nelsen aus der Reihe "Deutschlands große Clans" widmet sich einem Traditionshaus, das auf eine ungewöhnliche 200-jährige Historie zurückblicken kann. Wie in so manchem Familienunternehmen folgten Erfolg und Niedergang – nach innerfamiliärem Streit – aufeinander. Doch auch die heutigen Konzerninhaber nehmen es mit neuen Duftkreationen auf dem Markt noch immer mit internationalen Marken auf.
Am Anfang stand ein Etikettenschwindel. Wilhelm Mülhens, der Firmengründer von "4711", dessen Emblem bis heute für jeden sichtbar groß an der Innenseite des Kölner Hauptbahnhofs prangt, stibitzte der alteingesessenen Firma Farina Ende des 18. Jahrhunderts kurzerhand Produkt und Namen. Mülhens' Nachfolger behaupteten später, ein Karthäusermönch, Mitglied der Familie Farina, habe dem Firmengründer die Nutzung des Namens überlassen. Vom Nachfahren Johann Maria Farina, Firmeninhaber in der achten Generation, wird das allerdings heftig bestritten. Mülhens aber kaufte 1803 einem ganz anderen Herrn namens Farina die Namensrechte ab. Über tausend Plagiatsprozesse folgten, bis es endlich im Zuge des deutschen Markenschutzgesetzes 1875 zu einer Entscheidung kam.
Fortan nannte Mülhens sein Parfum "4711", nach der Hausnummer des Unternehmens in der Kölner Glockengasse, die man dem Haus während der französischen Besatzung gab. Was als Produktpiraterie begonnen hatte, wurde bald ein Welterfolg. In New York und Riga wurden Niederlassungen gegründet, Adelige und Berühmte wie Wagner oder Goethe benutzten das Parfüm. Mit der mittels Aldehyd hergestellten Marke Tosca konkurrierte man in den 20er-Jahren gar mit der Pariser Legende Chanel N° 5.
Hatte man während der Zeit des Nationalsozialismus mit den Mächtigen sympathisiert, so stand nach dem Krieg auf den Nachttischen der Politiker im hauseigenen Hotel auf dem Petersberg, dem Gästehaus der Bundesrepublik, jeweils ein Fläschchen 4711. Aber auch in keiner Frauenhandtasche durfte in den 50-ern das Duftwässerchen fehlen. "4711 ist immer dabei – das hat diesen Menschen Stabilität gegeben", sagt die Werbepsychologin Ines Imdahl im Film. "Sie sind in neue Länder gereist, haben etwas Unerwartetes erlebt und konnten sich dann mit 4711 nicht nur erfrischen, sondern sich auch Halt geben. Es hatte immer auch eine Schutzfunktion."
Vor dem Niedergang in den 90er-Jahren schützte das Wunderwasser jedoch nicht: "4711 bedeutet eine magische Zahl, die mich von meiner frühesten Kindheit an bis heute begleitet", sagt der letzte Firmenerbe Dieter Streve-Mülhens im Film. 1997 musste er den Verkauf des Familienunternehmens nach einem familieninternen Streit bekannt geben: "Das war die schwerste Stunde meines Lebens." Die Autorin Heike Nelsen rollt noch einmal den Familienzwist zwischen den Firmenerben auf und entdeckt dabei auch, dass es eine weitere schwere Familienkrise gab.
Deutschlands große Clans: Die 4711-Story – Di. 21.07. – ZDF: 20.15 Uhr