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"Berlin '36": Sport, Politik und Drama

von Wolf J. Krauss

Die Hochspringerin Gretel Bergmann durfte 1936 nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen, weil sie Jüdin war. Stattdessen zauberten die Nazis Marie Ketteler aus dem Hut – eigentlich ein Mann.

3sat
Berlin '36
Drama • 09.07.2021 • 20:15 Uhr

Nicht einmal 50.000 Besucher: "Berlin 36" performte 2009 im Kino nicht gerade medaillenreif. Um einiges besser lief da schon die Free-TV-Premiere von Kaspar Heidelbachs Regiearbeit: 4,43 Millionen Zuschauer (15,5 Marktanteil) erreichte der Film im Juli 2012 und bescherte dem Ersten damals den Quotensieg. Nun, genau zwei Wochen vor dem Start der Olympischen Spiele in Tokio, wiederholt 3sat das Drama erneut.

"Berlin 36" erzählt aus einem wahren Leben: dem der Hochspringerin Gretel Bergmann, die an den Olympischen Spielen 1936 hätte teilnehmen müssen. Um Sport und Olympia geht es bei der berührenden, aber leider mitunter übertrieben sentimentalen Geschichte allerdings nur am Rande.

Es lief nicht rund für Adolf Hitler, als er seine arischen Träume verwirklichen wollte. Denn die Amerikaner drohten ganz offen mit einem Boykott "seiner" Olympischen Spiele, sollten im deutschen Kader keine jüdischen Sportler vertreten sein. Die Verantwortlichen sind hin- und hergerissen. Einerseits würde Gretel Bergmann (Karoline Herfurth), die überragende Springerin ihrer Zeit, wahrscheinlich Gold holen. Andererseits ist sie Jüdin.

Endlich findet der Reichssportführer eine Alternative. Er zaubert eine Marie Ketteler (Sebastian Urzendowsky) aus dem Hut, ein Mädchen mit sensationellen Leistungen. Dass das Geschlecht nicht stimmt, dass Marie ein Junge ist und von ihrer verzweifelten Mutter als Mädchen aufgezogen wurde, lassen die Verantwortlichen außen vor. Hauptsache, man kann bei Olympia auf die Jüdin Gretel verzichten.

Es ist der umgängliche Axel Prahl als Trainer Hans Waldmann und es sind natürlich Sebastian Urzendowsky und Karoline Herfurth, die diese Leidensgeschichte aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportieren. Die bekannten Gesichter geben der Ungerechtigkeit von damals einen allgemeingültigen Bezug zur Gegenwart. Dies entstaubt das in blassen Farben gehaltene Drama auf angenehme Weise. Andererseits will Heidelbach konservativer als in seinem "Wunder von Lengede" (2003) auf sehr direkte Art sein Publikum bewegen. Wann immer eine wichtige Regung, ein Wendepunkt passiert, übertreibt die Musik maßlos, zoomt die Kamera heran und erklärt mit einer Detailaufnahme, was gerade gemeint ist.

Berlin '36 – Fr. 09.07. – 3sat: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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