Sonntag am Tatort

"Waldlust": Wenn Tatort-Veteranen blass werden

04.03.2018, 18.58 Uhr
von Florian Blaschke
Makaber: der Tatort "Waldlust".
BILDERGALERIE
Makaber: der Tatort "Waldlust".  Fotoquelle: SWR/Martin Furch

Die besten Tage des Lorenzhofs, einem alten Hotel mitten im Schwarzwald, sind definitiv vorbei. Das hat der Hof mit seinem Besitzer gemein, wie es scheint, denn Bert Lorenz (Heiko Pinkowski) sitzt in Ludwigshafen im Kommissariat und wird von Johanna Stern (Lisa Bitter) verhört. Kleinlaut wirkt er auf den ersten Blick, aber auch wütend. Und Stern, die wirkt verbittert. Eine Kollegin habe Lorenz angeschossen. Ob sie überlebt hat? Die Polizistin schweigt.

Rückblende. Drei Wochen vorher. Nach dem Ausscheiden von Mario Kopper aus dem Polizeidienst macht sich die Kripo Ludwigshafen geschlossen auf den Weg zu einem Coaching-Seminar mit Team-Trainer Simon Fröhlich (Peter Trabner), um wieder in die Spur zu finden. Ihr Ziel: der Lorenzhof. Ganz geheuer aber ist Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Johanna Stern, Peter Becker (Peter Espeloer) und Edith Keller (Annalena Schmidt) das Ganze nicht, und das liegt nicht nur am unbequemen Thema ihres Coachings. Der ganze Hof wirkt abstrus bis in den letzten Winkel. Lorenz Nichte Dorothee (Eva Bay) versucht regelmäßig sich selbst zu verletzen – und mit den beiden lebt auch noch eine alte Filmdiva auf dem ehemals als Kulisse und von der High Society geschätzten Gehöft: Lilo Viadot (Ruth Bickelhaupt).

Die Stimmung also ist ohnehin schon im Keller, wobei wir uns ein Wortspiel mit all den Sonderlichkeiten, die sich im Untergeschoss dieses Lorenzhofs abspielen, an dieser Stelle verkneifen. Es dauert jedenfalls nicht lange, bis die Lage eskaliert. Daran beteiligt: das Polizistenpärchen Jörn und Elli Brunner (Jürgen Maurer und Christina Grosse), ein lange zurückliegender Doppelmord und ein menschlicher Fingerknochen. Den findet ausgerechnet Team-Trainer Fröhlich in seinem Essen. Dabei sollte das doch vegetarisch sein. Und dann zieht auch noch ein Schneesturm auf und schneidet den Lorenzhof von der Außenwelt ab ...

Imposantes Fernsehstück

Der Ludwigshafener Tatort mag Experimente. Erst "Babbeldasch", der erste Improvisations-Tatort mit reichlich Mundart, jetzt "Waldlust". Es ist ein Krimi, der wirkt, als habe jemand zu viel Hitchcock geguckt, ein intimes Kammerspiel in mehreren Akten, gedreht auf engstem Raum und mit etlichen makabren Einfällen. Dazu kommt, dass das Drehbuch von Sönke Andresen völlig auf Dialoge verzichtet hat. Dass daraus dennoch ein solch imposantes Fernsehstück geworden ist, nötigt einem dann doch Respekt ab.

Dazu kommt die Musik, und auch die hat es in sich: Auf Grundlage nämlich jenes Drehbuchs hat Martina Eisenreich eine viersätzige Tatort-Symphonie für großes Orchester geschrieben, die schon die Dreharbeiten begleitet hat und von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz eingespielt wurde. Sie wirkt an vielen Stellen derart überzeichnet, dass auch "Waldlust" fast schon ein Kunstprojekt ist, szenenweise Parodie, szenenweise aber auch großes Kino.

Das genaue Gegenteil dieser ganzen Inszenierung ist die oft dokumentarisch wirkende Kamera. Sie begleitet die Darsteller mal ganz beiläufig, in anderen Szenen aber ist sie beinahe der Hauptakteur. Und ein ähnliches Ungleichgewicht leistet sich dieser Tatort auch im Cast. Neben Peter Trabner, Christina Grosse und vor allem einer atemberaubenden Eva Bay wirken selbst das altgediente Ludwigshafener Tatort-Ensemble manchmal etwas blass. Dafür inszeniert Regisseur Axel Ranisch auf diesem Lorenzhof ein Psychodrama erster Güte – ein reichlich blutiges noch dazu.

Reif für den Deutschen Fernsehpreis

Aber apropos Babbeldasch. Weit weg vom Theater ist "Waldlust" insgesamt nicht. Selbst Odenthal hält das Ganze für ein morbides Krimidinner, inszeniert, um das Ermittler-Team aufzurütteln und dem Coaching einen ganz besonderen Pfiff zu geben. Allein das schon wäre ein prima Einfall für einen Sonntagabendkrimi gewesen. Doch das Drehbuch, Dialoge hin oder her, hat sich deutlich mehr einfallen, lassen – und wäre damit reif für den Deutschen Fernsehpreis.

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