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"Dick, dicker, fettes Geld": Volkskrankheit Adipositas

von Andreas Schoettl

Immer mehr Menschen sind fettleibig. Experten sprechen von einer tickenden Zeitbombe. Doch was sind die Gründe für die Adipositas-Epidemie?

ARTE
Dick, dicker, fettes Geld
Dokumentation • 08.06.2021 • 20:15 Uhr

Ernährungsexperten, Wissenschaftler und Mediziner schlagen längst Alarm. Sie warnen sehr eindeutig vor einem gewichtigen Problem. Es könnte gewaltiger kaum sein. So heißt es bereits jetzt, dass bis 2030 die Hälfte der Weltbevölkerung übergewichtig oder fettleibig sein wird. Von der befürchteten Adipositas-Epidemie sprechen sie bereits von einer tickenden Zeitbombe. In der französischen ARTE-Dokumentation der Regisseure Thierry de Lestrade und Sylvie Gilman von 2020 bringt es Dean Schillinger vom General Hospital in San Francisco besonders drastisch auf den Punkt. Der US-amerikanische Mediziner blickt düster voraus: "Wir werden in einer Welt leben, in der jeder Dritte Diabetes hat, alle fettleibig sind und Menschen mit 40 an Schlaganfällen und Herzinfarkten sterben. Die Folgen sind eindeutig. Wenn wir nichts tun, werden unsere Gesellschaften kollabieren. Nicht nur in den USA, auch in Mexiko, Russland, China, Europa. Einfach überall!"

Doch woher kommt es, dass bereits heute zwei Milliarden Menschen, Erwachsene und Kinder, übergewichtig oder fettleibig sind? Raj Patel von der Universität Texas sagt: "Das passiert nicht durch Zauberei. Sondern das erfordert viel Arbeit. Wir müssen uns fragen, wer hier die treibenden Kräfte sind."

De Lestrades und Gilmans umfassender Film serviert einen Rundumschlag über Fehlleistungen der Ernährungsindustrie und der Politik, und er verdeutlicht, wie die Lebensmittelrevolution seit den 1980-ern neue Imperien hervorbrachte. Knallhart ausgedrückt: Sie ist hemmungslos gescheitert – mit extremen Folgen. So besitzt heute eine Handvoll multinationaler Großkonzerne praktisch alle Marken, macht 500 Milliarden Dollar Umsatz und bestimmt, was auf unsere Teller kommt. Als Geheimwaffe dient den Mächtigen der Lebensmittel der Preis. Ihre Waren sind bis zu 60 Prozent billiger als frische Produkte. Sie landen somit vor allem in den Einkaufswagen der Armen – der wichtigsten Zielgruppe und den ersten Opfern des Systems.

Aktivisten wie der US-amerikanische Geistliche Delman Coates rechnen vor, dass schlechte Ernährung mehr Menschen töte als Waffengewalt. In sein Visier gerückt sind zuckerhaltige Getränke. Er behauptet, sie machten so süchtig wie harte Drogen. Gegen Giganten wie Cola-Cola hat Coates bereits aufsehenerregende Prozesse angestrengt. Doch mithilfe gnadenloser Lobbyarbeit oder vielen Millionen an US-Dollar für Kampagnen setzten sich diese zur Wehr. Ihre Anstrengungen erinnerten an die frühen Machenschaften der Tabakindustrie.

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Im Anschluss an die Dokumentation "Dick, dicker, fettes Geld" bleibt ARTE bei Veränderungen des menschlichen Körpers und den gesellschaftlichen Auswirkungen. Im Rahmen des Themenabends "Schöne dicke Welt" zeigt der deutsch-französische Kultursender, wie vermeintlich kleine Dinge eben doch auch Großes anstoßen können: Mit einem Vorher-Nachher-Foto, das völlig unerwartet in den sozialen Netzwerken viral ging, brachte Taryn Brumfitt weltweit eine Diskussion über den Schlankheitswahn, Körperkult und den Druck, der heute auf Frauen lastet, ins Rollen. Im Dokumentarfilm "Embrace – Du bist schön" von 2016, die ab 21.40 Uhr erneut zu sehen ist, erzählt sie selbst die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte nach.

Im Film "Dick und nun?" zeigt sich die Französin Gabrielle Deydier ab 23.10 Uhr besonders mutig. Sie ist seit ihrer Jugend adipös. Jahrelang litt sie unter Beleidigungen und Diskriminierungen – bis sie beschloss, sich nicht mehr für ihr Dicksein zu entschuldigen. Denn: Es stimmt nicht, dass Fettleibigkeit von unkontrollierter Völlerei oder Willensschwäche herrührt. Einfallsreich und mit viel Humor zeigt die Dokumentation Gabrielles Kampf gegen eine dickenfeindliche Gesellschaft und räumt mit einer Reihe von Vorurteilen auf.

Eine Übersicht über Adipositas-Selbsthilfegruppen finden Sie übrigens hier.

Dick, dicker, fettes Geld – Di. 08.06. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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