Catherine Breillat beschreibt den Akt des Schreibens als "die Finger sprechen lassen". Ihre Hauptthemen sind Leidenschaft und erotische Begierden. Menschliche Körper bannt sie auf sehr direkte physische Weise auf die Leinwand und entlarvt damit die Schönheit, aber auch die Gewaltsamkeit des sexuellen Akts. Ihr Regiedebüt gab Breillat 1976 mit "Ein Mädchen", ein Adaption ihres eigenen Buches "Le Sourpirail" (1974). Der Low-Budget-Film beschäftigt sich ohne Affektiertheit mit der Darstellung von Sexulaität auf der Leinwand. Ein sinnlicher, hitziger und äußerst persönlicher Blick eines von Pubertätsproblemen gebeutelten Teenagermädchens.
1979 inszenierte Breillat "Tapage Nocturne", wiederum nach ihrem eigenen Roman. Der sehr direkte Film von mondsüchtiger Schönheit folgt hautnah und in skalpellscharfen Szenen einem Reigen fleischlicher Begegnungen. Die Story dreht sich um die destruktive Leidenschaft einer jungen Frau, um ihre Liebe und Begierde. Dominique Laffin, in einer ihrer eindrücklichsten Rollen, spielte Solange, eine Frau zwischen Angst und Lust. Dass der ab 18 Jahren freigegebene Film an der Kinokasse floppte, bedeutete für Breillat eine achtjährige Pause als Regisseurin.
Mit der für sie typischen Willenskraft und unermüdlichen Energie konzentrierte sie sich 1987 auf die Realisierung ihres Projektes "Lolita 90". Sie willigte ein, ihre Geschichte erst in einem Roman zu verarbeiten, um die Bedenken ihrer Finanziers angesichts des Themas zu zerstreuen. Schließlich geht es um eine 14-Jährige, die besessen davon ist, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren und einen in den Hardcorebereich grenzenden Kreuzzug beginnt, um den richtigen Mann zu finden. Die beiden Hauptdarsteller übertrafen dann jedoch alle Erwartungen: Delphine Zentout als dickköpfige, verwirrte Lili und Etienne Chicot als leicht lächerlicher, physisch beeindruckender Macho lieferten brillante Leistungen in diesem Film ab.
1991 kam "Dirty Like An Angel" in die Kinos. Mit großer Wucht tauchte Breillat in die dunkle, schmutzige Welt des Thrillers ein und verwandelte den Film in einen grausamen, scharfsinningen Lackmustest für das Subjekt fleischlicher Begierde und die spezifische Brutalität dieses Begehrens. Die Schauspielerin Lio fasziniert als Barbara, ein langweilige, kalte Puritanerin, die sich in das Lustobjekt eines desillusionierten, harten Cops alias Claude Brasseur verwandelt. Mit der Romanze "Ein perfekte Liebe" (1996) bürstete Catherine Breillat Kinoklischees wieder einmal gegen den Strich. Denn das spröde Werk beschäftigt sich gleichermaßen mit der Zeit, in der eine Liebe entsteht und gelebt wird, wie mit der Zeit ihres Abflauens. Im Zentrum steht die Beziehung zwischen Frederique und Chris. Catherine Breillat filmt ihre Liebe und deren Sterben, zeigt, wie gegensätzliche Sehnsüchte, wie die Natur ihrer Andersartigkeit die vermeintlich Liebenden in ein ebenso folgerichtiges wie tragisches Ende treibt. Ganz so, als müsse man für den Wunsch nach einer Liebe, die stärker als Sex ist, bezahlen. Frederique-Darstellerin Isabel Renauld ist sinnlich und selbstbewusst, eine Dominatrix zu Francis Renauds Chris, einem unreifen Spieler und Angeber.
Schon seit einigen Jahren träumte Breillat, die eine große Bewunderin von Nagisa Oshimas "Im Reich der Sinne" ist, davon, einen Film zu drehen, der schrankenlos offen mit der körperlichen Seite der Liebe umgeht. Diesen Wunsch setzte sie mit "Romance" (1998), einem "oeuvre au blanc", um - mit Caroline Ducey-Trousselard als schwarzweißem Engel Marie. Diese begibt sich mit Körper und Seele auf die Suche nach körperlicher und romantischer Liebe. Mit diesem kompromisslosen, radikalen Film bestätigte Catherine Breillat ihren Ruf als außergewöhnliche, aber auch umstrittene Filmemacherin. Was sie 2001 mit "Meine Schwester" erneut unter Beweis stellte. Seit "Ein Mädchen" hat sich Breillat auf sehr direkte filmische Weise, mit Sex und körperlichen Begierden auseinandergesetzt. Ihre Filme verstehen sich nicht als gesellschaftliche Bestandsaufnahmen und sind Lichtjahre entfernt von modischen Romanzen. Ihr geht es um die fundamentalen Fragen der menschlichen Sexualität. Ihre Arbeit ist antiästhetisch: Die Qualität ihrer Filme entwickelte sich über das Körnige, das an Warhols "Lonesome Cowboys" oder den frühen Fassbinder erinnert, zu einer kalten und von starken Kontrasten geprägten Visualität, die vergleichbar ist mit David Cronenbergs "Crash" oder David Lynchs "Lost Highway". Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Auseinandersetzung mit der Liebe, den sexuellen Sehnsüchten und der Hartnäckigkeit des weiblichen Charakters, absolute Liebe bis zum bitteren Ende zu fordern. Dabei gelingt es ihr, menschliche Gefühle in ihrer widersprüchlichen Totalität filmisch auszudrücken.
Als Multitalent, das etwa auch als Schnittassistentin 1982 bei Marco Bellochios "Gli Occhi, la bocca" tätig war, hat Catherine Breillat aber auch als Schauspielerin gearbeitet. 1972 übernahm sie die Rolle der Mouchette an der Seite von Marlon Brando und Maria Schneider in Bernardo Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris". Außerdem spielte sie die Ehefrau des Blutsaugerseniors alias Christopher Lee in "Die Herren Dracula" (1977) von Eduardo Molinaro.
Darüber hinaus schrieb Catherine Breillat unter anderem die Drehbücher für Federico Fellinis "Schiff der Träume" (1984), Michel Boisronds "Catherine & Co." (1975), Maurice Pialats "Der Bulle von Paris" (1985, mit Gérard Depardieu und Sophie Marceau) sowie Ronald Chammahs "Der schwarze Milan" (1982, mit Isabelle Huppert) und Philippe Gallands "Aus Liebe zum Geld" (1992). Weitere Filme von Catherine Breillat: "Sex is Comedy" (2002), "Die letzte Mätresse" (2007), "Blaubarts jüngste Frau" (2009).