Maren Kroymann stellt im Interview klar: "Ich bin in keiner Weise fertig mit irgendetwas"
"Ich will arbeiten, bis ich tot umfalle", erklärt Maren Kroymann. An Aufträgen mangelt es der Schauspielerin und Kabarettistin aktuell jedenfalls nicht. Im Interview sprach die 74-Jährige über "Oma-Rollen", über den Druck als Frau immer gut aussehen zu müssen und wie es ist, wenn man nicht in "seinem Alter ist".
Was alles wichtig sei für "Frauen in ihrem Alter", will Mona (Maren Kroymann) nicht wissen. "Ich bin nicht in meinem Alter!", behauptet sie, als ihre Schwester Marie (Ulrike Kriener) einmal mehr ungefragt Ratschläge verteilt. Auch Maren Kroymann, die in der Komödie "Mona & Marie: Ein etwas anderer Geburtstag" (Montag, 4. Dezember, 20.15 Uhr, ZDF) nun bereits zum zweiten Mal in die Rolle der "Düsseldorfer Ziege" Mona schlüpft, lässt sich von ihrem Alter nichts vorschreiben. Ans Aufhören denkt die 74-jährige Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin noch lange nicht – schließlich, so erklärt Maren Kroymann im Interview, wachsen ihr gerade "so viele Dinge zu". Dazu zählen eine eigene Sketch-Comedysendung im Ersten ("Kroymann"), ein eigener Podcast ("War's das?"), ein seit Jahren erfolgreiches Bühnenprogramm ("In My Sixties") sowie zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Fehlt nur noch das langersehnte Haus mit Seeblick – doch auch dafür sei noch ausreichend Zeit, versichert Kroymann.
prisma: Sind Sie "in Ihrem Alter", Frau Kroymann?
Maren Kroymann: Natürlich nicht! Aber irgendwie auch doch. Wir altern anders, als es unsere Mütter oder Großmütter taten. Über 70 zu sein, sieht heutzutage völlig anders aus.
prisma: Spiegelt sich das auch in Ihrer Arbeit wider?
Kroymann: Ich identifiziere mich gar nicht mit den Oma-Rollen. Im Fernsehen gibt es wenig interessante Angebote für Frauen über 50. Ich bin immer offensiv mit meinem Alter umgegangen und habe nie ein Geheimnis daraus gemacht. Es gab eine Zeit, da wurde ich oft für echt omamäßig alte Frauen angefragt – im Sinne von: "Fragen wir die Kroymann, die gibt ja zu, dass sie alt ist." Solche Anfragen habe ich immer abgelehnt, weil ich mich nicht so sehe.
prisma: Wie sehen Sie sich?
Kroymann: Ich habe eine andere Art von Älterwerden, und ich möchte auch, dass das unter die Leute kommt. Die Menschen sollen sehen, dass Frauen meiner Generation einfach noch viel aktiver und befreiter sind und selbstbewusst ihre eigene Agenda verfolgen. Sie haben noch was vor im Leben, sie haben eine große Power und sind nicht mehr so abhängig von dem Blick, den Männer auf sie richten.
"Das Älterwerden hat früh angefangen und bis heute nicht aufgehört"
prisma: Wie alt fühlen Sie sich?
Kroymann: Ein Beispiel: Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich erzähle: "Da bin ich ein paar älteren Frauen begegnet ..." – und dann halte ich inne und sage, "also etwas jünger als ich". Manchmal sage ich auch, wenn ich groß bin, möchte ich das und das noch machen, zum Beispiel ein Haus mit Seeblick haben. Diesen Gedanken, dass da noch Raum für etwas ist, "wenn ich groß bin", finde ich schön.
prisma: Werden Sie jemals "groß" sein?
Kroymann: Mal sehen. Das Älterwerden hat früh angefangen und bis heute nicht aufgehört. Mit 27 habe ich die ersten Falten gesehen und gedacht: "Mist, ich werde alt." Mein 27. Geburtstag war der schlimmste Geburtstag bisher. Damals war meine Beziehung in die Brüche gegangen, ich hatte noch kein Staatsexamen und wusste nicht, was aus mir beruflich wird. Früher empfand ich das Älterwerden viel negativer als heute.
prisma: Sie sind also lieber 74 als 30?
Kroymann: Vielleicht ist das nur meine persönliche Erfahrung, aber in meinem Alter wachsen mir so viele Dinge zu. Zum Beispiel, dass ich auf meine alten Tage mit Ende 60 mit "Kroymann" noch mal eine eigene Sendung bekommen habe in der ARD. Es passiert mir so viel Gutes. Ich habe das Gefühl, im Vollbesitz meiner Kraft zu sein. Ich befinde mich in einer ganz besonderen Phase meines Lebens.
