Neue Folgen im Ersten

"Mord mit Aussicht": Eigentlich hat sich in Hengasch nicht viel verändert

08.03.2022, 08.02 Uhr
von Eric Leimann

Die Schauspieler sind andere, ansonsten erinnert beim Comeback von "Mord mit Aussicht" ziemlich viel ans Original. Der Zauber der allerersten Staffel bleibt indes unerreicht.

ARD
Mord mit Aussicht
Serie • 08.03.2022 • 20:35 Uhr

Katharina Wackernagel, Eva Bühnen und Sebastian Schwarz befinden sich ab Dienstag, 8. März, auf heikler Mission. Die drei Darsteller sollen in einer Neuauflage der Serie "Mord mit Aussicht" Caroline Peters, Meike Droste und Bjarne Mädel ersetzen. Deren Serienfiguren von der Polizeidienststelle in Hengasch, Eifel, spielten sich während der Jahre 2008 bis 2014 in die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Als Nachklapp gab es 2015 noch den Spielfilm "Ein Mord mit Aussicht". Das drohende Aus für die erfolgreiche und auch von der Kritik gefeierte Serie schleppte sich dennoch wie eine chronische Krankheit durch drei Staffeln plus Abschlussfilm. Der Cast, am lautesten: Bjarne Mädel, war zunehmend unzufrieden mit Arbeitsbedingungen und Drehbüchern. So ging man schließlich getrennte Wege. Die Fans haben es noch immer nicht verwunden.

Sieben Jahre später hat sich am Standort Hengasch nicht viel verändert. Inklusive einiger Figuren, die aus den alten Staffeln übriggeblieben sind. So wie Petra Kleinert als Heike Schäffer oder Michael Hanemann als "Ortschef" Hans Zielonka. Die provinziellen Schnarch-Sheriffs heißen nunmehr Polizeiobermeister Heino Fuss (Sebastian Schwarz) und Kommissarsanwärterin Jennifer Dinkel (Eva Bühnen). Ihre Rollenprofile ähneln jedoch wie ein Ei dem anderen den einst von Mädel und Droste verkörperten Figuren Dietmar Schäffer und Bärbel Schmied. Nur die neue Kommissarin ist etwas anders angelegt: Marie Gabler (Wackernagel) kommt zwar ebenso unfreiwillig aus der Stadt in die ländliche Einöde wie einst Sophie Haas, doch sie spielt diesen Zustand etwas trockener, ja auch ein wenig autoritärer als einst Caroline Peters. In "Hengasch, Liebernich", der ersten von sechs neuen Folgen, wird eine weibliche Leiche ausgegraben. Hat tatsächlich jemand in Hengasch still und heimlich seine Frau entsorgt?

Gelungen, aber nicht der große Wurf

Es ist alles andere als normal, eine Serie nach acht Jahre Pause fortzusetzen. Die Verlockung, an goldene Quotenzeiten anzuknüpfen, war aber wohl sehr groß. Zur Erinnerung: Auf dem Dienstag-Sendeplatz im Ersten, um 20.15 Uhr, auf dem nun auch die neuen Episoden laufen, lockten die alten Folgen in der Regel zwischen sechs und siebeneinhalb Millionen Zuschauende. Und das, nachdem die Serie bei ihrem ersten Startversuch 2008 auf einem anderen Sendeplatz (Montagabend) mit nur drei Millionen Zusehenden schon als Kritikerliebling, aber Zuschauerflop abgetan wurde. So seltsam sind bisweilen die Geschichten, die das Fernsehen selbst schreibt. Vom vorschnellen Fazit "zu gut fürs Mainstream-Publikum" wurde die Serie bald zum Sinnbild für moderne deutsche Serienkultur, vielleicht sogar zum Beweis, dass deutsches Serien-Fernsehen so innovativ, witzig und unwiderstehlich sein kann wie (sehr viel öfter) das britische oder amerikanische.

Wie sind nun die neuen Folgen zu bewerten? Gemessen an der Qualität der Staffeln zwei, drei und des abschließenden 90-Minüters ist der von Drehbuchautor Johannes Rotter ("Kehrtwende") verantwortete Relaunch gar nicht so schlecht. Die neuen Figuren wurden recht gekonnt aus den alten "geklont", ohne dass es allzu peinlich wirken würde. Auch die Geschichten funktionieren ähnlich wie früher, nämlich stets an der Grenze zwischen Krimi und Posse, mit vielen netten Details übers Landleben mit all seinen Segnungen und Flüchen.

Dass das "Humorthema" Provinz mit jeder Folge schwerer zu verkaufen ist, liegt in der Natur der Sache, denn man hat ja schon über so viele skurrile Miniaturen des Dorflebens in den alten 39 Folgen gelacht. Insofern ist der Relaunch ein angenehmer Fan-Service, aber keine aufregende Neuerfindung oder gar ein großer Wurf. War aber zugegebenermaßen schwer, so etwas zu schaffen.

Bereits die Folgen sieben bis 39 – also ein Großteil der alten Staffeln – waren nicht mehr auf jenem überragenden Erzählniveau der von "Mord mit Aussicht"-Erfinderin Marie Reiners geschriebenen ersten sechs Folgen, die tatsächlich wie ein Humor-Monolith aus dem Einerlei der deutschen TV-Komödienkultur herausragen. Insofern fällt das Urteil über die Rückkehr von "Mord mit Aussicht" gespalten aus. Die neue Serie könnte alte Fans durchaus wieder mit ins Boot holen, den Zauber des Anfangs wird man jedoch 14 Jahre nach Folge eins wohl nicht mehr spüren.

Mord mit Aussicht – Di. 08.03. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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