Lisa und Lena Mantler: "Ein Idol zu sein, ist gefährlich"
Im ARD-Drama "Was wir wussten – Risiko Pille" (Mittwoch, 23. Oktober, 20. 15 Uhr) geben die beiden 17-jährigen Social Media-Stars Lena und Lisa Mantler ihr Schauspieldebüt. Im Interview räumen sie mit Missverständnissen über "Influencer" auf und beklagen zu wenig Verantwortung im Netz.
Die 17-jährigen Zwillinge Lena und Lisa Mantler leben einen Traum, den heute viele Jugendliche träumen. Mit 15 Millionen Followern bei Instagram und einer eigenen YouTube-Show gehören die an Mode, Schauspiel und Musik interessierten Teenager aus der schwäbischen Provinz zu den bekanntesten deutschen Social Media-Stars. Im TV-Drama "Was wir wussten – Risiko Pille" (Mittwoch, 23. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) spielen sie nun in ihrer ersten Filmrolle: Influencerinnen, die von der Pharmaindustrie für eine Kampagne "mit Blick auf die junge Zielgruppe" eingespannt werden. Im Interview sprechen die Zwillingsschwestern über ihren eigenen Weg, sie erklären, warum Influencer "funktionieren" und wovor man Jugendliche dringend warnen muss.
prisma: Sie haben viele Millionen Follower im Internet, aber das alte Medium Fernsehen ist etwas Neues für Sie. Wie kam es zu der Rolle?
Lisa: Wir bekamen die Anfrage und wollten das unbedingt machen. Der Film macht eine Aussage, hinter der wir absolut stehen. Da passt einfach alles.
prisma: Sie spielen YouTuberinnen, die jungen Mädchen im Auftrag der Pharmaindustrie zu einer neuen Anti-Babypille raten sollen. Würden Sie sich selbst als Influencer bezeichnen?
Lena: Wir sind Influencer, machen das aber nicht als Beruf. Klar, wir beeinflussen Leute, allerdings nicht willentlich oder für Geld. Wir machen eigentlich keine Werbung.
prisma: Also sind nicht alle Social Media-Stars gleichzeitig Influencer?
Lisa: Nein, wir haben Respekt vor Leuten, die über ihre Kanäle Werbung verbreiten. Aber – das wollten wir nie. Unser Ding ist Schauspiel, Mode, Musik. Wir haben jetzt eine Show auf YouTube. Da interviewen wir Künstler, denken uns Challenges aus. Solche Dinge. Und wir sind bei Instagram. Natürlich nutzen wir unsere Bekanntheit, um Erfahrungen weiterzugeben – vor allem an jüngere Mädchen. Aber wir wollen damit kein Geld verdienen.
prisma: Sie spielen jetzt Ihre erste Filmrolle – wie geht es danach weiter?
Lena: Wir kommen aus einem kleinen schwäbischen Dorf. Schauspielerinnen zu werden, war schon immer unser Traum. So wie viele Jungs Fußballprofis werden wollen. Es ist natürlich krass, dass da jetzt eine echte Chance besteht, unseren Traum zu verwirklichen. Wir schauen einfach, was wir als nächstes machen werden und planen auch ein eigenes Projekt. Es ist allerdings noch viel zu früh, um darüber zu reden.
prisma: Warum funktioniert das Modell Influencer, wenn doch die Jugendlichen wissen: Da bekommt jemand Geld dafür, dass er oder sie bestimmte Produkte gut findet?
Lisa: Die Frage ist relativ schwer zu beantworten. Ich glaube, zum einen ist es die Expertise, die man den Leuten zuschreibt. Wenn jemand im Netz bekannt dafür ist, sich mit Beauty-Produkten auszukennen, glaubt man der Person einfach bestimmte Tipps. Selbst, wenn man annehmen kann, dass sie oder er dafür auch etwas von der Industrie bekommt. Außerdem verdienen viele Infuencer auch nichts oder nur sehr wenig direkt über die Industrie, glaube ich.
prisma: Ist die Tatsache, dass die Jugendlichen ihre Social Media Stars anhimmeln, sehr viel wichtiger, als deren tatsächliche Glaubwürdigkeit?