"Ich bin in keiner Weise fertig mit irgendetwas"
prisma: "Ein etwas anderer Geburtstag" lautet der Titel des neuen "Mona & Marie"-Films – auch, weil Mona eine Abneigung gegen ihren eigenen Geburtstag hat. Können Sie das nachvollziehen?
Kroymann: Natürlich! Aber teilen tue ich es auf gar keinen Fall. Mona ist eine klassische Düsseldorfer Ziege (lacht). Sie ändert sich gerade notgedrungen, sie wird von der dummen Modepute zu einer halbwegs reflektierten Person.
prisma: Macht es Ihnen Spaß, solche Rollen zu spielen?
Kroymann: Von den beiden Schwestern hat mich Mona eindeutig mehr interessiert. Ich wollte unbedingt die doofe Kuh spielen, weil das weiter weg ist von meinem bisherigen Rollenprofil. Die Alt-68erin habe ich schon so oft gespielt. In den bösen Figuren finden sich oft mehr Facetten, viel mehr Unerwartetes. Ich muss die Rollen, die ich spiele, nachvollziehen können, aber sie müssen mir nicht sympathisch sein. Es wird schnell langweilig, wenn wir älteren Frauen immer die nette Identifikationsfigur spielen sollen. Die bösen Rollen sind oftmals interessanter, weil sie komplexer sind.
prisma: 2021 bezeichneten Sie sich in Ihrer Rede beim Deutschen Comedypreis als "in die Jahre gekommene Studentin". Wie meinten Sie das?
Kroymann: Eine Studentin ist eine Person, die etwas lernt. Das ist doch etwas Positives. Ich bin immer offen dafür, dass mir etwas Neues passiert. Ich bin in keiner Weise fertig mit irgendetwas. Es kommt noch so viel auf mich zu.
prisma: Was lernen Sie noch?
Kroymann: Ich habe mir zum Beispiel vor ein paar Jahren das Kraulschwimmen beigebracht. Vor vier Jahren brach ich mir dann die Schulter. Bis heute arbeite ich daran, das wieder in Ordnung zu bekommen, um wieder richtig kraulen zu können. Das ist seitdem meine tägliche Agenda – mit Übungen und allem Drum und Dran. Nach meiner Operation hätte keiner geglaubt, dass das wieder wird. In dieser Hinsicht bin ich ehrgeizig. Darauf bin ich total stolz.
"Was kann ich Gutes tun mit der Prominenz, die ich habe?"
prisma: An den Ruhestand ist also nicht zu denken?
Kroymann: Nein! Ich will arbeiten, bis ich tot umfalle. Das ist das Schöne an meinem Beruf: Solange mir Rollen angeboten werden, kann ich arbeiten. In anderen Berufen ist mit 65 Schluss. Wäre ich verbeamtet worden, hätte ich mir vor einigen Jahren etwas Neues suchen müssen – da wäre mir aber sicher auch etwas eingefallen.
prisma: Wird Ihnen die Arbeit nie zu viel?
Kroymann: Man kann es ja dosieren. Wenn es mir zu anstrengend wird, kann ich ein bisschen kürzertreten. Hörfunk mache ich zum Beispiel gerne, das funktioniert ja ganz unabhängig von den Falten (lacht). Ich will aber ohnehin nicht aufhören. Der Beruf hält mich wach und lebendig. Für "Kroymann" arbeite ich mit Leuten zusammen, die halb so alt sind wie ich. Das zwingt mich, meine grauen Zellen in Bewegung zu halten – zum Glück.
prisma: Waren Sie schon immer so wissbegierig?
Kroymann: Ich will mitbekommen, was auf der Welt vor sich geht. Sonst kann ich mir keine Meinung bilden. Ich lese viel, auch im Internet, um mich im gesellschaftlichen Verhältnis positionieren zu können. Schließlich will ich mich auch einbringen: Was kann ich der Gesellschaft zurückgeben? Wo engagiere ich mich? Was kann ich Gutes tun mit der Prominenz, die ich habe?
Passen Feminismus und Botox zusammen, Frau Kroymann?
prisma: Unter anderem sind Sie überzeugte Feministin – und seit jeher Gegnerin von Schönheitseingriffen. Auch in Ihrem neuen Film kommt das Thema zur Sprache. Wie stehen Sie zu der Debatte, die vor kurzem von jungen Feministinnen wie Sophie Passmann und Margarete Stokowski angestoßen wurde: Passen Feminismus und Botox zusammen?
Kroymann: Das muss jede für sich selbst definieren. Ich sage nicht: Wer sich liften lässt, ist keine Feministin. Das wäre verrückt! Ich halte viel von Sophie Passmann und Margarete Stokowski – wobei Letztere ja vor allem Botox nimmt, um ihre Migräne in Schach zu halten. Aber generell ist die Argumentation eben in dem Punkt etwas anders als meine. Sie sagen: Man ist so selbstbewusst, dass man das eigene Äußere gestaltet, das gehört zum selbstbestimmten Dasein. Mein Verständnis von Feminismus stammt aus einer anderen Zeit.
prisma: Wie blicken Sie auf das Thema?
