Birgit Schrowange im Interview

"Mich wird man nicht vor laufender Kamera aus dem Studio tragen müssen"

von Frank Rauscher

Seit fast 40 Jahren ist Birgit Schrowange beim Fernsehen, seit 25 Jahren moderiert sie "EXTRA – Das RTL Magazin". Eine Karriere, die sie sich durch Frechheit ermöglichte und auf die sie "schon ein bisschen stolz" ist. Im Interview spricht sie über das Älterwerden, ihr spätes Liebesglück und den Hype um graue Haare.

"Mich wird man nicht vor laufender Kamera aus dem Studio tragen müssen, weil ich an meinem Stuhl klebe", sagt Birgit Schrowange bestimmt, aber charmant wie eh und je. "Ich werde kein weiblicher Johannes Heesters, sondern eine coole alte Lady." Aber, keine Sorge, noch ist vom Altenteil keine Rede. Am Montag, 14. Oktober (22.15 Uhr), wird erst mal das 25-Jahre-Jubiläum ihrer Sendung "EXTRA – Das RTL Magazin" gefeiert. Man sieht sie ihr ohnehin nicht an, die fast vier Jahrzehnte, die Birgit Schrowange nun schon da ist, wo sie einst als junges Mädchen hinwollte: im Fernsehen, vor der Kamera. Nach Anfängen beim WDR und einem Jahrzehnt als Ansagerin beim ZDF, ließ sie sich von Privatfernsehvisionär Helmut Thoma vor 29 Jahren zu RTL locken, wo sie seit der ersten Sendung im Oktober 1994 Moderatorin und das Gesicht des beliebten Wochenmagazins ist. Ihr Name und ihr Gesicht stehen synonym für die positiven Seiten des Privatfernsehens in Deutschland.

prisma: Frau Schrowange, herzlichen Glückwunsch! 25 Jahre als Moderatorin ein- und desselben Magazins – das ist im schnelllebigen Fernsehgeschäft eine Ewigkeit.

Birgit Schrowange: Vielen Dank, mir wird selber angst und bange, wenn ich daran denke. Und vor allem: Noch mal 25 Jahre, dann wäre ich 86 – oh weh (lacht). Aber dann bin ich garantiert nicht mehr beim Fernsehen, Ehrenwort! Ganz im Ernst: Ich frage mich manches Mal, wie ich das nur geschafft habe. Ein Vierteljahrhundert Fernsehen, ein Vierteljahrhundert stabil auf Sendung, das ist eine Hausmarke.

prisma: Also: Wie haben Sie das geschafft?

Schrowange: Keine Ahnung, mit Beharrlichkeit wohl vor allem: Ich habe immer durchmoderiert, war seltenst krank, habe mich kaum vertreten lassen. Ich bin ganz schön zäh, wenn ich mir's recht überlege.

prisma: Haben Sie den Biss in all den Jahren nie verloren?

Schrowange: Nein, ehrlich nicht – nicht den Biss und auch nicht den Spaß. Ganz wesentlich ist, dass RTL an seinen Leuten, auch an seinen Gesichtern, festhält. Die Tatsache, dass man älter wird, sorgt nicht wie anderswo automatisch dafür, dass man vom Sender genommen wird. Es gibt von Peter Klöppel bis Ulrike von der Groeben bei uns eine ganze Reihe Moderatorinnen und Moderatoren, die gemeinsam mit den Zuschauern gealtert sind. Da kann man nur dankbar sein.

prisma: Können Sie sich an Ihre erste "EXTRA"-Sendung im Oktober 1994 erinnern?

Schrowange: Ziemlich genau: Ich trug einen schwarzen Hosenanzug und hatte dunkle, lange Haare mit grauen Strähnen ... Und ich war wahnsinnig aufgeregt. Bilder, die man in der Jubiläumssendung noch einmal sehen wird.

prisma: Werden Sie da auch etwas wehmütig?

Schrowange: Ja, total – weil mir die eigene Vergänglichkeit vor Augen geführt wird (lacht). – Natürlich berührt mich das, aber vor allem, weil der Anfang so aufregend war und ich einfach eine wahnsinnig gute Zeit bei RTL hatte.

prisma: Wie war es damals?

Schrowange: Es herrschte Aufbruchsstimmung bei RTL. Wir konnten voll durchstarten, im Grunde tun und lassen, was wir wollten: Es war genug Geld da, die Quoten waren phänomenal, wir waren frei. Es wurde viel gearbeitet – und es wurde viel gefeiert, und in jedem Großraumbüro wurde natürlich ordentlich geraucht, ab und an stand auch ein Piccolöchen auf dem Tisch. Das war schon eine ganz spezielle Atmosphäre in den Redaktionen, und ich habe das voll miterleben dürfen. Aber das ist vorbei.

prisma: Wie ist es heute?

Schrowange: Immer noch schön, aber anders. Die Strukturen haben sich verändert. Wir lassen es nicht mehr ganz so sehr krachen wir damals.

prisma: Denken Sie, dem TV-Geschäft ist die Sinnlichkeit abhandengekommen?

Schrowange: Vielleicht. Ich wünsche den Jungen jedenfalls manchmal ein bisschen mehr Unbeschwertheit. Aber sie haben es auch wahnsinnig schwer – die sind ja alle geprägt von diesem jahrelangen "Generation Praktikum"-Wahnsinn. Ich würde nicht mit ihnen tauschen wollen. Es sind einfach andere Zeiten.

prisma: Im vergangen Jahr wurden Sie 60 – die Jubiläen häufen sich, wenn man älter wird ...

Schrowange: Ja, schlimm nicht? Die Sechs vorne dran macht mich schon ein bisschen nervös, gebe ich zu. Aber ich bin gesund, fühle mich gut, mir tut nichts weh.

prisma: Sie sagten einmal, dass jede Lebensphase Ihre schönen Seiten habe. Wie ist es mit 60-plus?

Schrowange: Das Schöne am Altern ist, dass sich eine Gelassenheit einstellt: Die Rush-Hour ist vorbei. Ich habe das Gefühl, die Pflicht des Lebens ist getan, jetzt kommt die Kür. Studien belegen: Das Glücksgefühl wird ab 60 immer intensiver. Dem kann ich nur beipflichten. Was ich aber zugeben muss: Die Endlichkeit, das Unvermeidliche, das sich jetzt von der anderen Seite nähert, wird einem schon immer deutlicher bewusst. Es ist nun mal so: Ich habe mehr als die Hälfte meiner Wegstrecke hinter mich gebracht, jetzt kommt wohl das letzte Drittel – ein komisches Gefühl.

prisma: Hilft einem die Reife des Alters auch bei der Liebe?

Schrowange: Auf jeden Fall. Man weiß einfach, was man will – schließlich hat man einiges an Erfahrungen gesammelt, schleppt vielleicht einen ganzen Rucksack mit sich herum. Damit muss man in der Partnerschaft natürlich auch erst mal klarkommen. Ich habe jedenfalls immer gesagt: Wenn ich mich nochmals binde, dann wird das kein Kompromiss sein – ganz oder gar nicht. Wenn man also, wie ich mit Ende 50, relativ spät jemanden findet, der zu einem passt, ist das ein ganz besonderes Glück. Das Glück besteht ja schon darin, dass man dank einer gewissen Reife überhaupt erst in der Lage ist, zu erkennen, wie gut einem der Partner tut. Ich bin sehr glücklich mit Frank (Spothelfer, 54, d. Red.) und hoffe, das bleibt auch die nächsten 30, 40 Jahre so (lacht).

prisma: War Ihre Prominenz beim Kennenlernen ein Problem?