Lena: Wir Social Media Stars werden von vielen Fans oder Followern auf jeden Fall mehr in den Himmel gehoben, als es angebracht wäre. Viele denken: Wir haben das perfekte Leben. Dabei wissen die meisten nicht, dass wir richtig arbeiten, dass wir diszipliniert sein müssen – und sich der Verdienst auch ziemlich in Grenzen hält.
Lisa: Weil sie die Stars so überhöhen, glauben viele Fans, sie müssten alles genauso machen wie ihre Idole. Damit sie ebenso viel Erfolg und ein genauso tolles Leben haben. Leider sind viele Jugendliche in ihrer Selbstfindungsphase für solche Gedanken anfällig. Ich kann nur sagen: Mädels, Jungs – findet euren eigenen Weg. Etwas nachzumachen, bringt überhaupt nichts!
prisma: Sind jetzt 17 Jahre alt – und völlig immun gegen solche Gedanken?
Lena: Nein, natürlich nicht. Deshalb verstehen wir ja auch die Fans. Wir warnen aber eben auch vor dieser Falle. Viele Fans glauben instinktiv: Wenn ich alles genauso mache, wie die Person, die ich verehre, dann werde ich zu dieser Person. Es klingt bescheuert, aber so funktioniert es. Man muss das erkennen und dann mit dem Älterwerden Stück für Stück aus diesem Denken rauswachsen.
prisma: Im ARD-Film promoten die Social Media-Zwillinge, die Sie beiden spielen, ein neues Pharma-Produkt. Dann müssen sie erkennen: Die Pille ist eventuell gefährlich ...
Lisa: Genau. Und dann handeln die Rollen, die wir spielen, auch entsprechend. Für mich ist das eine klare Sache. Man hat gegenüber den jungen und sehr jungen Leuten, die einem folgen, eine große Verantwortung. Der müssen wir gerecht werden. Aber das muss man in unserer Position auch klipp und klar so sagen. Jeder, der so etwas macht wie wir, hat eine hohe Verantwortung. Man kann sich nicht aus dieser Verantwortung stehlen.
prisma: Wie verantwortungsvoll ist die Influencer-Szene?
Lena: Das können wir in der Breite nicht beurteilen. Jeder, der ein Produkt bewirbt, muss wirklich mit voller Überzeugung dahinter stehen. Ansonsten ist es Betrug. Ich finde, man muss sich sehr genau anschauen, was man da bewirbt. Aber ich weiß nicht, ob das alle Influencer genau so sehen ...
prisma: Was sorgt für eine hohe Glaubwürdigkeit bei Influencern?
Lisa: Wenn jemand ein Produkt wirklich konstant im Alltag benutzt, dann schafft das Glaubwürdigkeit. Wer aber jeden Tag eine neue Teesorte promotet, macht sich der Werbung verdächtig. Die Jugendlichen sind nicht blöd. Sie haben schon ein Gespür dafür, zwischen Werbung und echter Begeisterung zu unterscheiden.
prisma: Sie sind durch die Plattform musical.ly bekannt geworden, die heute TikTok heißt. Allerdings haben Sie Ihren Account dort gelöscht. Warum?
Lena: Als TikTok musical.ly übernommen hat, haben sich auch die Sicherheitsbestimmungen geändert. Unserer Meinung nach, ist alles deutlich unsicherer geworden. Auf TikTok posten viele sehr junge User Videos von sich, so wie wir das auch getan haben. Wir standen einfach nicht mehr hinter dem Prinzip und der Idee der Plattform, deshalb haben wir uns von ihr verabschiedet.
Lisa: Viele Eltern dachten, TikTok sei sicherer als Instagram. Viele Mädels tanzen da rum und zeigen zu viel Haut. Wir wollten keine TikToker mehr sein, die genau das promoten.
prisma: Wie wird man seiner Rolle als Vorbild und Idol eigentlich gerecht?
Lena: Zunächst mal wollen wir keine Idole sein, sondern nur Vorbilder und Inspirationsquelle. Ein Idol zu sein, ist gefährlich. Weil die Fans einfach alles so machen wollen, wie man selbst. Das finden wir nicht gut. Ich glaube, dass wir eine recht gute Erziehung zu Hause mitbekommen haben. Deshalb übernehmen wir auch Verantwortung. Mit TikTok und den Tanzvideos aufzuhören, war ein Teil dieser Verantwortung. Wir achteten auch immer darauf, dass wir hinter dem Text der Lieder stehen können, der in jenen Hits, zu denen wir Videos machten, gesungen wird. Ein cooler Beat reicht nicht aus, wenn der Text einen zweifelhaften Inhalt hat. Wir achteten auch immer darauf, dass wir nicht zu viel Haut zeigen.
prisma: Warum haben ausgerechnet Lisa und Lena so viele Follower?
Lisa: Wir wissen es nicht. Sicher, das Zwillings-Ding fasziniert die Menschen. Doch es gibt auch andere Zwillinge, die im Netz aktiv sind. Ich schätze, wir hatten einfach Glück. Wir waren 13, als wir unser erstes musical.ly-Video drehten. Das war "I Hate You, I Love You" von Gnash. Eine Seite, die 100.000 Follower hatte, fand unser Video "repostete" es. Das war der Anfang, dann ging alles sehr schnell – und immer weiter nach oben.
prisma: Warum sind viele junge Menschen so fasziniert von Zwillingen?
Lena: Ich glaube, alles, was man nicht hat, findet man interessant. Man ist wahrscheinlich fasziniert von der Idee, dass da jemand ist, der so ist wie man selbst – und alles, was man erlebt, teilt. Das wünschen sich viele Kids. Wer aber keinen Zwilling hat, sieht oft nicht das Negative. Wir vergleichen uns viel zu oft. Meine größte Konkurrentin ist diese Person hier neben mir (lacht). Wir sehen uns sehr ähnlich, wir werden von allen Menschen verglichen, wir vergleichen uns selbst. Das kann auch ganz schön anstrengend sein. Kein fragt mich: Wie geht es dir? Alle fragen: Wie geht es euch? Das kann auch ziemlich nerven ...
Lisa: Gleichzeitig ist es aber auch toll. Man hat einfach jemandem, der einem sehr nahe steht. Mit dem Zwillingsein ist es wie mit dem Social Media-Starwesen. Es ist nicht alles immer so toll, wie es von außen aussieht. Dennoch wollen wir beiden sicher nicht ohne die andere sein. Zumindest nicht wirklich lange (lacht).
prisma: Sie haben die Schule der Karriere wegen nach der 9. Klasse beendet. Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?
Lena: Es war sicher keine einfache Entscheidung, trotzdem sagten wir uns: Wir sehen jetzt so viele Möglichkeiten, Dinge ins Rollen zu bringen. Aber eben vielleicht nur jetzt. Man kann ja alle Ausbildungen nachholen, wenn Träume und Pläne nicht in Erfüllung gehen sollten. Aber jetzt machen wir erst mal hauptberuflich unser Ding: Schauspiel-Training, unsere Show, Instagram pflegen, Mails beantworten, wir führen unsere eigene Modemarke. Damit kann man locker einen Tag ausfüllen.
Lisa: Es ist schon ein wenig komisch, wenn man mit 17 plötzlich selbständig ist. Wenn man ganz allein darüber entscheidet, was heute an Arbeit ansteht. Natürlich gibt es auch mal Tage, da haben wir wenig Bock und wollen lieber faul sein. Doch wir arbeiten daran, einen strukturierten Arbeitstag durchzuziehen. Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Und wir wohnen ja auch noch zu Hause. Die Eltern sind also auch noch da ... (lacht).
Quelle: teleschau – der Mediendienst