Kroymann: Ich denke mir: Was spricht für mehr Selbstbewusstsein? Wenn ich sage, ich bin schön, will aber nachhelfen, um noch schöner zu sein? Oder wenn ich sage, ich bin schön, ich muss überhaupt nichts machen, ich bin in Ordnung so, wie ich bin?
prisma: Sie bleiben also Botox-Gegnerin?
Kroymann: Für mich: Ja. Ich lehne das aber bei anderen nicht ab. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, kommt man natürlich besser an, wenn man dem Schönheitsideal, das gerade herrscht, näherkommt. Dann ist man visuell besser vermarktbar. Davon bin ich auch nicht frei. Mich erkennt kein Schwein, wenn ich ungeschminkt bin, weil ich helle Wimpern habe. Ich gehe auch nur geschminkt vor die Kamera – es sei denn, es ist von Bedeutung für das Drehbuch. Manch einer könnte sagen, es sei unfeministisch, sich zu schminken. Schönheitseingriffe sind letztendlich auch nur ein paar Schritte weiter. Ich persönlich würde jedoch keinen Eingriff an mir vornehmen lassen, der nicht medizinisch notwendig ist.
"Man sieht immer mehr junge Mädchen, die wie Kim Kardashian aussehen"
prisma: Finden Sie es schade, dass Schönheitseingriffe so gängig geworden sind?
Kroymann: Kritisch sehe ich, dass es die Vielfalt reduziert. Optisch scheint es weniger Individuen zu geben. Man sieht immer mehr junge Mädchen, die wie Kim Kardashian aussehen. In den 70-ern haben unsere Eltern uns vorgeworfen, wir seien alle uniform mit unseren Jeans. Heute unterscheidet sich die Mode mehr, aber die Gesichter gleichen sich an. Das ist eine andere Art von Uniformität. Wir alten Feministinnen müssen aber unseren Blick auf Feminismus verändern.
prisma: Inwiefern?
Kroymann: Wir sind nicht die Einzigen, die Feministinnen sind. Die Jüngeren definieren das anders. Das darf man ruhig akzeptieren – und Verständnis haben: Es gibt einem tatsächlich mehr Sicherheit, wenn die Leute einen für hübsch halten. Positives Feedback mag jeder und jede, dann läuft alles ein bisschen besser. So erkläre ich mir das. Aber generell stellt sich die Frage: Wieso haben so viele Frauen – und deutlich weniger Männer – das Bedürfnis, das zu tun? Verweist das nicht auf den Umstand, dass sie, wenn sie es nicht tun, schlechter behandelt werden?
prisma: Werden sie denn schlechter behandelt?
Kroymann: Ja! Schönheitsdarwinismus nenne ich das. Das ist eigentlich eine gesellschaftliche Frage: Wieso ist das Aussehen so wahnsinnig wichtig?
"Oft sind es junge Frauen, die sich engagieren"
prisma: Ist das ein neuartiges Phänomen?
Kroymann: Nein, es war früher auch schon so, dass Schauspielerinnen wegen ihres guten Aussehens engagiert wurden und weniger wegen ihres Talents. Aber es herrscht eine zunehmende Dominanz des Visuellen. Bei Theaterschauspielerinnen gibt es bereits eine starke Tendenz, sich dessen bewusst zu werden und dem Druck zu widersetzen. Als Schauspielerin ist man schließlich nicht Model oder Moderatorin. Es geht nicht um den Look, sondern darum, verschiedene Rollen und Individuen darzustellen.
prisma: In Film und TV scheint der Trend gegenläufig zu sein.
Kroymann: Die Entwicklung geht immer in ganz verschiedene Richtungen. Es gibt natürlich Rückfälle. "Germany's Next Topmodel" ist in dieser Hinsicht furchtbar, weil es immer darum geht, wie man aussieht. Durch das Internet bewegt sich aber viel, auch in die richtige Richtung.
prisma: Sie stehen sozialen Medien also positiv gegenüber?
Kroymann: Dort findet man viele junge, kluge Frauen, die nicht mehr auf das Medium Fernsehen angewiesen sind. Ich halte es in vielen Fällen für eine positive Entwicklung, dass jede Person ihre eigenen Inhalte teilen kann. Die jungen Frauen, die etwas zu sagen haben, können heute leichter ihre Stimmen erheben. Natürlich sind die meisten dann Influencerinnen und sprechen über Nägel und Haare. Andere wiederum nutzen das Internet, um sich politisch zu verbinden. Da passiert ganz viel, "Fridays for Future" zum Beispiel. Die Umweltbewegung kommt von den jungen Leuten und oft sind es junge Frauen, die sich engagieren. Das ist eine wunderbare Entwicklung.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH