"Zocken ohne Limit – Online-Glücksspiel außer Kontrolle?": Hoher Einsatz im Milliarden-Business
Es ist ein riesiger Boom: Täglich werden weltweit über 300 Millionen Euro in Online-Casinos eingesetzt. Eine neue ARTE-Doku zeichnet die Schattenseiten des Glücksspiels im Web nach: Suchtverhalten, Geldwäsche, Korruption. Zu Wort kommen unter anderem Experten und Spielsüchtige.
Seitdem es Glücksspiel gibt, spielt auch die Sucht mit. Eine besondere Komponente des Online-Glücksspiels ist, dass der Einsatz nicht aus dem Portemonnaie gezogen wird. Süchtige sprechen davon, das Gefühl zu haben, dass es sich bei den Transaktionen nicht um "echtes Geld" handele. Und während in realen Casinos und Spielotheken weniger gespielt wird, erlebt das Glücksspiel im Web einen riesigen Boom, auch aufgrund der Pandemie. Neben dem existenzbedrohenden Suchtproblem gibt es weitere Kontroversen um das Multimilliardengeschäft: Die investigative ARTE-Dokumentation "Zocken ohne Limit – Online-Glücksspiel außer Kontrolle?" zeigt zudem, wie eine gnadenlose Mafia mit dem Business Millionen wäscht und die Auswüchse des Marktes für juristischen Ärger sorgen.
Im Film von Regisseur Detlev Konnerth und Autorin Marijke Engel kommt der Insel Malta eine tragende Rolle zu, sie hat sich zum Eldorado des Online-Glücksspiels entwickelt. 2004 liberalisierte das kleine EU-Land den Glücksspielmarkt, das Geschäft macht zwölf Prozent der Wertschöpfung aus – und lockt Kriminelle an. "Das organisierte Verbrechen muss Mittel und Wege finden, um Geld zu verschieben und es legitim aussehen zu lassen, und es ist zweifellos erwiesen, dass sie dafür Glücksspiele und Online-Glücksspiele nutzen", erklärt der maltesische Journalist Manuel Delia.
Dafür soll es sogar Mafia-Absprachen verschiedener Syndikate gegeben haben Cosa Nostra, 'ndrangheta, Camorra. Und Korruption ist eher die Regel als die Ausnahme bei der zuständigen maltesischen Behörde mga. Eine furchtlose Journalistin, die sich nicht einschüchtern ließ, bezahlte die Berichterstattung über die Glücksspiel-Branche auf Malta mit dem Leben.
Experte: Kein wirtschaftlicher Bereich so "kontaminiert"
Ein besonders guter Ort, um Geldflüsse zu verschleiern, ist übrigens Deutschland. Dies bestätigt auch ein Mitarbeiter der militärisch organisierten Guardia di Finanza in Italien. Michael Findeisen, ehemaliger Referatsleiter im Bundesfinanzministerium, wird noch deutlicher: "Wenn jemand organisierte Kriminalität in Deutschland sichtbar machen will, dann muss er sich wirklich den Glücksspiel-Bereich angucken." Es gebe keinen wirtschaftlichen Bereich, der so "kontaminiert" sei.
Einen weiteren interessanten Aspekt der Doku stellen die sogenannten Affiliates, Professionelle, die andere zum Spielen animieren sollen, sowie professionelle Streamer dar. Die Grenzen sind teils fließend. Viele täuschen nur vor, mit eigenem Geld zu spielen, Streamer Spintwix hingegen tut das wirklich, allerdings zu Sonderkonditionen. Inzwischen kann er auf 25.000 Follower verweisen. Langfristig hat er durch dauerhafte Boni und Angebote bessere Gewinnaussichten, gleichzeitig verdient er durch die Streams und ist selbst Affiliate.
Vielspieler bringen den Anbietern das meiste Geld
Als Kundinnen und Kunden besonders begehrt: sogenannte "Highroller". Dabei handelt es sich um exzessive Vielspieler, die von Anbietern mit moralisch fragwürdigen Methoden zum Weiterspielen animiert werden. Auch die Leidtragenden kommen zu Wort: "Es wäre nicht unmöglich gewesen, dass ich mal zehn, zwölf Stunden gespielt habe und einfach das Gefühl für Zeit und Raum verloren habe", erklärt ein Süchtiger. "Ich spiele, um zu spielen – ohne Limit", sagt ein anderer.
Eine aktuelle Bevölkerungsumfrage zeige laut Tobas Hayer, Psychologe der Uni Bremen, dass wir etwa "1,3 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger haben, die wir als Glücksspiel-süchtig bezeichnen können". Dazu kämen nochmal 3,25 Millionen mit riskantem, missbräuchlichen Glücksspiel-Verhalten. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag, der 2021 ratifiziert wurde, sollten Spielerinnen und Spieler in Deutschland besser geschützt werden. Der Staat will mitverdienen, doch lässt sich diese Branche noch kontrollieren?
Zocken ohne Limit – Online-Glücksspiel außer Kontrolle? – Di. 11.07. – ARTE: 22.00 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH