ARD-Doku

"Pornoland Deutschland": zweifelhafte Spitzenposition

12.12.2022, 08.33 Uhr
von Franziska Wenzlick

In keinem anderen Land entfällt auf Pornoseiten ein derart großer Anteil des Gesamtraffics wie in Deutschland. Auch die meisten Jugendlichen hierzulande schauen bereits entsprechende Videos im Netz – nicht ohne Risiko, wie eine ARD-Doku zeigt.

ARD
"Pornoland Deutschland – Von Süchtigen und Profiteuren"
Dokumentation • 12.12.2022 • 22:40 Uhr

78 Prozent aller Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren hierzulande sind laut einer Studie der Ludwigs-Maximilians-Universität München aus dem Jahr 2021 schon einmal mit Online-Pornografie in Berührung gekommen. Auch im Erwachsenenalter ist der Konsum weit verbreitet: Befragungen von SimilarWeb zufolge machen entsprechende Portale in Deutschland sogar 12,5 Prozent aller Webseitenaufrufe aus – mehr als in irgendeinem anderen Land weltweit.

Dass Pornografie in allen nur erdenklichen Spielarten im Netz stets einen Mausklick entfernt ist, bleibt nicht ohne Folgen: Wie die Dokumentation "Pornoland Deutschland – Von Süchtigen und Profiteuren" zeigt, steckt hinter den meist kostenfrei zugänglichen Filmen auch eine knallharte Industrie, die nicht selten von schwer erkrankten Nutzern profitiert. Denn Pornosucht, so heißt es im Beitrag von Thomas Hauswald, wird zu einem immer größeren Problem: Geschätzt seien 500.000 Menschen in Deutschland abhängig von Pornografie – Tendenz: steigend.

"Es ist eine äußerst ernstzunehmende Erkrankung, die bisher vollkommen unter dem Radar der Öffentlichkeit steht, weil sie so schambehaftet ist, dass fast niemand darüber spricht", erklärt Autor Thomas Hauswald. Besonders in jungen Jahren sei die Gefahr groß, eine Sucht zu entwickeln, vor allem dann, "wenn der Jugendliche nicht lernt, Pornografie als das zu sehen, was sie ist: ein Kunstprodukt, ein Film, der nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hat", mahnt Hauswald. Für seinen Film, der nun im Rahmen der Reihe "Story im Ersten" zu sehen ist, sprach er mit Betroffenen, begleitete Amateurdarsteller bei ihren Dreharbeiten und traf Expertinnen und Experten. Das Fazit des Filmemachers: Es mangelt vor allem an Aufklärung.

"Wie werden Pornos hergestellt? Bilden Pornos die Realität ab oder nicht? Dienen Sie als Vorbild für mein Bild als heranwachsendes Mädchen oder als heranwachsender junger Mann? Was hat Pornografie mit Liebe zu tun? Diese Fragen kann man nicht früh genug diskutieren", betont Hauswald. Dabei seien nicht nur die Schulen und das Elternhaus gefragt, sondern vor allem auch die Politik, die dem Autor zufolge "breiteste Aufklärung finanzieren sollte, weil die Folgen von zu frühem zu intensiven Pornokonsum verheerend sind und später im Erwachsenenalter nur noch schwer einzufangen sind."

Dass durch den uninformierten Konsum besonders bei jungen Menschen häufig ein falsches Bild von Sexualität entstehe, sei laut Hauswald ebenso problematisch wie die generelle Tabuisierung des Themas. "Obwohl Menschen viel und gerne Pornos schauen, empfinden sie offensichtlich so viel Scham darüber, dass sie ihrem Partner ihre Pornogewohnheiten verschweigen und damit noch tiefer in eine Spirale aus Scham, Angst, Vereinsamung und Abspaltung geraten", mahnt Hauswald.

Seine Dokumentation soll dazu beitragen, das gesellschaftliche Stigma zu reduzieren – auch, um mehr Bewusstsein für ein Krankheitsbild zu schaffen, das noch immer sehr schambehaftet ist: "Wünschenswert wäre es, wenn man über Pornosucht genauso offen reden könnte wie über Alkoholprobleme, Essstörungen oder Depressionen."

"Pornoland Deutschland – Von Süchtigen und Profiteuren" – Mo. 12.12. – ARD: 22.40 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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