"Pinocchio" war noch nie so düster und schön
Star-Regisseur Guillermo Del Toro liefert für Netflix seine eigene Interpretation des Klassikers "Pinocchio" ab. Dabei herausgekommen ist ein Meisterwerk von düsterer Magie und großer Hoffnung.
"Ich möchte euch eine Geschichte erzählen", lädt die Grille ein. "Vielleicht glaubt ihr, sie zu kennen. Aber ihr kennt sie nicht ..." – Das ist nicht zu viel versprochen: Denn so wie es Guillermo Del Toro erzählt, kennt man das Märchen von "Pinocchio" wirklich noch nicht. Oder besser nicht mehr. Der mexikanische Filmemacher präsentiert ab 9. Dezember bei Netflix eine ziemlich düstere Alternative, für die er sich auf die Original-Geschichte des italienischen Autors Carlo Collodi bezieht. Und die ist "gruseliger" und "perverser" als die bisherigen mannigfachen Verfilmungen, zuletzt etwa eine Disney-Version von Robert Zemeckis ("Der Polar-Express", "Forrest Gump").
Del Toros Pinocchio ist ein unvollkommener Holzbengel, den der Oscar-Preisträger durch einen Puppentrickfilm schickt, der oft ein Albtraum ist. Denn Pinocchio muss versuchen, im faschistischen Italien der 1930er-Jahre vom grob geschnitzten Pinien-Stück für den alten Tischler Gepetto zu einem echten Sohn zu werden. Leicht ist das nicht, wenn man nur Flausen im Kopf hat oder sich von falschen Versprechungen verführen lässt.
Das Leben ist Chaos, vor allem wenn man selbst ziemlich chaotisch ist. Das zumindest lernt Pinocchio ziemlich schnell. Und wirklich schlimm ist das nicht einmal. Denn umgekehrt gilt das auch: Chaos ist Leben. Alles ist also möglich, wenn man als Holzstück von der Blauen Fee zum Leben erweckt wird: Del Toro zeigt das mit überbordender Lebensfreude in einer Szene, in der Pinocchio wie ein Hurrikan durch Gepettos Werkstatt fegt und jedes noch so kleine Detail als Wunder begreift, dass es zu erforschen, zu umarmen und auszuprobieren gilt.
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Dass die Zeiten eigentlich ziemlich grimmig sind, schert Pinocchio wenig. Er tobt unbekümmert und frei durch eine düstere Diktatur – und führt dabei sogar Benito Mussolini höchstpersönlich vor. Das bringt ihm zwar den Tod, aber nur vorübergehend. Denn Pinocchio kann nicht sterben, er wird immer wieder ins Leben zurückgeschickt – was ihn zwangsläufig leichtsinnig macht. Pinocchio stirbt ziemlich häufig, bis er irgendwann ein echtes Opfer bringen muss.
In seinem Meisterwerk "Pans Labyrinth" hatte Del Toro eine fantastische Ebene in einen realen Spielfilm eingezogen, damit sich die Protagonistin Tod, Verzweiflung, Wut, Entmenschlichung widersetzen kann. Pinocchio hat diese Fluchtmöglichkeiten nicht: Er lebt bereits in einer in heiterer Stop-Motion-Technik und mit lustigen Nebenfiguren inszenierten Märchenwelt, die für ihn die Realität ist. Eine Realität, in der er unter anderem von einem Mussolini-Anhänger als Kindersoldat rekrutiert wird – und trotzdem über alle Grausamkeiten triumphiert.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH