"Auswärtsspiel – Die Toten Hosen in Ost-Berlin"

Punks aus Ost und West vereint

13.04.2022, 08.27 Uhr

Der Titel der Dokumentation führt in die Irre. Ein bisschen jedenfalls. Der Film von Martin Groß schaut weniger auf die Toten Hosen. Eher schon auf die, die damals, 1982, Punk-Rock in der DDR machten. "Wir konnten tun, was wir wollten. Die im Osten nicht", bringt es Kuddel von den Hosen auf den Punkt.

ARD
Auswärtsspiel – Die Toten Hosen in Ost-Berlin
Dokumentation • 13.04.2022 • 22:50 Uhr

Irgendwann in diesem Film sitzen sie sich gegenüber. Der einstige Führungsoffizier aus dem Ministerium der Staatssicherheit, der damals alles daran setzte, die Punk-Bewegung in der DDR zu zerschlagen. Was nicht selten auch gelang – mit Tricks, Lügen und durchaus auch einer genauen Kenntnis, wie Jugendliche ticken. Und ihm gegenüber: Campino. Der Sänger der Toten Hosen, der, wäre er damals im Osten geboren, heute womöglich ein Niemand wäre. Eine Annäherung zwischen beiden gibt es nicht wirklich. Aber immerhin ein Gespräch.

"Auswärtsspiel – Die Toten Hosen in Ost-Berlin" ist die 75-minütige Dokumentation überschrieben, die an das erinnert, was Campino heute "einen der wichtigsten Momente der Bandgeschichte" nennt. Damals aber, vor fast 40 Jahren, sei es vor allem zweierlei gewesen: verboten und ein Abenteuer. Genau das Richtige also, um von den mit allerlei Fröhlichmachern beseelten "Untergrundpfadfindern" begeistert aufgenommen zu werden.

Eine Ost-Band als Vorband

Es geht um eine verrückte Idee: Die Toten Hosen, damals noch unbekannt, hatten sich in den Kopf gesetzt, in die DDR zu fahren und dort ein Konzert zu geben. Erlaubt war so etwas natürlich nicht. Mark Reeder, damals Bandmanager in der Punk-Szene und Brite, hatte Kontakte in den Osten. Er war es, der diese Idee vorbereitete und letzten Endes auch mit den Toten Hosen umsetzte. Wie so viele andere Beteiligte kommt auch er in dem Film zu Wort, der in einer Art Zeitreise die Ereignisse von damals Revue passieren lässt.

Es war der 27. März 1983, als die Hosen samt Begleitung, um nicht aufzufallen getrennt in mehreren Gruppen, in den Osten einreisten. Die Punkfrisuren brav gescheitelt, damit ja nichts schiefgeht an der Grenze. Ziel war die Erlöserkirche, wo Brüder im Geiste schon warteten. Planlos – so hieß die Ost-Punkband, die an diesem Nachmittag bei dem streng geheimen Auftritt die Vorband gab. Mit dabei unter anderem: Bernd-Michael Lade, der später Schauspieler wurde und deutschlandweit als "Kain" in den MDR-"Tatorten" an der Seite von Peter Sodann berühmt wurde. Bei Planlos war er der Schlagzeuger. Irgendwann saßen sie alle zusammen, vor dem Konzert. Man trank, und der Fernseher lief: Im West-Fernsehen wurde zum ersten Mal über eine Band namens Die Toten Hosen berichtet. Punks aus Ost und West vereint ... beim Eierlikör.

Es folgte das Konzert, von dem es keine Bewegtbilder gibt. Die Stasi hatte wie immer, zumindest aus der Ferne, die Augen drauf. Doch einen Zugriff gab es nicht. Die Hosen fuhren wieder heim. Für die Band Planlos indes ging die Geschichte tragisch weiter. "Wir konnten tun, was wir wollten. Die im Osten nicht", bringt es Hosen-Gitarrist Kuddel auf den Punkt. Die Stasi nahm sich die Band vor. Zersetzung von innen – der Film erklärt, wie das damals vor sich ging.

Es blieb nicht der einzige Heimlich-Gig der Hosen im Osten. Im April 1988 wagte man es ein zweites Mal. Mark Reeder übernahm erneut die Organisation, hatte aber Bedenken. Es sollte einen Auftritt mit der DDR-Band Die Vision geben. Doch diesmal war die Stasi, wie sich auch heute in den Akten nachlesen lässt, deutlich besser informiert. Warum das so war, auch darüber scheint heute Klarheit zu bestehen.

Im Film von Martin Groß kommen zahlreiche Beteiligte von damals zu Wort: Bandmitglieder, Organisatoren, Fans, Kirchenvertreter. Er schließt mit einer Szene, die im Gedächtnis bleibt. Die Hosen treten heute, knapp 40 Jahre danach, vor einem kleinen erlesenen Kreis noch einmal in der Erlöserkirche auf. Und sie singen ein wütendes Lied von Planlos – jener Band, die einst am System zerschellte. Die Kamera filmt auch Bernd Michael Lade in der ersten Reihe, als er Campino die eigenen Zeilen von einst singen hört. Er hat Tränen in den Augen.

Auswärtsspiel – Die Toten Hosen in Ost-Berlin – Mi. 13.04. – ARD: 22.50 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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