03.09.2024 Schauspielerin im Interview mit prisma

"Alle nicht ganz dicht"-Star Ulrike Kriener: "Altwerden macht mir keine Sorgen“

Ulrike Kriener spielt „die rote Barbara“.
Ulrike Kriener spielt „die rote Barbara“. Fotoquelle: Foto: Boris Laewen/ZDF

Ulrike Krieners neuer Film „Alle nicht ganz dicht“, der am 26. September, ab 20.15 Uhr im ZDF läuft, befasst sich satirisch mit dem Generationenkonflikt in der Arbeitswelt. Mit prisma hat sie über ihre Rolle und das Alter gesprochen.

Barbara Lucke war Jahrzehnte lang die „Jeanne d’Arc“ des Betriebsrats im berühmten Versandhaus Sander. Jetzt wird „die rote Barbara“ kurz vor der Rente nach 30 Jahren überraschend abgewählt, ist ihre Freistellung los und muss als Sachbearbeiterin an den Shared Desk – ausgerechnet in die Abteilung „Wäsche-Bade“ ihres karriereorientierten Sohnes Bastian. Der will und muss als aufstrebender Abteilungsleiter mit moderner Führung beeindrucken und möchte die renitente MmL – Mitarbeiterin mit Lebenserfahrung – einfach nur wieder loswerden.

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das Drehbuch gelesen haben?

Ulrike Kriener: Mein erster Gedanke war: super Idee, tolle Rolle und eine sehr witzige Sprache. Mir hat gefallen, dass es sich um ein außergewöhnliches Sujet handelt und um einen Ensemblefilm. Und ich hatte mit dem Regisseur Lars Jessen schon einmal zusammengearbeitet. So war schnell klar, dass ich das spielen möchte. Wir bekommen es alle mit: Es gibt einen Generationswechsel und der ist nicht so leise, wie vielleicht früher. Vielleicht bin ich dafür auch sensibler, weil ich selbst davon betroffen bin. Die Arbeitswelt hat sich total verändert: Digitalisierung, Klimawandel, das jahrzehntelange Verhältnis der Staaten. Alles ist in Bewegung geraten. Und das hat Auswirkungen auf unser Leben und unsere Arbeitswelt. Ich finde es toll, dass unser Film genau diese Themen berührt.

Wer ist die „rote Barbara" und was zeichnet sie aus?

Ulrike Kriener: Barbara zeichnet ihre Kampflust und ihr Stolz aus. Sie ist seit vielen Jahren Betriebsrätin und hat sich vehement für die Rechte der Belegschaft eingesetzt. Als ehemals alleinerziehende Mutter bringt sie die Bereitschaft zur Verteidigung der Schwachen quasi mit. Und wenn sie darin nicht erfolgreich gewesen wäre, hätte man sie sicher nicht so viele Jahre gewählt. Aber wenn man einen Job sehr lange ausübt und die Privilegien gewöhnt ist, besteht auch die Gefahr, selbstgefällig und bequem zu werden. Und genau an diesem Punkt steht die „rote Barbara“. Lars Jessen und ich haben uns auf die Figur einer „Alt-SPDlerin“ verständigt.

Wie haben Sie sich mit Tim Oliver Schultz auf die Mutter-Sohn-Beziehung vorbereitet? Wie kommt man zum richtigen Comedy-Timing in den Dialogen?

Ulrike Kriener: Na ja, es steht ja alles im Buch. Und ich bin selbst Mutter. Es gibt eine Leseprobe und da prallt man aufeinander und das Spiel geht los. So ein Kennenlernen ist im besten Fall eine große, inspirierende Freude, und wir haben mit Tim, Sevda Polat, Klara Lange und den anderen eine großartige Besetzung. Ich glaube, dass man Timing hat als Schauspieler – oder nicht. Komik hat viel mit Tempo zu tun und mit innerer Spannung. Ich denke, dass man dafür einen Instinkt braucht. Was man mitbringt, entwickelt sich dann weiter. Und man muss unbedingt bereit sein, der Verlierer zu sein – als Frau und als Mann. Menschen, die um etwas ringen und daran scheitern, sind komisch – also sind es eher nicht die klassischen Helden. Barbara Lucke hält sich für unbesiegbar und scheitert daran, als sie versucht, mitzukommen und sich nicht abhängen zu lassen: Aus dieser Not kann ich Komik ziehen.  

Komödie oder Krimi – was ist schwieriger?

Ulrike Kriener: Die Komödie ist schwieriger. Es ist die anspruchsvollere Form. Mich interessiert es mehr, mit diesem Genre die Herzen zu öffnen, und dann Botschaften beim Publikum anzubringen. Das ist freundlicher, eleganter. Das kann die Komödie exzellent.

Wenn man all die Preise sieht, die Sie gewonnen haben und Ihre Filmografie aufruft, wird einem ganz schwindelig. Sichtbarkeit – sprich Rollen für Frauen 47+: War das zwischendurch auch mal Thema?

Ulrike Kriener: Es gab Einbrüche, natürlich. Ich habe ein Kind nach der Schwangerschaft verloren, und als dann später mein Sohn auf die Welt kam, habe ich weniger gearbeitet. Es gibt in meinem Beruf keine Sicherheit, und es gibt keine Garantie auf Erfolg. Von Anfang an, also von der Schauspielschule an, gibt es immer mehr Schauspielerinnen als Schauspieler. Und es gibt immer weniger Rollen für Frauen als für Männer. Dieses Missverhältnis begleitet uns unser ganzes Berufsleben. Und wenn man älter wird, fällt es den Frauen irgendwann auf die Füße. Ich hatte großes Glück, dass ich mit Ende 40 angefangen habe, die Kommissarin Lucas zu spielen. Das hat mich sicher auch über die schwierigen Jahre getragen. Trotzdem: Natürlich wünscht man sich, sein Leben lang schöne Rollen zu spielen, auf der anderen Seite muss auch die Generation, die nachrückt, ihre Geschichten erzählen können. Das ist ihr Recht. So ist das Leben. 

„New Work" am Set: Wie hat sich die Arbeitskultur am Set in den letzten 30 Jahren geändert?

Ulrike Kriener: In der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit hat sich wenig geändert, allerdings gibt es die Brüllköppe nicht mehr. Die Technik jedoch hat sich sehr stark geändert: Der gesamte Herstellungsprozess hat sich immens verschnellert. In meinen Anfängerjahren hatte man für einen Film circa 35 Tage! Heute sind 21 Tage super, und der Druck ist hoch, noch schneller zu drehen. Licht, Ton, Kamera – das wird alles heute anders gemacht. Es wäre schön, wenn die Verschnellerung dazu dienen würde, günstiger zu arbeiten. Aber das Thema Geld ist riesig und belastet doch den gesamten Prozess. Manchmal wundere ich mich, dass man bei diesem Tempo immer noch kreativ sein kann. Eine große Veränderung ist das grüne Drehen. Das ist Lars Jessen besonders wichtig, und ich schätze das sehr. Es spiegelt sich in allen Arbeitsbereichen wider.

Haben Sie eigentlich mal in einem Büroteam gearbeitet?

Ulrike Kriener: Ganz kurz, als ich eine Lehre zur Sprechstundenhilfe angefangen habe. Und später als Telefonistin ums Abi herum – das ist 100 Jahre her, das zählt nicht. Sonst nie. Aber wenn ich in den Produktionsbüros bin, sehe ich die Teams, die auf dem gleichen Gang arbeiten und sich Mails schicken. Ist das nicht eigentlich bescheuert? Wir erzählen im Film von einem alten Familienbetrieb, der sich sehr stark verändert. Barbara und der Seniorchef sind die beiden, die die Änderungen nicht wirklich verstehen und auch nicht wollen. Ok, in einer Großstadt wie Hamburg ist new work schon normal, aber auf dem Land hast du ja oft noch nicht mal Internet. Dieser Prozess braucht viel Zeit.

Was heißt für Sie „in Würde altern"?

Ulrike Kriener: Mir macht das Altwerden bis heute keine Sorgen. Ich bin immer gern älter geworden. Natürlich habe ich Sehnsüchte: Ich möchte nützlich sein für andere, ich möchte angezapft werden, mein Wissen weitergeben, verbunden bleiben. Ich möchte nach meinen Fähigkeiten und Möglichkeiten respektiert werden und mich nicht jünger und toller darstellen müssen. Selbstständig sein, eigene Entscheidungen treffen – das ist mir wichtig.