"Comedian Harmonists": Aufstieg des kleinen Mannes
Wer das Biopic "Comedian Harmonists" aus dem Jahr 1997 noch nicht gesehen hat, dem bietet sich nun erneut die Möglichkeit. Der Film über die Gesangsgruppe, die den Nazis in den 30er-Jahren heitere Evergreens entgegenträllerte ist absolut sehenswert und wurde mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Sie zogen aus, um mit ihrem Gesang die Welt zu erobern. Berlin, Paris, New York, Australien und Südamerika jubelten ihnen zu. Ihnen gelang, wovon Hitler nur träumen konnte. Aber zuletzt, nach gerade einmal acht Jahren ihrer Auftritte und ihres Erfolges, wurden die "Comedian Harmonists", die mit ihren heiter-melancholischen Evergreens die Marschtritte der Nazis aus dem Rhythmus brachten, von Hitler vertrieben. Sie trennten sich – ein paar machten weiter, die anderen, von jüdischer Herkunft, gingen ins Exil. – Das Drama "Comedian Harmonists" erzählte 1997 ihre Geschichte und erhielt dafür den Deutschen Filmpreis. Im BR Fernsehen läuft das Biopic nun als Wiederholung.
Die Nazis in der ersten Reihe
Wenn sie zum letzten Mal in München auf der Bühne stehen, um die alten Lieder zu singen, mit denen sie die Herzen ihres Millionenpublikums erobert hatten, wenn die Frauen in Gestalt von Meret Becker und Katja Riemann, von der Kamera umflort, hinaufblicken zu ihren Stars, dann muss ein Schuft sein, wer nicht weint. In München sitzen die Nazis in der ersten Reihe und wollen noch einmal hören, was sie mit dem Ausschluss aus der Reichsmusikkammer zuvor verboten hatten.
Alles beginnt in Joseph Vilsmaiers filmischer Biografie der Gruppe 1927 auf einem Dachboden in Berlin. Der 20-jährige Schauspielschüler Harry Frommermann hatte einen Plan gefasst: Er wollte eine Gesangsgruppe gründen, die so peppig sein sollte wie die "Revellers" in Amerika. Auf eine Zeitungsannonce hin stellte er unter zahlreichen Bewerbern sechs Stimmen zusammen: den Bass Robert Biberti, der später zum Sprecher der "Arier" werden sollte und des erworbenen Besitzes wegen unbedingt in Deutschland bleiben wollte, den staatenlosen, polnischen Opernsänger Roman Cycowski, Erich Collin, der sieben Sprachen beherrschte, den Bulgaren Ari Leschnikoff, dessen heller Tenor der Gruppe das typische Timbre gab. Frommermann wusste, wie viel Aufwand notwendig war, um internationalen Erfolg zu haben, der schlaue Biberti drängte sich als Manager vor.
Rhythmen, Gassenhauer, Frauen und die Politik
Es ist die Geschichte vom Aufstieg des kleinen Mannes, der es schaffen kann. Die erste Hälfte des Films ist voller Rhythmen, voller Gassenhauer: "Mein kleiner grüner Kaktus", "Schöne Isabella von Kastilien". Schnulzen wie "Du bist nicht die Erste, aber meine Letzte, die könntest Du sein" ließen Frauenherzen schmelzen. Und das im Saal ebenso wie hinterher: Man feierte Orgien, schwamm im Geld. Ein Männerfilm – gar keine Frage. Damit die Frauen doch nicht zu kurz kommen, baute Vilsmaier private Kulissengeschichten ein. Frommermann und Biberti streiten sich um das Weib – das ergibt ein etwas holzschnittartiges, kleines Zusatzmelodram.
Die Schauspieler sind allesamt überzeugend und bastelten mit ihren Rollen mächtig an der eigenen Karriere. Der damals weitgehend unbekannte Ulrich Noethen mit einem eleganten Dreißiger-Jahre-Gesicht allen voran, aber auch Ben Becker als gefährlicher Opportunist Biberti, Heinrich Schafmeister als Collin und – ganz große Klasse – Max Tidof als Ari Leschnikoff mit schmalem Bärtchen. Sehenswert ist der Film, der einst über drei Millionen Zuschauer in die Kinos lockte, auch heute noch.
Comedian Harmonists – Sa. 20.01. – BR: 22.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH