"Wendland – Stiller und der Teufelssauger": Vampir-Alarm






Kommissar Jakob Stiller, gespielt von Ulrich Noethen, muss in "Wendland – Stiller und der Teufelssauger" nicht nur einen grausigen Mordfall lösen, sondern sich auch den mystischen Vampir-Mythen des Wendlands stellen. Der Krimi bietet spannende Wendungen und einen Hauch von Noir-Thriller.
Er schreibt anspruchsvolle Prosa, fährt ökobewusst Rad – und gehört wohl zu den außergewöhnlichsten TV-Kommissaren: Jakob Stiller alias Ulrich Noethen ermittelt seit 2022 als strafversetzter Städter im schönen "Wendland", dem die ZDF-Reihe ihren Titel verdankt. Nachdem die letzten Filme über jagende Prepper und die deutsch-deutsche Vergangenheit mit guten Quoten überzeugten, bekommt es Stiller im vierten Fall "Wendland – Stiller und der Teufelssauger" abermals mit regionalen Eigenarten zu tun: Nach dem Tod der Leiterin des Heimatmuseums taucht Stiller tief in die gruseligen Mythen des Wendlands ein – und befasst sich mit Vampiren der etwas anderen Art.
Leichen, Sagen, Blutsauger: Dem Krimi aus der Feder von Sarah Schnier haftet von Beginn an der Hauch eines mystischen Noir-Thrillers an. Die im Museum tot aufgefundene Historikerin und "Märchenfrau" Lubina Dagartz (Judith Rosmair) wurde ermordet, danach aufgehängt und vollständig ausgeblutet. Wer ist zu solch' grausiger Tat fähig? "Sie denken jetzt nicht an einen Vampir?", gibt Stillers Kollegin Kira Engelmann (Bettina Burchard) die Richtung vor. Denn bald stößt der belesene Ermittler, der das von reichem Wissen über regionale Bräuche zeugende Archiv untersucht, auf die titelgebende Legende vom "Teufelssauger". Demnach saugen Tote erst sich selbst und anschließend ihre Familie aus, um sie zu töten. Vampire nach Art des Wendlands, sozusagen.
Verdächtiger Zwilling
"Teufelssauger" entstehen der Sage zufolge dann, wenn Zwillinge an derselben Brust gestillt werden. Und siehe da: Die Tote hat eine Zwillingsschwester – eine als gescheiterte Existenz ins Drehbuch geschriebene, tablettensüchtige Krankenschwester, der das Leben hart zugesetzt hat. Schnell gerät Lenka Preen (ebenfalls Judith Rosmair in eindrücklicher Doppelrolle) unter Verdacht. Dass sie ihre Schwester als verlogenen "Teufelssauger" beschimpft und für ihr – von Ehebruch bis Erbschaftsstreit – verkorkstes Leben verantwortlich macht, hilft da nicht unbedingt.
Aber hat die Verschwörungstheorien zugetane Frau, die zudem – witziger Skripteinwurf – in einem Blutspendemobil arbeitete, deshalb gleich gemordet? "Wissen Sie, was man früher mit den Teufelssaugern gemacht hat?", fragt sie Stiller. "Man hat sie getötet, bevor sie Schaden anrichten konnten." Eine Verteidigung in eigener Sache sieht anders aus.
Unheimlich und unterhaltsam
Während der düstere Mythos Stiller erst belustigt, ist er vom ganzen Blut-Gerede ("nur bei Hausschlachtungen erlebt") bald sichtbar angewidert. Der Kontrast zwischen sensiblem Städter und zünftiger Provinz wird auch im vierten Film, abermals unter Regie von Bruno Grass, genüsslich ausgespielt.
So unheimlich wie unterhaltsam schreiten die Ermittlungen voran, die Stiller in ein geheimes Archiv führen, in dem das Opfer die Geheimnisse der Nachbarschaft säuberlich sammelte – vom Fetisch bis zum Betrug. Erpresste sie damit ihre Mitbürger, von denen so ziemlich jeder ein Motiv haben könnte? Beliebt war die Tote jedenfalls nicht ("Ich hätte die Bitch am liebsten selbst platt gemacht"). Ihre Energie habe sie aus den Lügen und Geheimnissen der anderen "gesaugt", kommentiert Stiller süffisant und fragt sich, ob unter den Einwohnern vielleicht einer "mit blutverschmiertem Mund und besonders markanten Eckzähnen" befinde?
Blutleer sind nur die Leichen
Das Vampir-Thema zieht sich durch den sehenswerten Krimi, wobei auch die Vorliebe für Fledermäuse eine Rolle spielt: Viele brächten mit ihnen den Tod in Verbindung, "vor allem seit der Pandemie", erklärt Tierärztin und Stillers Flirt-Freundin Silke Landauer (Helene Grass). Dabei "können wir mit ihrer Hilfe womöglich den Krebs besiegen". Wie immer kann man im "Wendland"-Krimi viel lernen. Und miträtseln – etwa, was es mit der örtlichen Hausärztin (fantastisch: Katharina Schüttler) und ihrem Mann und "Fledermausforscher" (Johann von Bülow) auf sich hat. Das prominent besetzte, überaus affektierte Paar hegt so manches Geheimnis ...
"Was Stiller manchmal im Weg steht, ist seine Ungeduld", analysierte Hauptdarsteller Ulrich Noethen einmal die widersprüchlichen Züge seiner Figur. Im vierten Fall muss er angesichts der Recherchen in "frischen Dachbodenakten" mehr denn je dagegen arbeiten. Das ist alles andere als langweilig: Blutleer sind in dem spannend inszenierten Krimi, der mit mancher Wendung überrascht, jedenfalls nur die Leichen. Als Kontrast zu schönem Fachwerk und hübschen Elbauen steht derlei "Noethen-Noir" der weiterhin überzeugenden "Wendland"-Reihe durchaus gut.
Wendland – Stiller und der Teufelssauger – Mi. 19.03. – ZDF: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH