"Ich schrieb das Manuskript, ich führte Regie und ich war der Sprecher. Mein Name ist Orson Welles". Mit dieser Absage endet der erste Skandal des 23-Jährigen. Denn Orson Welles hat durch die realistische Gestaltung seines Hörspiels "Krieg der Welten" nach H. G. Wells eine Panik in den USA heraufbeschworen. Es geht um die Landung von Marsmenschen, und die Rundfunkhörer sind davon überzeugt, dass es Nachrichten vom Tage sind und nicht Fiktion. Drei Jahre später erhält der geniale Künstler Carte Blanche in Hollywood für die Produktion von drei Filmen. Er dreht "Citizen Kane" 1941 und der Film ist ein Meisterwerk. Sechs Jahre später wirft ihn die RKO raus: Ein Genie wie Welles kann sich kein Produzent der Welt leisten.
Doch das mächtige Hollywood, das in den Fünfzigerjahren bedeutende Filmemacher zum Schweigen verurteilt, schafft diesen Orson Welles nicht. Der Mann, der mit 10 Jahren in der Schule Shakespeare inszeniert, wird eines der markanten Vorbilder für das internationale Kino. Nach "Citizen Kane" folgt der zweite Film "Der Glanz des Hauses Amberson" von 1942: Die Familienchronik beginnt 1873 und endet kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und handelt von der Aristokratie und ihrem Untergang. Isabel Amberson darf den Mann ihrer Wahl, Eugene Morgan, nicht heiraten, denn er ist keine standesgemäße Hochzeit. Doch während der Erbe, Isabellas Sohn, am Ende Arbeiter in einer Dynamitfabrik ist, hat es Eugene Morgan als wohlhabender Geschäftsmann zu Ansehen und Ehre gebracht.
Anders als in den Geschichten um die bürgerlichen Helden Kane, Josef K. in "Das Schloss" oder "Falstaff" zeigt Orson Welles hier eine Welt der Aristokratie und ihres Untergangs. Welles, der hier selbst nicht mitspielt, hat viel Poesie und Phantasie eingebracht und setzt die Chronik der laufenden Ereignisse gleichsam aus den vergilbten Familienfotos zusammen in einem ruhigen, unendlich langsamen Bildstil. In den wunderbaren Kulissen dieses faszinierend stillen Films werden später viele Horror- und Actionfilme gedreht, die große Treppe in diesem Herrenhaus sieht man immer wieder in Trivialfilmen.
Der dritte Film ist "Die Spur des Fremden" (1946). Am Ende der Nazizeit drehte Orson Welles diesen Film. Auf die Spur eines ehemaligen SS-Offiziers und KZ-Leiters hat man einen seiner Untergebenen gesetzt. Er und ein Kriminalinspektor geraten in ein kleines, verträumtes Städtchen im amerikanischen Mittelwesten, wo sie dem alerten jungen Charles Rankin begegnen, der gerade eine hübsche Lehrerstochter heiraten will. Und da finden sie schließlich den gesuchten Franz Kindler, der sich hier hinter anderen Namen, anderer Existenzen und der Maske des Biedermanns versteckt. Orson Welles inszeniert sich selbst in einer brillianten Rolle perfekt wie immer, neben ihm spielen die schöne Loretta Young und Edward G. Robinson als Polizeiagent. Das ist ein hervorragender Politikrimi.
Für "Die Lady von Shanghai" (1947) muss sich Welles eine andere Produktionsfirma suchen und er landet bei der Columbia. In diesem Kriminalfilm wird ein Idol zertrümmert: Rita Hayworth entpuppt sich in der Rolle der Elsa als dämonisch-böses Weib. Der Seemann O'Hara rettet die verführerisch schöne Elsa Bannister vor dem Zugriff von Strolchen im New Yorker Großstadtdschungel. Er erkennt erst zu spät in welche Abgründe ihn seine leidenschaftliche Liebe reißt. Neben seinem "Citizen Kane" und dem "Orson Welles' Othello" ist dies einer der wuchtigsten Welles-Filme. Voller Zynismus spielt Welles den Seemann, der in die Fänge der Frau gerät.
"Macbeth" (1948) hat Welles für weniger als 200000 Dollar in knapp drei Wochen für die Billig-Firma Republic gedreht. Vorher hat Welles die Geschichte mit den Schauspielern auf dem Theaterfestival in Utah geprobt. Es ist einer der eigenwilligsten Shakespeare-Filme: roh und asketisch, Männer in Fellen mit bizarren Helmen in Pappmaschee-Dekorationen.
