ARD-Talkshow

Streit um Waffenlieferungen bei "Maischberger": "Ukraine ist sowieso verloren"

15.06.2022, 09.40 Uhr

In der ARD-Talkshow "Maischberger" kam es zu hitzigen Diskussionen. Wie sinnvoll ist Olaf Scholz' angekündigte Reise in die Ukraine? Und sollte Deutschland dem Land Waffen liefern. Vor allem zwei Gäste waren sich überhaupt nicht einig ...

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, nun doch in die Ukraine zu reisen – eine Entscheidung, über deren Nutzen und Folgen auch in den politischen Talkshows heftig diskutiert wird. Gut zu beobachten war das in der "Maischberger"-Ausgabe am Dienstagabend, in der es neben der Kanzlerreise abermals um Waffenlieferungen und den möglichen Fortgang des Krieges in der Ukraine ging. Das sorgte für Zündstoff – und einen kleinen Eklat, bei dem am Ende sogar die Moderatorin eingreifen musste.

Nachdem TV-Satiriker Oliver Kalkofe zu Beginn der ARD-Talkshow die Ankündigung Scholz' noch humorvoll kommentiert und darin "etwas von Bockigkeit" entdeckt hatte, wurde es schnell ernst: FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Politologe Johannes Varwick gerieten besonders in der Frage nach der Lieferung schwerer Waffen aneinander. "Mit Waffenlieferungen ist es weit eher möglich, Putin zu Verhandlungen zu bewegen, als ohne", erklärte die Ex-Bundesjustizministerin.

Der russische Präsident habe Kriegsziele, "von denen wir nicht wissen, wie weit sie gehen". In dem "Vernichtungskrieg", von dem die Politikerin sprach, würde die Verteidigung aktuell nicht ausreichen. Für eine Verhandlung mit Putin sieht sie momentan keinen Weg, ohne dass die Ukraine als selbstbestimmter Staat bedroht werde. "Wir sehen, dass die Ukraine, wenn sie früher mehr Waffen bekommen hätte, sich anders hätte verteidigen können", kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger.

Politikwissenschaftler Johannes Varwick von der Uni Halle hielt im hitzigen Rededuell dagegen: "Waffenlieferungen tragen nur zu einer Verlängerung des Krieges bei." Man befinde sich in einem schweren Dilemma – es sei "ein Ritt auf der Rasierklinge", so der Forscher: "Der Gedanke, mit dem Russland, wie es heute ist, einen Interessensausgleich hinzubekommen, ist sehr unpopulär, aber er ist notwendig." Man brauche eine politische Lösung, mit der auch Russland leben könne, so die Forderung Varwicks, der Konflikt müsse eingefroren werden. "Die Ukraine war von Anfang an in einer Zwischenzone", hob Varwick hervor. Der Westen habe "nicht richtig gelesen", dass dies von Russland als Sonderfall interpretiert worden sei.

Leutheusser-Schnarrenberger und Varwick geraten aneinander

Dann spitzte sich die Debatte in der Talkshow weiter zu: "Die moralische Aussage von Frau Leutheusser-Schnarrenberger und von vielen anderen, auch von den ukrainischen Verantwortlichen, dass in der Ukraine jetzt die Freiheit Europas verteidigt wird, ist falsch", sagte der Politologe und warnte: "Mit immer mehr Waffenlieferungen sind wir auf dem Schritt, Kriegspartei zu werden." Und weiter: "Wir sollten den Krieg vom Ende her denken, dann landen wir möglicherweise in einem Krieg mit Russland, und das gilt es, um fast jeden Preis zu verhindern".

"Um den Preis der Ukraine, des Bestands der Ukraine!", warf Leutheusser-Schnarrenberger warnend ein. Schon während Varwicks Ausführungen hatte die FDP-Politikerin missbilligend dreingeblickt. Varwick blieb hart: "Das ist bitter für die Ukraine, aber wir sollten aussprechen, dass wir nicht identische Interessen mit der Ukraine haben", sagte er. "Ihr Weg landet im Krieg mit Russland", kritisierte Varwick später die Kritik Leutheusser-Schnarrenbergers an Pufferzonen in der Ukraine.

Als die ehemalige Justizministerin schließlich dagegen argumentierte, einen "Frozen Konflikt" statt eines heißen Krieges anzustreben und dabei auf die Ukraine zu sprechen kam, warf Politikwissenschaftler Varwick ein: "Sie ist sowieso verloren." Nun war es an Sandra Maischberger, dazwischenzugehen: "Bei allem Respekt, aber es hören uns auch Ukrainerinnen und Ukrainer zu, das ist ein bisschen schwierig gerade", kritisierte die Moderatorin. Varwick blieb schlagfertig: "Das ist nicht schwierig, das ist die bittere Wahrheit."

Auch wenn der Streit zwischen Varwick und Leutheusser-Schnarrenberger dominierte, gaben auch die anderen Gäste ihre Meinung kund: "Wenn wir schwere Waffen liefern, dann sollten wir auch wissen, was damit passiert", warf etwa der Journalist Hajo Schumacher ein. Die Waffenlieferungen würden eng mit den Kriegszielen zusammenhängen: "Muss sie gewinnen, darf sie nicht verlieren? Sehr uneindeutig alles", so Schumacher über den deutschen Blick auf die Ukraine.

Um Olaf Scholz ging es in diesem Zusammenhang dann auch noch: Der habe "sich freiwillig und ohne Not zur Zielscheibe gemacht", urteilte der Autor über die ständige Kanzler-Kritik aus der Ukraine. "Wenn man die Pfeile so freiwillig auf sich zieht, muss man mal überlegen, ob der Satz 'Wer Führung bestellt...' nicht doch eher Stoff für den Kollegen Kalkofe ist."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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