Schrowange: Nein, denn das Lustige ist: Er kannte mich gar nicht. Als wir uns auf der AIDA kennenlernten, war ich für ihn einfach nur eine Frau, die er interessant fand. Als ihn seine Tochter nach dem ersten Date darauf hinwies, mit wem er es zu tun hat, hat er mich natürlich gegoogelt. Er stöhnte damals schon: "Oh Gott, wen habe ich denn da kennengelernt!" – Aber da war es schon zu spät – es ging ziemlich schnell bei uns jungen Leuten (lacht). Ich fand es super, dass er mich nicht kannte, denn er näherte sich mir total unvoreingenommen. Er hatte nicht das Bild von der Fernsehmoderatorin, die jeder kennt, im Kopf. Wir flirteten wie ganz normale Verliebte – ein wahrer Jungbrunnen (lacht).

prisma: Hält einen auch die Arbeit beim Fernsehen jung?

Schrowange: Ich glaube schon. Gerade in der Moderation: Man muss diszipliniert sein, man muss auf sein Äußeres, seinen Auftritt achten. Man ist ja auch eitel vor der Kamera. Es ist aber auch meine Freiberuflichkeit, die jung hält: Ich habe eine eigene Zeitschrift, arbeite als Autorin, als Markenbotschafterin für Adler und Basica, bin sozial engagiert und moderiere bei verschiedenste Galas – außerdem singe ich immer noch ein wenig. Bei dem Pensum kommst du nicht dazu, alt zu werden. Ansonsten muss man natürlich etwas tun – ich ernähre mich gesund, mache viel Sport, Krafttraining, das mit den Jahren immer wichtiger wird. Und man muss einfach zu sich stehen, mit sich im Reinen sein. Jünger werden wir nun mal nicht.

prisma: Das Grau steht Ihnen übrigens nach wie vor sehr gut!

Schrowange: Dankeschön. Aber ich möchte das gar nicht mehr thematisieren. Dieser Hype, nachdem ich vor zwei Jahren beschlossen hatte, meine Haare nicht mehr zu färben, hat mich ehrlich gesagt genervt. Ich bin doch nur eine Frau um die 60 mit einer grauen Kurzhaarfrisur. Wo bitte ist das Thema?

prisma: Es wurde gemeinhin als mutiger Schritt gewürdigt ...

Schrowange: Ja. Aber ist denn Peter Klöppel mutig, wenn er grau vor die Kamera tritt? Da redet doch auch kein Mensch drüber. Ich weiß, dass mich viele Medien damals als positives Beispiel hinstellten – aber genau dieser Bohei, dieses Überhöhen, ist der Punkt: Ich hatte einfach keine Lust mehr zu färben, mehr war da nicht. Und jetzt fühle ich mich immer noch sehr gut damit.

prisma: Sie bekommen auch auf Facebook oder Instagram immer noch viel Zuspruch dafür...

Schrowange: Ja, ist natürlich in Ordnung. Ich finde ja auch, es steht mir. Und nur das zählt: wie ich mich fühle. Dass hat sicher mit der grundsätzlichen Lebenseinstellung zu tun: Ich versuche nicht, krampfhaft einem bestimmten Bild zu entsprechen. Großes Frauenproblem, glauben Sie mir!

prisma: Abgesehen von Frisur und Kleidung: Hat sich Ihr Moderationsstil in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Schrowange: Früher moderierte ich strenger, ich hatte mir eine gewisse Seriosität verordnet. Heute bin ich lockerer, sicher authentischer. Aber "EXTRA" ist auch nicht unbedingt das Format, um seine Persönlichkeit komplett auszuleben. Es geht ja um die Inhalte, und da haben wir uns immer wieder modernisiert und manchen Umbruch vollzogen. Man kann sich bei RTL immer wieder neu erfinden. Das macht Spaß. Vielleicht ist das auch ein Erfolgsgeheimnis: dass es für mich als Moderatorin und Reporterin nie langweilig wurde.

prisma: Die Quoten sind stabil. Warum kommt Ihr Magazin nach all den Jahren immer noch gut an?

Schrowange: Die Ernsthaftigkeit, das Engagement aber auch der Mut der Kollegen sind entscheidend für unseren Erfolg. Wir haben vor großen Namen keine Angst, und wir nehmen uns immer wieder Zeit, mit längeren Beiträgen in die Tiefe zu gehen, an Themen dranzubleiben. Außerdem: Wir sind das Original. Als wir vor 25 Jahren mit unseren Verbraucherstorys anfingen, kannte man so etwas noch nicht. Später wurden wir oft kopiert, aber nie erreicht – weil wir uns stetig weiterentwickelt haben. Gefragt sind heute besonders die ernsthaften investigativen Themen, bei denen sich durch unsere Berichterstattung etwas bewegt.

prisma: Wie gehen Sie eigentlich Ihren Job als Editor at Large bei Ihrem vor gut einem Jahr gelaunchten Printmagazin "Birgit" an?

Schrowange: Mit genau derselben normalen Professionalität wie ich Fernsehen mache. Alles geht über meinen Tisch, ich nehme alles ab. Ich bin in Redaktionskonferenzen, entscheide mit über Themen und mache selbst Geschichten. In der nächsten Ausgabe findet sich ein großes Interview, das ich mit Jenny Jürgens auf Mallorca führte. Es ist schon viel Arbeit, weil wir elfmal im Jahr erscheinen wollen, aber eben auch sehr spannend, weil Print für mich absolutes Neuland war.

prisma: Wie lange wird es Print und lineares Fernsehen noch geben?

Schrowange: Für immer. Ich bin fest überzeugt davon, dass es immer Menschen geben wird, die ein Bedürfnis nach beidem haben: Nach handfesten Geschichten zum Lesen und nach Fernsehen mit festen Ritualen und Sendeplätzen. Sicher, mein Sohn mit seinen 19 Jahren ist gerade für beides absolut nicht empfänglich, der schaut YouTube. Aber die Menschen werden ja älter und verändern ihre Ansprüche. Ich kenne so viele Leute aus meiner Altersgruppe, die mit Hingabe Magazine lesen und am Montag, punkt 22.15 Uhr, "EXTRA – Das RTL-Magazin" einschalten.

prisma: Stimmt es eigentlich, dass Sie schon als Teenager beschlossen hatten, zum Fernsehen zu gehen?

Schrowange: Das ist richtig. Mein Mädchentraum war das Fernsehen, auch wenn ich erst mal Rechtsanwalts- und Notargehilfin lernte. Es war eben ein Hirngespinst, aber manchmal kommen die weiter, die spinnen (lacht). Also marschierte ich vor beinahe 40 Jahren zum WDR und sagte: "Ich gehe hier nicht eher weg, bis ihr mir einen Job gegeben habt – und wenn ich in der Kantine arbeite." Frechheit siegt! Ich habe das jedem gesagt: "Ich will Fernsehansagerin werden!" Beim WDR haben sie mich am Anfang auch erst vorne rausgeschmissen, und ich bin hinten wieder reinmarschiert (lacht). Angefangen habe ich als Stenokontoristin, und dann ist eine Karriere daraus geworden, auf die ich schon ein bisschen stolz bin.

prisma: Am Samstag, 19. Oktober, sind Sie im SWR-Dritten in ungewohnter Rolle zu sehen ...

Schrowange: (lacht) Ja, ich singe in der Sendung "Schlager-Spaß mit Andy Borg" ein Duett mit dem Gastgeber. Vielleicht rümpfen einige wie schon bei meinen immerhin drei Auftritten bei Florian Silbereisen die Nase, weil ich nach wie vor nicht die beste Sängerin bin, aber ich find's klasse. Auch das gehört zum Älterwerden: dass man einfach mal darauf pfeift, was die anderen denken, sondern das macht, worauf man Lust hat. Es war ein Riesenspaß, und ich würde es sofort wieder machen, wenn Andy Borg mich noch mal fragt.

prisma: Wie lange reicht die Lust noch fürs Fernsehen?

Schrowange: Schauen wir mal. Feststeht, dass ich den Zeitpunkt meines Abschieds selbst bestimmen werde. Mich wird man nicht vor laufender Kamera aus dem Studio tragen müssen, weil ich an meinem Stuhl klebe. Ich werde kein weiblicher Johannes Heesters, sondern eine coole alte Lady.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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