Für die Realisierung des "Othello" (1949/52) braucht Welles fast 4 Jahre. Immer wieder sucht er nach Geldgebern, immer wieder muss unterbrochen werden. Welles verzichtet auf Pomp und Bühnengesten, streicht jedes Wort, das im Bild ausgedrückt werden kann und bleibt doch sehr dicht an Shakespeare. Der geisterhaft monotone Trauerzug zu Beginn, dann Jago und Rodrigos zwischen unheildrohenden Mauern, die Meuchelszene im Dampfbad, bis hin zu der Szene, in der der bis zum Blut gereizte Othello seine Desdemona erwürgt. Allein diese Filme weisen ihn als genialen Meister aus.
Einer der wenigen Filme, die er nicht inszeniert hat, die aber von ihm und seinem Geist geprägt sind, entsteht 1949 im Nachkriegs-Wien. Die Titelfigur des Films kommt zu Beginn nur als Schatten ins Bild, man hört das "Harry-Lime-Motiv" von Anton Karas, dem österreichischen Zither-Künstler. Harry Limes Auftritte sind ganz selten und doch ist er der Protagonist, "Der dritte Mann" in Carol Reeds genialem Nachkriegsfilm. Harry Lime, Holly Martins, das Mädchen Anna und der Militärpolizist Calloway sind die Hauptfiguren. Ein Mann kommt nach Wien, der Amerikaner Holly Martins, um seinen alten Freund wiederzusehen, doch er kommt gerade zur Beerdigung zurecht. Aber Harry Lime alias Orson Welles ist nicht tot...
Orson Welles` Vater ist Industrieller und passionierter Erfinder, seine Mutter, die früh stirbt, ist Pianistin. Seine Karriere beginnt als Hochstapler. 1931 erzählt er zwei Theaterleitern in Dublin, wohin er - wie er sagt - als Maler gekommen ist, er sei ein bekannter Broadway-Schauspieler. Sie glauben ihm nicht, engagieren ihn aber. Er spielt am Gate-Theatre und darf im gleichen Jahr auch inszenieren. Seine Debütrolle ist der Karl-Alexander von Würtemberg in "Jud Süß". Mit 24 hat er seine eigene Theatertruppe und spielt in "Henry V." nicht den jungen Prinzen Henry, sondern den alten Falstaff. Das Mercury-Theater, das er gemeinsam mit John Houseman und Joseph Cotten betreibt, liegt kommerzeill immer im Argen, genießt künstlerisch aber ein hohes Ansehen.
Früh schon verliert er das Gefühl, jung zu sein: Immer wieder auf der Bühne und im Film versteckt er sein jugendliches Gesicht hinter Bärten und Masken. Mit "Falstaff" (1965) kann Orson Welles einen seiner Wunschträume verwirklichen. Jahrelang Stück für Stück gedreht, gibt ihm Bond-Produzent Harry Saltzmann die Chance, einen ganz großen Shakespeare-Film zu drehen. Aus Versatzstücken der Königsdramen wird eine Tragikomödie großen Stils. Wie Kane und Joseph K. ist sein Falstaff ein bürgerlicher Held, doch keine tragische Figur, sondern eher listig und verschlagen, schmierig und mit jenem Minimum an Menschlichkeit, die jede wirkliche Charakterfigur auszeichnet. Er erregt nicht Mitleid, erkennt noch nicht einmal seine Schuld am Ende, wenn er für seine Schändlichkeit bezahlt.
"Im Zeichen des Bösen" (1957) heißt einer der großen Welles-Filme. Ein satanischer Falstaff im Kriminalerkostüm, mit Hängebacken und humpelndem Gang kommt er daher, korrupt und widerlich und platscht am Ende halbtot ins Wasser. Ein Verbrecher und Polizist, der sich mit hinreißendem Spiel neben Charlton Heston, Akim Tamiroff, Marlene Dietrich und Janet Leigh durch die Szene schiebt.
"F wie Fälschung" (1973/75) ist sein letzter Film: Fälschungen, Imitationen von Gemälden, von Wertstücken im Bereich der Kunst gibt es immer dort, wo Originale einen hohen Kaufwert haben. Schelmisch spielt Welles mit Dokumentarmaterial des französischen Filmers Francois Reichenbach, der ein Porträt des berühmten Kunstfälschers Elmyr de Hory gedreht hatte. Welles parodiert den Begriff des Originals, spielt selbst mit Tricks und Zauberstücken, gibt sich gleichermaßen als nüchterner Kommentator und Arrangeur und spielt schließlich mit dem Gedanken: Wie, wenn der Experte selbst ein Fälscher ist?
Orson Welles ist Original und Fälschung, ein Künstler und Fälscher, ein Taschenspieler mit Filmtricks - stets unterbezahlt, immer um seine Projekte kämpfend, ein leidenschaftlicher Spieler, Phantast, ein Maßloser bis zum letzten Atemzug und - eine der bedeutendsten Schauspieler, Autoren, Regisseure und Menschen des internationalen Kinos.
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