"Die Story im Ersten"

Vergiftete Debatten: Empörung um jeden Preis – können wir noch fair streiten?

07.03.2022, 08.32 Uhr
von Maximilian Haase

Wenn man in die Sozialen Medien schaut, begegnet einem viel Hass und Empörung. Eine ARD-Doku geht den Ursachen für die aktuelle Diskussionsunkultur auf den Grund und fragt: "Können wir noch fair streiten?"

ARD
Die Story im Ersten: Empörung um jeden Preis – können wir noch fair streiten?
Dokumentation • 07.03.2022 • 22:50 Uhr

Dass Menschen sich einig sind, erlebt man dieser Tage selten. Abgesehen von einer Sache: Einig ist man sich hierzulande darüber, dass die Gesellschaft gespalten und eine vernünftige Diskussionskultur kaum mehr möglich ist. "Können wir noch fair streiten?", fragt entsprechend die aktuelle "Story im Ersten", die schon im Titel eine "Empörung um jeden Preis" diagnostiziert. An eindrücklichen Beispielen illustriert der Film von Hans Jakob Rausch, wie zahlreiche Debatten in Deutschland mehr und mehr eskalieren – sei es online oder von Angesicht zu Angesicht. Überall lauern Shitstorms, bis hin zu Morddrohungen. Es herrscht scheinbar eine zunehmende Aggression, die seit der sogenannten Flüchtlingskrise spürbar ist und sich spätestens mit der Coronapandemie endgültig zuspitzte.

Wohin Hass und Abgrenzung führen können, zeigt die Reportage etwa am Beispiel eines Hausarztes, der eine Patientin über die Coronaimpfung aufklären wollte. Die Frau hat Angst, durch die Impfung unfruchtbar zu werden – lässt sich aber auf ein Gespräch nicht ein. Vielmehr beschwert sie sich bei der Lokalzeitung über den Arzt, von dem sie sich zur Impfung gedrängt fühle. Irgendwann berichtet auch die "Bild"-Zeitung, und der Arzt gibt zu Protokoll, keine radikalen Impfgegner in seiner Praxis behandeln zu wollen. Es folgen über 300 Mails mit Hassbotschaften und unerträglichen Morddrohungen.

Dass sich solche Aggressionen hochschaukeln, liegt auch am Hass im Netz, sagt Nicole Diekmann, die ein Buch darüber geschrieben hat. Im Film berichtet die ZDF-Journalistin, wie sie selbst in einen Shitstorm geriet. Sie glaubt: "Die Sozialen Netzwerke haben einen riesigen Anteil daran, dass unsere Debattenkultur vor die Hunde geht." Die "Story im Ersten" widmet sich auch der Frage, welche Rolle einzelne Personen dabei spielen – allen voran prominente Journalisten, die mit ihren umstrittenen Medien auf Zuspitzung und Reichweite setzen.

Die Fronten sind auch im echten Leben verhärtet

Doch der neue Drang zur Empörung hat längst auch die "echte Welt" erreicht; spaltet dort Gemeinschaften, Freundschaften und Familien. Exemplarisch dafür betrachtet die Reportage das hessische Örtchen Dannenrod, in dessen Nähe für den Ausbau einer Autobahn ein Waldstück gerodet wurde. Als Reaktion darauf besetzten mehrere "Fridays for Future"-Aktivisten den Wald – mit enormen Folgen für das Dorf. Während die einen die Aktion der jungen Klimaschützer ablehnen, bieten andere diesen sogar Hilfe an. Wie gespalten der Ort ist und wie ein solcher Streit auch Familien trennen kann, zeigt der Fall der Gasthof-Wirtin: Sie bot den Aktivistinnen und Aktivisten Schlafplätze an – derweil gibt es zu einem gleich gegenüber wohnenden Verwandten keinen Kontakt mehr.

Ob es um den Bau einer Autobahn geht oder um die Aufnahme geflüchteter Menschen, ob um den Klimawandel oder die Corona-Impfung: Immer unversöhnlicher scheinen die Ansichten zu politischen und gesellschaftlichen Fragen zu sein. Dieses Gefühl haben 65 Prozent der Deutschen, wie eine für den Film erhobene Umfrage ergab. Gut die Hälfte der Befragten meidet es aus diesem Grund auch, um des lieben Friedens willen gewisse Themen im Bekanntenkreis anzusprechen.

Doch gibt es einen Ausweg aus dem polarisierten Denken, aus der Spirale von Ablehnung, Hass und Bedrohung? "Die Story im Ersten" lässt dazu auch Experten zu Wort kommen, die mögliche Lösungen für eine Debattenkultur skizzieren, die den Namen wieder verdient. "Brücken schlagen und Grenzen setzen" – so fassen etwa Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun den Weg zusammen, wie wir einander wieder ohne Empörung und Hass begegnen könnten.

Die Story im Ersten: Empörung um jeden Preis – können wir noch fair streiten? – Mo. 07.03. – ARD: 22.50 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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